1jahr3

Hoerbar_haare

Es ist der zweite Mai dieses Jahres, in den Redaktionshallen des seppologs herrscht Katerstimmung, da das Team den ersten Mai feuchtfröhlich begangen hat. Niemand hat so richtig Lust, nun auch noch den ersten Geburtstag des seppologs zu feiern, das große Seppoläum! (Danke)

Die Stimmung am Arsch, zumal der Blog insolvent ist und die nicht fest angestellten Redakteure bereits ihren Arbeitsplatz geräumt haben. Nur ein brauner Koffer ist zurückgeblieben. Ein herrenloser. Angst macht sich breit.

„Bombe?!“, ruft da einer, der glaubt schreiben zu können.

„Nein, wird noch abgeholt!“, beruhigt man mich.

Unruhige Zeiten. Ich gehe in mein Büro und kontaktiere Lara per Facebook, die Frau, mit der ich schlafe, wenn ich alleine bin.

„lara, ich weiß nicht, wen ich damit volllaran könnte, aber vielleicht interessiert dich ja, dass das seppolog ein jahr alt wird!!“

„du bloggst schon seit einem jahr?! seppo, lass das bloggen sein!“

„warum?!“

„ist denn nicht schon alles aufgeschrieben? nicht alles gesagt?“

„ja und wenn schon! vielleicht ist manches so gut, dass man es umformuliert einfach nochmal schreibt! merkt keiner!“

„EINER merkt es immer. und wäre für dich die redundanz befriedigend?!“

„ich geb dir gleich redundanz!“

Sie hat nicht Unrecht. Nach einem Jahr seppolog stellt sich die Frage, ob es noch etwas gibt, das meinen Kopf noch nicht verlassen hat. Zu meinem Glück kann ich die Frage noch nicht abschließend beantworten.

Gerade in den vergangenen Monaten feierte mich meine Marketing-Abteilung für zwei Ideen, die mich selber beflügelt haben. An der „Seppo Blog Auszeichnung“ – #sba2016 – nehmen 112 deutschsprachige Blogger teil – bei einigen kann ich nur vermuten, dass es sich um Deutsch handelt, was sie da schreiben – und schmücken sich mit dem entsprechenden „Nominiert!“-Button. Viel weniger Menschen als gedacht erklärten mich für einen größenwahnsinnigen Spinner! Auf die Nummer bin ich stolz und bedanke mich für das Mitmachen; am Ende des Jahres küren wir den Sieger. Und nein, der werde nicht ich sein.

Hervorgegangen war die Idee aus meiner ersten Nominierung zum „Liebster Award„. Dieser „Award“, der eigentlich eine Auszeichnung sein will, aber im Grunde das blanke Nichts ist, ist eine Falle! Wer wie ich damals neu in der – achtung, es folgt ein unerträglicher Begriff, den sich nur ein Blogger ausgedacht haben kann – „Blogospähre“ war, glaubt im Falle einer Nominierung, er könne wirklich etwas gewinnen! Dann freut man sich, macht fröhlich mit und erkennt dann, dass man einem Schneeballsystem aufgesessen ist und nie einen Pokal gewinnen wird. Bei der #sba2016 ist alles anders: Da konnten wir uns selber nominieren und mussten nicht elf nervige Fragen wie beim „Liebster Award“ beantworten.

Sondern 28 nervige Fragen.

Ich liege in aller Regelmäßigkeit abends mit meiner Mitbewohnerin im selben Bett. Nur am vergangenen Samstagmorgen lag da nicht sie, sondern eine Pizza. Warum habe ich da eigentlich nicht drüber gebloggt? Achja, wegen der wirtschaftlichen Schieflage des seppologs. Man ist dann eher damit beschäftigt, das zu richten, als über lustige Kacke zu schreiben. Pizza im Bett! Haha, wie lustig. Pizza am Arsch, dachte ich am Samstagmorgen. Interessiert die seppolog-Leser wohl kaum.

Wobei, jetzt sehe ich das anders. Denn Pizza im Bett kam durchaus schon mal sehr gut an, wenn ich mich an diesen Artikel erinnere: „Galant gestürzt. Kannste essen.“ Kam auch bei meinen Arbeitskollegen sehr gut an. Mein Eindruck ist der, dass je schlechter ich selber wegkomme, desto besser kommt es in meinem Umfeld an. Das gibt mir zu denken und nur mit Seelenpein füge ich mich dieser Rolle. Es ist nicht immer einfach, für die Coolen den Idioten zu geben.

Zurück zu meinem Pizza-Derivat, zu meiner Mitbewohnerin. Sie war und ist immer Gradmesser des Humorgehalts meiner Artikel. Meist liest sie abends und lange Zeit kam sie noch mit beim Lesen, inzwischen aber liegt sie neun Artikel zurück.

„Warum kommst du nicht mehr nach?“, frage ich sie.

„Weil du zuviel schreibst!“

„Ich schreibe nicht mehr als sonst!“, kläre ich sie auf.

