weise

Hoerbar_haare
seppolog_HÖRBAR auch als Podcast bei iTunes und Soundcloud!

Ich hatte heute Morgen einen Termin, dessen Anbahnung eher nicht von meiner Seite ausging, auf den ich auch gut hätte verzichten können. Aber so läuft das im Leben, es gestaltet sich freilich nicht immer nach gusto.

Gestern Abend fühlte ich mich ein wenig wie vor meiner mündlichen Uni-Abschlussprüfung in Politikwissenschaft. Man steht vor einer Situation, bei der das eigene Auftreten ganz entscheidend für den Ausgang derer sein kann. Aber gerade dann, wenn man sich ein bestimmtes Auftreten vornimmt, kann es nach hinten losgehen. Daher plane ich so vieles auch nicht. Planen ist so theoretisch.

Es ging heute Morgen nur etwa zehn Minuten nach hinten los, danach fand ich meine Rolle, von der ich selber durchaus glauben sollte, dass sie mir leicht von der Hand gehe. Tut sie aber natürlich nicht, erst wenn ich mich eingegroovt habe. Und schnell wurde mir klar, warum Blender es im Leben manchmal, solange noch nicht enttarnt (was in aller Regel sehr schnell geht), sehr einfach haben. Doch Blenden ist meine Sache nicht, eher neige ich zu einer übertriebenen Bescheidenheit, die ich aber in den vergangenen Monaten mehr und mehr abgelegt habe. Denn so falsch es ist zu blenden, so falsch ist auch übertriebene Zurückhaltung.

Mir ist bewusst, dass mein Auftreten im seppolog nicht gerade bescheiden wirkt. Würde es meinem realen Dasein vollumfänglich entsprechen, dann müsste ich mir auch Sorgen machen. Real sieht es nämlich alles etwas anders aus, obwohl gerade das seppolog samt seinem Podcast mir gerade einiges an Bescheidenheit nimmt, ohne dabei den Blick für die Realitäten zu verlieren.

Ob es die mündliche Abi-Prüfung war oder die ersten Referate in der Universität vor 500 Kommilitonen in einem völlig überfüllten Hörsaal – es waren solche Anlässe, die mich in eine tiefgreifende Nervosität versetzt hatten. Nicht ganz so nervös war ich heute, doch der Umgang damit ist ein anderer geworden.

Anders als mit, sagen wir mal, 20 Jahren beklage ich miese Situationen nicht mehr, hadere nicht mit ihnen. Ich nehme sie nun hin. Ohne aber dabei zu versuchen, sie schönzureden. Ich spreche hier nebenbei erwähnt nicht von den jüngsten hier auch angesprochenen Ereignissen.

Ich sage mir, ja, das ist jetzt mal kacke und unangenehm, aber es ist eben so. Ich gebe mich dem Unausweichlichen mehr hin und weiß ja auch, in ein paar Stunden ist es vorüber. Kann ich beispielsweise wegen so einer Sache nicht in den Schlaf finden, bringt mich das nicht mehr noch zusätzlich aus der Ruhe, wie es früher einmal war. Ich nehme innere Unruhe mit innerer Gelassenheit hin, mit Ergebenheit.

Und ich wage die These, dass dieses positive Verhalten Folge von Lebenserfahrung ist.

Dann ist da eben eine miese Situation, die es zu meistern gilt, aber es ist auch nur eine weitere im Leben und eine unter vielen. So wie vergangene bereits an Relevanz verloren haben, wird auch die jeweils nächste irgendwann einmal nur noch Erinnerung sein.

Und lustig war es heute auch. Es wurden viele parkende Autos abgeschleppt, nur meines nicht, weil ich versteckt hinter einem Altglas-Container geparkt hatte. Und es war menschlich betrachtet wieder interessant. Freunde, in selber Situation, stellen exakt die gleichen Gefühle bei sich selber fest. Nicht nur ich mache mir in die Hose, sie machen es mitunter alle. Und das ist mit ein Grund, warum man Hosen wäscht.

Letztlich verlief mein Termin so, dass ich mich heute Abend, naja, einem „Glas“ Wein hingeben werde. Er verlief also gut. Denn das ist solchen Situationen eigen: die herrliche Entspannung danach, die ich vorher ersehnt hatte.

Wenn ich in meinem derzeitigen Alter von 36 oder 37 Jahren bereits Anflüge zarter Altersweisheit an mir diagnostiziere, stellt sich natürlich die Frage: Wie toll muss es dann erst ab 60 sein? Ich weiß natürlich seitens meines Vaters, dass man dann vieles sehr gelassen sieht. Sein Argument stets:

„Das Waldsterben blieb ja auch aus.“

Was nicht ganz korrekt ist, aber nach wie vor wachsen ja Bäume und das drängendste Problem ist es wohl nicht. Ohne es relativieren zu wollen; gemach, liebe Naturfreunde.

Ich mache mir beispielsweise um die Höhe meiner Rente keine Gedanken. Denn bis es soweit ist, haben wir entweder ohnehin ein neues Rentensystem (oder gar keines) oder viel schwerwiegendere Probleme, die die Rentenfrage geradezu lächerlich erscheinen lassen. Auch das kenne ich, die Gedanken um ein Problem in weiter Zukunft, zu dem es gar nicht kommt, weil ein unerwartetes Problem sich in den Vordergrund spielt, dass das eigentlich befürchtete obsolet macht.

Lange Zeit habe ich darüber nachgedacht, wie meine berufliche Laufbahn weitergehen soll. Das hat sich dann urplötzlich mit einem Schlag erledigt! So etwas mahnt zur Gelassenheit!

Ich bin auch sicher, dass, bevor unsere Küsten klimawandelbedingt untergehen, noch etwas passiert, womit wir so gar nicht rechnen. Waldsterben? Ach was, erstmal Ozonloch schließen. Ozonloch? Bald zu. Aber der Klimawandel! Klimawandel? Egal, erstmal die weltweite Seuche bekämpfen, die sich theoretisch jederzeit Bahn brechen könnte.

Das alles sind so Erfahrungen, die zu Gelassenheit führen. Flüchtlingskrise? Ein Blick auf die Zahlen dürfte die AfD beruhigen, leider fällt ihr damit auch die Geschäftsgrundlage weg, darum spielen die derzeitigen Zahlen erst einmal keine Rolle für sie. Davon abgesehen ist die Krise weniger für uns als für die Flüchtenden selber eine Krise. Die natürlich noch nicht zuende ist. Was ist eigentlich aus der Maut meines Lieblingsministers Dobrindt geworden?! Naja, jetzt erstmal das Netz ausbauen in Deutschland. Wenn die ersten neuen Kabel verlegt sind  – in zwanzig Jahren – gibt es ohnehin wieder eine viel bessere Technologie, der wir dann, wie auch Problemen, hinterherrennen.

Es kommt der eine Moment, wo sich alles relativiert. Das Sterbebett. Am wenigsten würden mich auf dem Sterbebett meine Rentenbescheide interessieren. Vielleicht spaßeshalber mal reingucken, um die Zeit totzuschlagen.


Was ich übrigens auch auf meiner Facebook-Seite tue!