rosaen2

Hoerbar_haare

Zehn Rosen standen gestern auf unserem Tisch, derer wir zwei haben, was nicht viel ist, aber vollkommen ausreicht, da man ja selten an zwei Tischen gleichzeitig sitzt, deren Herkunft mir unbekannt war, also die der Rosen. Hat meine Mitbewohnerin einen heimlichen Verehrer? Diese zwei Sätze in Langform: hier.

Die Qualität von Texten hängt immer schwer von der jeweiligen Stimmung des Verfassers ab. Gestern war ihm danach, einen Text hinzurotzen. Heute ist ihm danach, von sich in der dritten Person zu schreiben. Der gestrige Text polarisierte ein wenig beim Adressaten, auffällig war, dass sich überwiegend Leserinnen zu der Frage äußerten, von wem die Rosen denn stammen könnten.

2016-05-20-12.46.00.jpg.jpeg

Eines fiel mir dabei besonders auf: Die meisten spekulierten (zumindest implizit), dass meine Mitbewohnerin die Rosen selber gekauft hätte, um mir zu signalisieren, es wäre mal wieder an der Zeit, dass ich ihr entweder Blumen oder Aufmerksamkeit schenke.

Ich habe heute lange darüber nachgedacht, wie ich meinen Gedanken dazu formuliere, ohne jemanden zu beleidigen, da mir das fernliegt. Aber hinter den Spekulationen verbirgt sich das Klischee, dass der Mann grundsätzlich seine Herzensdame zu wenig bedenke. Ich verallgemeinere hier, bin mir aber dennoch des Einzelfalls bewusst. Mich beschleicht in aller Vorsicht der Gedanke, hier schließt die ein oder andere von sich auf meine Mitbewohnerin. Nochmal, nicht alle Leserinnen haben sich so geäußert, das Gros jedoch. Was auch völlig in Ordnung ist!

Möglicherweise stieß auch meine an meine Mitbewohnerin via Facebook gerichtete Frage

„Welchem Mann muss ich die Fresse polieren, weil er dir zehn Rosen geschenkt hat?“

auf Unverständnis, da auch hier wieder das Klischee bedient wurde, der Mann greife gerne zur Gewalt zurück. Liegt mir fern. Aber nie näher, wenn es um das Wohl meiner Mitbewohnerin geht.

Doch um so schöner, wie sie dann einige Zeit später meine Frage bei Facebook beantwortet hat:

„Mir musst du dann die Fresse polieren, weil ich sie mir gekauft hab.“

Besser hätte sie es nicht schreiben können, dachte ich sofort, das passt doch hervorragend zu dieser Fortsetzung. Also: Ja, Ihr hattet Recht. Sie hat sich die Rosen selber gekauft. Nicht aber zehn, sondern 33.

Später des Tages habe ich sie dann gefragt, welch‘ Grundes sie so gehandelt hat. Ich würde es hier nur zu gerne wiedergeben, allerdings wurde ihre Antwort so dermaßen lang und mit jedem Satz komplizierter, dass ich, während sie mir es erklärte, einem Tagtraum anheim fiel. Die 33 Rosen haben etwas mit einem Geburtstagsgeschenk zu tun, aber irgendwie wurden dann doch nur 23 Rosen gebraucht und die Rosen sind nicht einmal das eigentliche Geschenk.

Also, dafür, dass ich meiner Mitbewohnerin an sich ganz gut zuhöre, weil das hier auch mein Job ist, weise ich doch erhebliche Erinnerungslücken auf. Bei dem Beschenkten handelt es sich allerdings um eine Beschenkte. Ich glaube, sie hat heute Geburtstag, und wenn ich mich richtig erinnere, ist sie auch zumindest sporadische Leserin des seppologs. Beste Glückwünsche also auch von dieser Stelle.

Zwischenzeitlich fasste ich gestern den Plan, meiner Mitbewohnerin 200 Tulpen zu schenken. Doch mal ehrlich: Das Schenken von Blumensträußen nach elf Jahren empfinde ich als eine zu einfache Art, ihr meine Haltung ihr gegenüber auszudrücken (Der Autor wollte hier den Begriff „Gefühle“ vermeiden, da er sich etwas geniert.). Blumenstrauß kann ja wohl jeder.

