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Meine Mitbewohnerin und ich bekommen keine neue Wohnungstür, weil man die alte ja durchaus noch einmal lackieren kann. Und das geschieht heute, was ich recht kurzfristig – nämlich gestern – erfahren habe.

Ich habe also heute gewissermaßen die Handwerker in der Wohnung, obwohl sie größtenteils sich außerhalb dieser, aber immerhin direkt davor, aufhalten werden. Dieser Umstand greift schwer in meinen Tagesablauf ein; ich werde hier ausharren müssen, bis auch die letzte Lackschicht getrocknet ist.

Nun, dachte ich, vielleicht bieten sich ja komische Szenen, die ich live niederschreiben kann, denn mit Handwerkern hat man immer eine gewisse Art von Spaß. Denn Hand aufs Herz: Nichts klappt auf Anhieb. Ich teile ganz wertfrei folgende Klischees:

  • Handwerker kommen zu spät. Immer.
  • Sie bleiben zu lange.
  • Sie machen alles dreckig.
  • Sie machen alles kaputter, als es vorher war.
  • Und sie haben viele Ersatzteile dabei, nie aber das gerade notwendige („Ich seh‘ mal im Wagen nach“)

Ich finde das okay, denn jede Berufsgruppe muss so mit ihren Vorurteilen leben. Sie sind kaum ernstzunehmen, wie das mit Klischees eben so ist.

Mein Plan war nun, den Besuch der Handwerker detailliert an dieser Stelle zu schildern, da ich viel anderes nicht tun kann, während sie hier rund sechs Stunden den Eingang zu meiner Wohnung blockieren. Doch es geht nicht. Denn der Malermeister kennt mich gewissermaßen. Das liefert mich einem Interessenkonflikt aus.

Es war gestern Vormittag, als ich im Lauf-Dress die Wohnung verließ. Im Hauseingang traf ich auf zwei Maler, die gerade die Tür zum Keller lackierten.

„Herr Flotho? Wir müssten dann auch mal Ihre Tür machen.“

Ich war zweifach verwirrt. Erstens: Warum informiert der Vermieter uns nicht über die Lackiererei?! Achja, der bin ja ich selber. Aber zweitens – und das frage ich den Malermann auch gleich direkt:

„Woher wissen Sie, dass ich ‚Flotho‘ heiße?! Also, wer ich bin?!“

Dazu ein Exkurs: Ich hatte mal einen Kollegen, der wie ich vor der Kamera arbeitet. Der Kollege hielt sich für eine Berühmtheit. Ich sah und sehe das heute weitaus nüchterner: Er war es nicht. Wie auch ich es nicht bin. Jener Kollege wäre in meiner Situation mit dem Malermeister selbstverständlich davon ausgegangen, dass der Malermeister ihn aus dem Fernsehen kenne. Diese Möglichkeit ziehe ich nicht einmal heimlich in Betracht. Ich schließe sie sogar vehement aus.

Es ist noch überraschender, denn er antwortet:

„Ich lese Ihr Buch im Internet!“

Ich überlege kurz, frage mich, welches Buch zur Hölle. Den Blog?!

„Den Blog?!“

„Ja, das Buch.“

seppolog?!“

„Ja! Das sind doch Sie!“

„Ja. Verrückt. Ja. Also Sie kommen dann morgen und lackieren meine Tür?“

„Ja.“

 

Heute Morgen überlegte ich, ob es nicht naiv sei, zwei Menschen gleich die Tür zu öffnen, nur weil sie sagen, sie würden jene heute lackieren. Vom Vermieter habe ich dazu nichts gehört, hake aber auch nicht nach. Denn die Tür hat es nötig. Aber falle ich da gleich auf einen „Enkeltrick“ herein, wenn die Freunde hier klingeln!? Dagegen spricht, dass sie die Tür zum Keller bereits lackiert haben. Das wäre schon eine sehr perfide Tarnung.

Da mich der Malermeister also in gewisser Hinsicht „kennt“, fühle ich mich befangen, gleich über ihn zu schreiben. Und sage auch deshalb: Alle oben aufgeführten Handwerker-Klischees stimmen natürlich nicht. Obwohl ich es bislang immer so erlebe. Aber wirklich immer.

Unsere Gas-Wasser-Therme rummst nach wie vor. Sie wurde bereits mehrfach repariert. Sie ist noch immer kaputt.

Über das Rohr vom Toilettenspülkasten zur Kloschüssel will ich erst gar kein Wort verlieren. Das war der klassische Fall, dass der Handwerker, der es flicken sollte, derzeit kein passendes Ersatzrohr habe. Es müsse bestellt werden. Das war vor mehr als einem Jahr.

Unsere Schelle, Türklingel, klingelt nach wie vor nur jedes zweite Mal. Handwerker forschen noch an den Ursachen. Seit … vier Jahren.

Ich habe Verständnis. Die Dinge sind nicht so einfach.

 

Gibt es Handwerker unter den Lesern? Sitzen sie gerade hochroten Kopfes am Bildschirm angesichts dieses Textes? Dieser Diffamierungen? Dieser Vorurteile? Zurecht. Denn ein Mensch wie ich, der handwerklich wirklich schwerstbehindert ist, ist auf Euch angewiesen! Ich bin der erste, der beim kleinsten Schaden einen Handwerksbetrieb beauftragt, diesen zu beheben. Geld spielt keine Rolle. Bescheißt mich auch gerne, Hauptsache, am Ende ist alles wieder heil‘. Das hat bei mir absolute Priorität. Ich werde unruhig, wenn etwas kaputt ist. Mein Leben gerät dann aus seinen Bahnen.

Beispiel Küchenherd: Da gibt es ein Kontrolllämpchen, das rot leuchtet, sobald man die Express-Platte einschaltet. Dieses Lämpchen ist verrutscht. Es ist hinter die Verkleidung gerutscht. Das beunruhigt mich massiv. Weil es dort nicht hingehört. Weil es der Ordnung widerstrebt. Man sieht nun nicht mehr, dass es leuchtet. Man ahnt es. Aber wissen kann man es nicht. Es ist wie diese Katze in dieser Box mit dem Gift. Die Katze ist entweder schon tot oder eben nicht. Weil man es nicht weiß, ist sie beides. Wie hieß das gleich? Schrödingers Katze! Wahnsinns Theorie! Unbedingt nachlesen.

Es ist kurznachhalbzehn. Die Handwerker sind zu spät. Aber, da der Malermeister dieses lesen wird, sage ich: Kein Problem, ich habe mir den Tag freigeschaufelt!

Update: Die Handwerker haben mich allen Ernstes vergessen! Hahaha, Alter! Soviel zum Klischee!


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