arsch

Hoerbar_haare
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Es ist noch nicht so lange her, da überraschte ich jemanden beim Tragen von Frauenkleidern. Also, Toleranz ist ein hohes Gut und ich toleriere vieles, weil ich einsehe, dass der ein oder andere auch Dinge bei mir ertragen und tolerieren muss. Wir sind alle Menschen, nichts ist so unmenschlich, dass es nicht menschlich ist. Mich bringt wenig aus der Ruhe, was die Absurditäten des Menschseins angeht.

Ich möchte auch niemandem zu nahe treten. Wer gerne Frauenkleider tragen will, bitte. Ich gestehe dem Kleid auch einen enormen Tragekomfort zu, gerade im Sommer, an heißen, schwülen Tagen wie heute halte ich das Kleid für das Kleidungsstück der Wahl.

Ich hätte vielleicht auch an der Schlafzimmertür anklopfen sollen, bevor ich eintrat, doch ich war ohnehin schon in der Wohnung, ich war kein Daseinsgeheimnis. Also öffnete ich die Tür.

„Wann gehen wir los?“, will ich wissen. Und erblicke die Person im Kleid. Und bin schockiert. All meine Vorsätze, immer möglichst gelassen auf die Skurrilitäten im Alltag zu reagieren, sind mit einem Schlag dahin.

Alle Beteiligten waren natürlich unangenehm berührt. Ich schließe die Tür also wieder und sage den schlauen Satz:

„Äh, ich habe nichts gesehen. Soll ich gehen? Oder die Küche? Soll ich in die Küche? Wo willst du mich haben?“

„Wärst du eine Minute früher reingeplatzt, hättest du mich nackt gesehen!“, ruft Lara zurück.

Verdammt, denke ich. Mieses Timing zieht sich wie ein roter Faden durch mein Leben. Was wäre ihr Anblick doch für eine Bereicherung für mein derzeitiges Sexleben ohne Mitbewohnerin gewesen!

Doch ich soll noch anderweitig gefordert werden, denn es steht das gemeinsame Tanzen an, das sich bereits vor zwei Wochen angebahnt hatte. Um es frei heraus zu sagen: Es gibt nicht viel dazu zu sagen, ich müsste Dinge dazu erfinden, um es für den Leser einigermaßen interessant zu gestalten. Und so etwas liegt mir entgegen anders lautenden Gerüchten fern. Und mit Verlaub, ich bin ein Arschloch. Nein, (ach, das waren noch Politiker!), oder vielleicht ja, mir gerade egal, standardtanzen kann ich. Körperklaus: ja, aber nicht wenn es um vorhersehbare Bewegungsabläufe geht, die man vorab einstudiert. Es war nett, es war toll. Lara führt wunderbar.

Interessanter wurde es, als ich Samstagabend – in meiner Heimat Münster – mit Stenzo, der gottseidank ganz anders heißt – an der wirklich längsten Theke der Welt (ja, in Münster) das ein oder andere Getränk zu mir nahm. Stenzo erzählte mir von einer Theorie. Es ging da um Menschen, die anderen, zuvorderst Frauen, in den Arsch kriechen. Er meinte Lungobart, der auch ganz anders heißt, mit dem wir beide zur Schule gegangen sind. (Lungobart muss ich hier bis zum Erbrechen verfremden.) Lungobart, mit dem ich im Grunde keinen Kontakt mehr habe, Stenzo hingegen schon, krieche derzeit einer Angebeteten in den Arsch. Die Motivation sei für jeden sichtbar und zum Fremdschämen. Doch Lungobart studiert Biologie. Stenzos waghalsige These ist nun die, dass Lungobart der erste Mensch sein will, der einer Frau so dermaßen in den Arsch kriecht, dass er den Durchbruch schafft und vorne wieder heraus guckt. Als wolle er dem Gotthardtunnel Konkurrenz machen, der ja für sich genommen schon fast Weltwunder-Qualitäten hat.

Das bringt mich zu der Frage, was eigentlich geschieht, wenn man jemandem so dermaßen in den Arsch kriecht, dass man vorne wieder rausguckt, was freilich nur bei Frauen funktionieren könnte. Wenn es also viel tiefer nicht mehr geht. Arschkriechen ist wie Analsex, es gehören immer zwei dazu. Einer kriecht, der andere hält still. Doch anders als aktiver Analsex ist das Arschkriechen mit das Würdeloseste, was man so tun kann. Der eigenen Würde gegenüber vor allem. Der oder die Bekrochene fühlt sich möglicherweise und auch nicht ganz zu Unrecht geschmeichelt. Aber die Frage ist doch – und damit zurück zu Lungobart -: Wie attraktiv ist das eigentlich, wenn man ständig einen Typen kopfüber in seinem Arsch hängen hat?

Wir konnten die Frage an jenem Abend nicht mehr klären, da der Alkohol Herr über uns geworden ist, was zu Ereignissen geführt hat, die ich hier leider nicht wiedergeben kann, da es schwerst rufschädigend für mich ausgehen würde, so lustig es war. Und meiner Mitbewohnerin werde ich nicht erzählen, dass ich eine Frau kennengelernt habe. Es auf die Weise zu erzählen, habe ich heute schon bei einer Freundin erprobt. Ich solle an meiner Wortwahl feilen, „kennengelernt“ könne missverstanden werden, riet sie mir.

Ich habe allerdings festgestellt, dass ich als alter Münsteraner mit Münsteraner Frauen ausgesprochen gut klar komme, da ist sofort eine Wellenlänge. Das macht sie eben aus, die Münsteraner. Ich sollte mir diese Heimaturlaube öfter antun.

Gestern wieder zurück in Düsseldorf. Ich erwische Lara in einer Hose und erzähle von jener Frau, die wir hier mal der Einfachheit halber Rudine nennen wollen. Lara wurde zickig. Nun ist Lara eigentlich immer zickig, womit ich wunderbar so gar nicht umgehen kann, doch dieses Mal war sie richtig zickig. Und sie hatte nicht mal ihre Tage. Das weiß ich, weil ich ihren Rhythmus im Blut habe, was jetzt irgendwie komisch klingt, aber es passt zum Tanzen. Und ich überlege, ob es eine gute Idee wäre, ein Treffen zwischen Lara, Rudine, mir und vor allem meiner Mitbewohnerin zu arrangieren. Es könnte zu einer erotischen Kernschmelze kommen.

Der Leser merkt, ein verworrenes und ja, auch durchzechtes Wochenende liegt hinter mir. Nach langer Zeit der Abstinenz ein durchaus erfrischendes Ereignis, von dem alle Beteiligten noch lange zehren werden. Und über das es noch einiges zu berichten geben wird.


Es kam bereits zu Irritationen. Mit „Arschkriechen“ meine ich natürlich das Einschmeicheln bei Personen, ich meine es nicht wörtlich.


Mehr Lara-Geschichten findet der Leser hier!