schicksal

Hoerbar_haare

Meist sind die Dinge recht humorig. Darum geht es in meinem mir eigenen Lebenskonzept. An sich habe ich gar kein Konzept für mein Leben. Man lebt ja ganz automatisch vor sich hin. Wenn ich mich jetzt hinsetze und nur vor mich hin starre, lebt es sich weiter; ich lebe dann eben für ein paar Minuten im Sitzen, während draußen ganz unabhängig davon, dass ich sitze, weitergelebt wird. Das ist kein Vorwurf. Ich erwarte nicht, dass wenn ich mich setze, es mir alle anderen nachtun, nur, weil es mich nach einer kurzen Pause dürstet.

Momentan ist mein Bedürfnis nach Sitzen ausgesprochen ausgeprägt. Wenn schlimme Dinge auf einen zukommen, nimmt man sie am besten im Sitzen hin.

„Ich sitze, kann nun losgehen!“

Ich hatte gestern Pipi in den Augen. Nicht im wörtlichen Sinne. Ich musste den Lustigen spielen, dabei saß und sitzt mir ein Kloß im Hals. Eine unangenehme Situation bahnt sich an, die eine nicht unerhebliche Menge an Unsicherheiten mit sich bringt. Wenn es das Schicksal nicht gut meint, stehe ich vor einem äußerst ungünstigen Umbruch.

Negative Gefühle sind deshalb negativ, weil sie wirklich einfach mal schlecht sind. Selten schön zu reden sind. Gute Gefühle spüren wir körperlich, bestes Beispiel ist wohl das Verliebtsein. Leider spüren wir auch die miesen Schwingungen körperlich. Ich beispielsweise in der Magenregion, der Magen schwingt mit.

Mein Lebenskonzept, alles erst einmal nicht so ernst zu nehmen und irgendwie witzig zu finden, wird auf eine harte Probe gestellt. Bislang funktioniert es einigermaßen, der Galgenhumor läuft auf Hochtouren, doch macht Galgenhumor die Sache nicht besser. Wer am Galgen hängend noch einen guten Gag bringt, wird dennoch gehenkt; der Henker lässt sich auch vom besten Scherz nicht von seiner Arbeit abhalten, wenn er ein Profi in seinem Geschäft ist. Man kann also dem schlecht meinenden Schicksal in seine Fratze lachen, obsiegen wird es dennoch. Denn Schicksal ist gnadenlos. Im Guten wie im Schlechten.

Bislang habe ich auf mein ganz persönliches Schicksal große Stücke gehalten und bin regelmäßig einen Handel eingegangen. Um im Ungefähren zu bleiben: Zwei Dinge laufen nicht so rund und lassen sich auch nicht ändern. Ich schlage dem Schicksal nun also vor, dass wenn schon diese zwei Lebensaspekte eher ungünstig bei mir stehen, könnte man sich darauf einigen, dass der Rest dafür reibungslos klappt, bis ich mit 96 dahinscheide. Das hat bislang immer ausgesprochen gut funktioniert, einen wirklichen Grund zur Klage verbiete ich mir selber.

Dem widerspricht aber eine andere Auffassung von mir: Man kann unmöglich erwarten, dass immer alles gut läuft. Angesichts der vielen Katastrophen auf Erden ist das eine überhebliche Einstellung. In unseren Breiten ohnehin, wir haben ja alles. Sogar Hausratsversicherungen.

Ich habe bisher immer darauf setzen können, dass es schon irgendwie geht. Und es ging immer irgendwie, alles wurde zu meiner eigenen größten Überraschung immer gut. Mit so einem Lebensverlauf wird man dann schnell arrogant und glaubt, das wohlmeinende Schicksal gepachtet zu haben. Und man vergisst, dass es Brüche in Zeitläuften geben kann, die rückblickend dann als der Wendepunkt eingeordnet werden. Vor einem solchen stehe ich nun möglicherweise, was mir ehrlich gesagt nicht passt.

Und damit wäre die Grenze zum Selbstmitleid bereits übertreten. Das sollte man früh genug erkennen, ansonsten leidet die eigene Würde.

Somit sollten Brüche im Leben als Herausforderung betrachtet werden, an denen man besser nicht scheitert, sich also darauf vorbereiten sollte, um sie wie ein Mann, was ich für mich deklariere, zu nehmen, um dem Schicksal zu zeigen, wer hier der Puppenspieler ist. Denn sind wir Marionetten des Schicksals? Wie viel haben wir selbst in der Hand?

Nun ist das Leben auch keine Komfort-Zone. Anders als man gemeinhin annimmt, kommt man nicht mit irgendwelchen Rechten auf die Welt. Und auch nicht mit einem Sinn. Das ist Geschwafel, mit dem es sich manch einer erträglicher machen will. Zunächst sind wir alle erst einmal nur aus demselben Grunde hier wie auch eine Schildkröte: weil es sich biologisch so ergeben hat. Das klingt ernüchternd, ist aber gar nicht so gemeint. Denn das Dasein tut ja nicht weh, man kann also versuchen, das Beste daraus zu machen und eben nicht nur dazusitzen, weil es sich auch im Sitzen gut lebt. Eine Schildkröte geht ja auch ihren Weg, obwohl sie dabei irgendwie müde und schwerfällig wirkt. Aber möglicherweise verkennen wir, dass den Schildkröten größtes Problem die Hektik des Lebens ist.

Mich beschäftigt oft die Frage, warum eigentlich der Mensch Humor hat. Was ist Humor eigentlich? Kleine Kinder verbringen den halben Tag damit, über irgend etwas zu lachen. Sie sind ein dankbares Publikum. Ich bin leicht betrübt, dass mein Neffe und meine Nichte inzwischen aus dem Alter raus sind und kaum zu erfüllende Ansprüche an mein Unterhaltungsprogramm erheben. Irgendwann kommt dem heranwachsenden Menschen die humoristische Anspruchslosigkeit abhanden. Das ist dann wohl der Ernst des Lebens. Aber was ist witzig? Was macht den Menschen lachen? Was ist überhaupt Lachen?

Und wo ist es hin, wenn es einem vergeht? Lacht dann ein anderer? Ist das Volumen an Lachen auf eine Konstante weltweit beschränkt? Kann immer nur jeder x-te Mensch lachen? Heute weine ich, dafür lachst du?

Wer lacht heute an meiner statt? Den möchte ich treffen. Und ich treffe ihn. Er heißt Felix. Natürlich muss er Felix heißen. Felix, der glückliche.

Ich frage ihn: „Felix, warum lachst du?“

Er: „Weil du es nicht tust.“

„Und wenn ich nun wieder lache?“

„Dann ist meine Arbeit getan.“

Und es stimmt. Ich lache dem Schicksal entgegen. Ich lasse mich nicht vom Schicksal ficken. Ich ficke es selber. Also nicht sitzen, sondern:

aufstehen!