laufenhitze

Hoerbar_haare
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Das derzeitige Wetter hat erhebliche Vorteile dem sonstzeitigen Wetter gegenüber. Viele Vertreter des zauberhaften Geschlechts bekleiden sich der Temperatur angemessen spärlich, ein Phänomen, das ich beim sonst mitunter langweiligen Laufen natürlich gerne beobachte. Ich bin also ein Spanner, wenn man es mal ganz genau betrachtet. Doch das ist ja auch Zweck der weiblichen Reize, was natürlich auch umgekehrt gilt; nur dass ich dann weniger genau hinsehe. Es wären keine Reize, guckte man nicht hin.

Die Chance, mich zumindest halbnackt zu sehen, ist bei diesen Celsien hoch wie nie. Wenn man denn Gast in meiner Wohnung wäre. Und es schreckt den Leser hoffentlich nicht ab, wenn er nun dazu aufgefordert wird, sich mich nackt am Netbook vorzustellen, diese Ceylen tippend. Denn es entspricht der Wahrheit.

Das liegt mehr an den Temperaturen als an meiner Fähigkeit, mich autoerotisch zu erregen. Und mit Erotik ist gerade auch nicht viel, da ich, auch das möge sich der Leser nun kraft olfaktorischer Einbildungsfähigkeiten vorstellen, wahnsinnig stinke.

Den bis hier noch nicht angewidert abgesprungenen Lesern sei auch der Grund verraten: Sport im Freien bei diesen leider auch schwülen Temperaturen führt zwangsläufig zu enormen Schweißausbrüchen, und um einen Ausdruck meiner Freundin Sabrina USA zu nutzen: zu Mordsschweißausbrüchen, die schon etwas Komisches haben. Und es wird noch etwa 30 Minuten dauern, bis mein Körper zuende geschwitzt hat.

Vor ziemlich genau einem Jahr beschrieb ich dieses Phänomen und verglich es mit einem Orgasmus. Denn dieses Wetter läutet alljährlich die Hochsaison meiner Lauf-Aktivität ein; es gibt kein geileres Wetter, um laufen zu gehen! Es ist exakt dieses perverse Schwitzen, das ich suche. Worauf ich ab etwa September/Oktober monatelang warte.

Wobei ich einschränke: Hitze ist das eine, die derzeitige Schwüle das andere.

Laufe ich los, dauert es rund zehn Minuten, bis die Schweißproduktion von null auf 100 durchstartet. Die Suppe läuft mir durch die leicht buschigen Augenbrauen schön in die Augen und setzt sich zwischen Kontaktlinsen und Pupillen fest, was zu einem herrlichen Beißen, zu einem Brennen führt, das aber schnell vergeht. Bis vor zwei Jahren lief ich noch stets mit Käppi, was aus Sonnenschutzgründen empfohlen wird, doch machte ich auch die Erfahrung, dass sich die Hitze unter dem Käppi unangenehm stauen kann. Statt Käppi habe ich nun allerdings Pomade im Haar, denn ich gehe natürlich keinesfalls ungestylt laufen, die sich nicht etwa dem Schweiß widersetzt, sondern eine Einheit mit ihm bildet. Einen Brei, der das Haar leider nicht in Form zu halten vermag. Vor Haarspray schrecke ich noch zurück, da ich der Überzeugung bin, dass viele spontane menschliche Selbstentzündungen (die ein Mythos sind) darauf zurückzuführen sind, dass sich das entflammbare Haarspray durch massive Sonneneinstrahlung entzündet. Das soll mir nicht passieren während der möglicherweise wenigen Jahre, in denen mir Haupthaar überhaupt noch vergönnt ist.

Natürlich werde ich von allen Seiten immer wieder davor gewarnt, bei Hitze zu laufen. Meine Mutter sorgt sich bereits seit 15 Sommern um mein Herzkreislaufsystem, das ein Arzt kürzlich noch als ausgesprochen stabil diagnostiziert hat. Ich solle so weitermachen. Das hört meine Mutter nicht gern.

„Übertreib‘ es nicht, Sebastian!“, mahnt sie stets.

Sie warnt vor dem Tode beim Laufen. Den es ja nun auch gibt. Und je öfter ich laufe, desto höher ist schon rein rechnerisch die Wahrscheinlichkeit, dass mich beim Laufen, das etwa 1/24 meines Tages ausmacht, der Schlag tatsächlich trifft. Liefe ich 24 Stunden am Tag, läge die Wahrscheinlichkeit bei 100 Prozent.

