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Kleiner Hinweis, der mir erlaubt sei. In die gelesene Version, die Ihr unter dem Text findet, grätscht mir meine aus Dubai via Facebook schreibende Mitbewohnerin dazwischen und gibt einen kurzen Zwischenstand ihrer Reise zum Besten. Also hört mal rein!

„Aber es regnet, Seppo!“, sagt mir Lara heute Morgen.

„Das, Lara, unterscheidet den Läufer vom Jogger. Der Jogger bleibt zuhause, wenn es regnet, der Läufer wartet sogar noch ein bisschen, bis es richtig gießt. Und wir wollen dich ja schließlich zur Läuferin machen!“, erkläre ich ihr mit einer Arroganz, die ich mir aber – zumindest, was das Laufen angeht – leisten kann.

Lara ist Freundin und Nachbarin in einem. Allerdings ist unser Verhältnis ein kurioses Verhältnis, weil wir dann doch verschiedene Welten bewohnen, was klappen kann – oder eben auch nicht. Bei uns läuft es über eine Ebene, auf der wir uns beide gegenseitig nicht ganz so ernst nehmen.

Doch das Laufen, das nehme ich bierernst.

Ich bin derzeit Strohwitwer, kann also tun und lassen, was ich will, zumal ich so etwas wie Urlaub habe. Und wie in jedem Frühjahr stehen wegen des guten Wetters auch die „großen“ Läufe an, die schon mal einen halben Tag mit allem Drum und Dran beanspruchen können. Doch heute fange ich klein an, denn Lara ist in etwa so sportlich wie jemand, der unsportlich ist. Und wenn ich ehrlich bin, was ich ihr auch gesagt habe, kann ich mir Lara laufend an sich null vorstellen.

„Jetzt erst Recht!“, sagte sie dann etwas voreilig angesichts ihres Zögerns heute Morgen.

Oft versuche ich, Menschen zum Laufen zu missionieren. Schwadroniere und schwärme – also schwadroärme – von den positiven Effekten auf das Allgemeinbefinden und argumentiere mit dem Herzkreislaufsystem, das vom Laufen umgehend profitiert, wenn man nicht gerade während des Laufens kollabiert, was natürlich auch vorkommen kann, nicht aber das Ziel des Ganzen ist.

„Lara, du wirst merken: Während des Laufens ist es leicht anstrengend, aber danach, zuhause, blühst du auf!“

Und das Wichtigste: Man muss die Entscheidung für sich treffen, ob man es tut oder nicht. Und wenn man die Entscheidung positiv gefällt hat, darf der innere Schweinehund keine Rolle spielen. Hier sind Disziplin und und der Respekt vor sich selbst gefragt.

Ich erkläre Lara, dass sie beim Laufen ohnehin nass werde, da Schweißbildung – gerade bei der heutigen Schwüle – nicht auszuschließen sei. Duschen müsse sie ohnehin danach, ob’s nun regne oder nicht. Ich erkläre ihr allerdings nicht, dass gerade das heutige Wetter, diese kühle Schwüle, das laufunfreundlichste ist.

Lara ist überzeugt und kommt in einem Trainingsanzug zu mir herunter.

„Lara! Welch‘ Freude! Zieh‘ dich doch schon einmal aus.“

„Häh?!“

„Ja, das dürfte zu warm werden. Sehr schwül draußen. Übrigens bestes Laufwetter. Hat sich die Sport-BH-Problematik gelöst?“

„Nein. Ich laufe ohne.“

„Oh. Okay. Ja. Das wird sicher interessant. Geht das überhaupt?! Aber was geht’s mich an.“

„Trinken wir erst noch einen Kaffee? Gibt’s Frühstück?“

„Äh, ja also unmittelbar vorher zu essen ist schwiiierig. Kaffee ist allerdings wie Doping. Okay.“

Also sitzen wir bis halb zwei so da und drücken uns vor dem Laufen.

„Lara, das ist für dich übrigens eine große Ehre, mit mir laufen gehen zu dürfen“, sage ich ihr.

„Ach?“

„Ja, ich ziehe das alleinige Laufen an sich vor. Aber es wird Zeit, dass ich von meinem reichhaltigen Lauf-Wissen etwas weitergebe.“

Ich gebe oft etwas weiter, nur will es selten jemand hören. Lara ist ein gefundenes Fressen für mich.