Und ahne, dass der wahre Grund der ist, dass mein Geschreibsel ihr nichts Neues mehr bietet. Das will ich nicht einmal ausschließen, denn ich erinnere mich, als ich Goethes letzten Roman las, „Der Zapfenmann“, um am Ende festzustellen, dass Goethe immer dieselbe Scheiße geschrieben hat. Aber so ist das eben. Selten hat man zwei Stile, meist hat man eben nur den einen Stil, der irgendwann den Leser langweilt. Andere Leser sterben auch schlichtweg. Einige kommentierten früher sehr häufig bei mir und schweigen seit langer Zeit. Sind sie gelangweilt? Sind sie tot? Hoffentlich nur tot.

Darum betreibe ich massiv Werbung für das seppolog, um die gelangweilten Leser durch neue zu ersetzen. Mein aktueller Werbefeldzug dringt bis ins „dark net“ vor, wo man sich neben Drogen auch Waffen bestellen kann. Hier in meinem Wohnviertel habe ich mich jüngst unbeliebt gemacht, als ich im Drogenrausch mit meinen neuen Waffen hantierte. Da gab es ein großes Hallo, aber auch ein großes Aufwiedersehen, als ich versehentlich den dementen Herrn Kitzler erschoss. Aber das ist eine andere Geschichte. Denn es ging ja um meine Mitbewohnerin, die nun abends immer sagt:

„Ach, ich lese deinen Artikel morgen!“

Inzwischen weiß ich, das tut sie nicht. Aber sie muss ja auch nicht. Ich erwarte von niemanden, dass er alle 322 Artikel liest. In meinem Umfeld gibt es einige Menschen, die so ziemlich alles lesen. Sagen sie zumindest. Mir ist klar, die Hälfte lügt aus Höflichkeit. Die andere Hälfte besteht wohl aus denjenigen, die mich von Beginn an ermutigt haben, weiter zu schreiben. Ich erinnere mich an meinen Kollegen Tim, der vor einem Jahr sagte:

„Du schreibst gut. Ich würd’s lesen!“

Ich verstehe nur nicht, warum er „würde“ sagte. Denn de facto könnte er es ja auch lesen, er kann es sogar. Und tut es mithin.

Sabrina USA, der ich eine der ersten Geschichten widmete, liest vermutlich regelmäßiger als viele andere, und sagte mir von Anfang an:

„Schreib‘ ein Buch!“

Ich dachte erst, sie will mich damit vom Bloggen abhalten, aber sie meinte es wohl wohlmeinend und ich folge ihrem Rat. Wie sooft. Anfangs konnte ich beim Blick in die Blog-Statistik immer sehen, wann sie wieder gelesen hat, da ich damals als Aufruf aus den „Vereinigten Staaten“ immer nur sie hatte. Inzwischen kommen mehrere Klicks aus „Übersee“, sodass ich den einen nicht mehr ihr zuordnen kann.

Andere in meinem Umfeld kommentieren mein Tun hier gar nicht, was vollkommen in Ordnung ist und ich auch einordnen kann. Dass es nicht jedem gefällt, ist mir völlig klar und vor sagen wir mal 15 Jahren hätte ich mich davon auch noch beirren lassen, inzwischen merke ich, dass ich zunehmend abhärte gegenüber der Meinung anderer, auch wenn ich jüngst noch jemanden mein Bierglas gerne durchs Gesicht gezogen hätte. Aber letztlich bleibt eben alles eine Geschmacksfrage und auch eine Frage des guten Geschmacks, wie man Kritik ‚rüberbringt.

Mein Behindertenbeauftragter im Team des seppologs feierte mich jüngst für die Idee, ausgewählte seppolog-Artikel zu „vertonen“, also vorzulesen. Um es kurz zu machen, das kommt in der großen Breite und auch bei mir sehr gut an. Der eine hört sich die Beiträge nun an, der andere bleibt lieber beim Lesen und Knochen macht beides, während eine andere mir mitteilt, sie sei dabei eingeschlafen. Das war nicht als Kompliment gemeint, nehme ich an, aber für mich war es genau das. Denn wie oft fierche ich beim Hören von Büchern ein!

Ich tue es, weil es mir schlicht Spaß macht. Und ja, die erwartbare Kritik erreichte mich natürlich auch. Nichts ist nerviger als die Kritik, die man bereits erwartet. Wo ich weiß, gleich kommt der erste, der mir unter die Nase reiben wird, dass … Es ist so vorhersehbar.

Dennoch stelle ich rückblickend fest, dass das Gros der Reaktionen positiv ist und das bestärkt mich, dieses weiter zu betreiben und mit neuen Ideen anzureichern. Das seppolog ist wie alles im Universum eine stetige Entwicklung und sieht heute schon anders aus als vor einem Jahr. Und um mal ganz offen zu sein, wie es derzeit meine neue Art ist: Ich bin schon selber ein bisschen stolz auf mich, dass ich das ohne Hilfe – wie soviele andere Blogger auch! – hinbekomme.


Im dritten Teil wird es um den gescheiterten Porno-Dreh gehen und um die Frage, die sich erst noch stellen wird. Und da wäre noch die Sache mit einem Blogger-Magazin, das ein Interview mit mir nicht abdrucken wollte.