Ich empfehle da eher das Verteilen der Bestandteile des Straußes (Blumen) in der Wohnung an Stellen, die sie im Tagesablauf so besucht. Ich erinnere mich an eine Rose, die ich im Klo platziert hatte. Doch ausgerechnet an jenem Tag suchte sie das Örtchen eher spät auf, während ich mir die Beine zusammenkneifen musste.

Dieses Vorgehen ist zumindest am Anfang etwas kreativer als der bloße Strauß.

Vor vielen Jahren hatte ich einmal etwas gutzumachen. Ich besuchte sie in der Fachhochschule für Design, damals noch in Münster, mit einem – Blumenstrauß! Über ihren Stundenplan konnte ich herausfinden, in welchem Fachraum sie gerade sitzen musste, den ich dann hochgradig nervös aufsuchte, um mich dort als „Fleurop“-Mitarbeiter auszugeben, der einen Strauß Blumen für „Frau X.“ („X“ durch ihren Nachnamen ersetzen!) zu überbringen habe. Das war eine Gratwanderung, da sie damals die Option hatte, mir den Strauß wutentbrannt durchs Gesicht zu ziehen oder vor Rührung peinlich berührt zu sein gegenüber ihren Kommilitonen.

Ich hatte Glück, sie trug es mit Fassung und ich radelte positiv aufgeregt wieder nach Hause, um mich zu feiern.

Nein, glaubt mir, damals gab es keinen Grund dafür, mich zu feiern …

Der Leser mag mir nun ankreiden, dass ich meiner Mitbewohnerin offensichtlich nicht zugehört habe, als sie die Geschichte um die 33 Rosen erzählt hat. Doch man versetze sich in die Lage des Mannes. Der sich viele Geschichten anhören muss. Nein! Darf! Puh, ich bewege mich auf dünnem Eis … Während ich, sieht man vom seppolog großzügig ab, mich bei Geschichten auf die harten Kernfakten beschränke, neigt manch Frau (manch!) dazu, sie unnötig auszuschmücken. Sie beginnt stets mit einem Prolog. Während mir ein Klappentext genügen würde.

Dem Prolog folgt eine Umschweife auf eine ganz andere Begebenheit, die ihr gerade zufällig durch den Kopf schießt. Hier schalten sich erste Synapsen bei mir ab, während die anderen mit Spannung auf die Beantwortung meiner Frage warten.

Und hier überlege ich, ob sie eigentlich sich meiner Frage noch gewahr ist, denn plötzlich erzählt sie mir, welche Termine in den kommenden sechs Monaten anstehen, an denen auch ich teilzunehmen habe. Jetzt überlege ich, welche Frage ich ihr eigentlich gestellt hatte.

Teile meines Gehirns sterben ab. Ein Auge schließt sich nervös, während sie mir mitteilt, dass unser Auto direkt nach der „Mr. Wash“-Wäsche wieder Opfer von kackenden Tauben geworden ist. So zugeschissen wie derzeit war mein Auto selten. Diese Information finde ich so spannend, dass ich ihr wieder genauer zuhöre. Und siehe da, wie auch immer, sie schlägt den Bogen hin zu den Rosen, während ich überlege, ob man Bögen wirklich „schlägt“ oder doch eher „spannt“. Nun folgt die sehr lange Geschichte um die Geschichte der Rosen. Es ist mein Fehler, dass ich der Storyline nicht folgen kann. Gar keine Frage, mea culpa. Ich glaube sogar, dass ich für einige Sekunden die komplette Geschichte verstanden hatte, sie aber möglicherweise unmittelbar danach ausselektiert habe. Denn das tun Männer: Sie trennen Wichtiges von Unwichtigem.

So, der Proteststurm kann kommen! Die ewige Mann-Frau-Nummer! Die macht es doch erst so schön! Und ich darf davon ausgehen, dass das Augenzwinkern zwischen den Zeilen erkannt wurde und verweise auf den Klassiker: Über das Fortsetzen von eigentlich abgeschlossenen Gesprächen.