Gegen zwei Uhr etwa laufen wir los. Lara läuft wie ein Mädchen. Das war mir natürlich klar, darum bin ich ja an ihrer Seite. Übrigens: Auch ich lief jahrelang wie ein Mädchen. Und ja, „wie ein Mädchen“ zu laufen ist per se schlecht. Es sei denn, man läuft wie ein Mädchen, das nicht wie ein Mädchen läuft. Wenn ich sage, diese Arroganz kann ich mir leisten, dann hat das Hand und Fuß, denn:

Ich war jahrelang Turnbeutelvergesser.

Beim Speerwerfen habe ich es geschafft, mir den Speer in den Fuß zu rammen, so weit ist er also nie bei mir geflogen.

Beim 2.000-Meter-Lauf kollabierte ich bereits nach 400 Metern.

Beim Basketball habe ich nicht einmal den Korb getroffen.

Beim Rudern war ich der Steuermann.

Ich war ein absoluter Verlierer auf dem Feld des Sports.

Dann begann ich vor 14 Jahren zu laufen. Ganze zehn (!) Jahre falsch. Bis ich dann mir selber, worauf ich – das darf ich so sagen – sehr stolz bin, den Vorfußlauf beigebracht habe, was das Laufen in völlig neue Dimensionen katapultiert hat. Und ja, ich gebe hier an. Weil es eines von zwei Feldern ist, auf denen ich mir das leisten kann.

„Lara, es sieht zwar gerade am Anfang sehr albern aus, aber versuche, nicht mit der Ferse auf den Boden zu kommen. Du wirst morgen erhebliche Waden-Schmerzen haben, aber in ein paar Wochen hast du ähnlich sexy Waden wie ich.“

Nun, meine Arroganz bezieht sich auch auf meine strammen Waden.

„Und das Bein darf zu keinem Zeitpunkt durchgestreckt sein, damit das Knie nicht den Aufprall abfedert.“

Ich erinnere mich an meine Anfänge des Vorfußlaufes. Trotz Halbmarathons – für einen ganzen reicht meine Arroganz nicht – war ich die ersten Vorfußläufe nach etwa 15 Minuten platt.

„Seppo, ich komme mir vor wie eine …“, ich darf es hier nicht wiedergeben. Aber sie hatte natürlich Recht. Es ist anfangs sehr unbeholfen, sodass wir mit einem Tempo von etwa 8:10 liefen, während ich mich sonst gerne mit 5:20 bewege, was nicht einmal das Schnellste ist.

„Wo sind denn die Gänseküken?“

Ja, ich hatte ihr den Lauf durch den Südpark mit Gänseküken schmackhaft gemacht. Ich erwische mich selber oft dabei, dass ich stundenlang Gänseküken betrachte. Aber offenbar waren sie heute – vielleicht wetterbedingt – in Deckung gegangen. So oder so, der Lauf wurde sehr zäh und ich habe Zweifel

Lara, Du liest das hier ja sicher auch. Lass‘ Dich nicht entmutigen. Schon gar nicht vor den Schmerzen, die Du morgen früh haben wirst. Pass‘ beim Aufstehen aus dem Bett auf, man sackt aus Überraschung über die wegknickenden Waden gerne mal direkt vor dem Bett zusammen. Aber schon nach zehn weiteren Läufen wirst Du einen Fortschritt feststellen!

Und außerdem war es nicht unlustig. Denn wir unterhielten uns sehr angeregt über die Frage, ob wir nicht zumindest während meiner Strohwitwer-Zeit nicht eine Art WG auf Zeit einrichten sollten. Zumal ich jemanden suche, der den Müll runterbringt.

Derweil hat sich meine Mitbewohnerin aus Dubai gemeldet. Sie habe den Flug über nicht geschlafen, aber ein Foto zeigte mir das ein oder andere Sekt-Fläschchen, das sein Übriges getan haben wird. Sie dürfte in Balde den Zielort erreichen, der aber nur Zwischenstopp sei, bevor es dann nach Gysrey weitergeht. Ich werde von hier Tsunami-Warnungen studieren, um sie gegebenenfalls weiter zu tickern.

Und weitere Probleme nach der Orchideen-Problematik tun sich bereits auf: Meine Mitbewohnerin ist auch meine Frisörin. Sie hat’s nicht gelernt, kann es aber zumindest bei meiner anspruchslosen Frisur, das Waschen, Schneiden, Legen. Was tue ich nun diese lange Zeit ohne sie?! Ich habe zwar einen „Barber-Shop“ im Auge, der sich auch meines Bartes annehmen dürfte, aber grundsätzlich lehne ich Frisörbesuche ab. Bei einer Frisur, die zum großen Teil aus einer Länge von 0,8 Millimetern besteht, ist das bereits nach einer Woche ein Problem. Ich denke darüber nach, Lara an mir Hand anlegen zu lassen.

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