Doch tatsächlich verhält es sich so, dass man natürlich bei so ziemlich jeder Temperatur Sport im Freien betreiben kann. Nur immer wieder mahnende Nicht-Sportler verstehen das nicht, suchen vielleicht eine Rechtfertigung für das eigene Verhalten. Die Frage ist nur, wie man bei Hitze läuft. Es ergibt beispielsweise keinen Sinn, ein hohes Tempo anzustreben, das man vielleicht bei 16 Grad gemütlich realisieren kann, denn der Körper wird bei 30 Grad bereits von sich aus weniger Gas geben, forcieren sollte man es also nicht. Und so bin ich seit etwa zwei Wochen von meinem Durchschnittstempo unangenehm überrascht. Es liegt rund eine Minute unter dem sonstigen.

Heute versuchte ich mich an einem Intervall-Lauf. Das Ergebnis: ein Debakel, für das ich aber nun mal nichts kann, rede ich mir ein. Zudem ist mir der vorgestrige Dauerlauf, also lange Lauf, noch in guter Erinnerung, währenddessen ich an meine mahnende Mutter denken musste, als sich ein recht beklemmendes Gefühl in meiner Brust bemerkbar machte. Das war einer der seltenen Momente, wo ich mir dachte:

„Da laufe ich jetzt mal besser nicht gegen an. Den Gefallen tue ich ihr nicht!“

Gemach, ich lebe noch. Denn das war möglicherweise nur ein Muskelkater oder eine Zerrung. Aber sehr wahrscheinlich doch Folge der Hitze. Das gilt es nun zu trainieren und wie in den vergangenen Sommern auch werde ich in weiteren zehn Läufen feststellen, dass mir die Hitze eben nicht mehr zusetzt. Alles eine Frage des sinnvollen Trainings.

Je mehr Sport jemand treibt, desto schneller und mehr schwitzt er. Man möchte das Gegenteil erwarten, doch verhält es sich schlicht so, dass ein Sportler seine Kühlmechanismen „trainiert“ hat, sodass diese schneller in Aktion treten. Ich schwitze wie ein Schwein beim Laufen, was mich immer dann vor ein Problem stellt, wenn ich, wie heute, unmittelbar danach einkaufen gehe, um mir einen Weg zu sparen.

Mein „Kaiser’s“ ist klimatisiert. Das fühlt sich erstmal gut an, meine Schweißdrüsen indes ficht es nicht an, sie arbeiten auf Hochtouren, während ich vor dem Putzmittelregal stehe. In der linken Hand Schlüssel und „iPod“, in der rechten ein völlig durchnässtes Taschentuch, mit dem ich mir immer wieder die Suppe von der Stirn wische.

Die Putzmittel vollzutropfen ist das eine. Doch das Beugen über die Tiefkühltruhe ist ein Problem. Denn unweigerlich tropfe ich das TK-Gut voll, was sicherlich nicht von jedem als hygienisch empfunden wird. Daher ist dieser Vorgang ein wohl überlegter.

Mit 50 Zentimetern Abstand stehe ich vor der Truhe und wähle aus, was mir zusagt. Dann zücke ich mein Taschentuch, wische das Gröbste weg, mache einen Schritt vor, reiße die Truhe auf und entnehme rasch das zu erwerbende Produkt. Schiebetür wieder zu, Schritt zurück. In der Regel fallen dabei nur wenige Tropfen meines Körpersaftes auf die Fritten oder Torten.

Mein Tod ist dann die lange Schlange an der Kasse. Mein Körper hat noch einmal viel Zeit zu schwitzen, damit ich auch das Kassenband volltropfen kann, was mir wirklich peinlich, aber nicht zu verhindern ist. Beim Unterschreiben der Quittung nach Kartenzahlung – Bargeld habe ich bei mir abgeschafft -, ist dann alles verloren, denn dabei muss ich mich zur Kassiererin vorbeugen, um an den Kugelschreiber zu gelangen. Spätestens hier ist mir alles egal, die Frau kennt mich ja bereits. Ich habe mich auch schon das ein oder andere Mal entschuldigt.

Zuhause angekommen tropfe ich meinen frisch gewischten Boden voll. Für mich als Saubermann die größte Schmach. Daher liegt in aller Regel schon direkt ein Handtuch vor meiner Tür, doch das Nachschwitzen nimmt jetzt erst richtig Fahrt auf, sodass ich mir – inzwischen aggressiv – die durchnässten Klamotten vom Leibe reiße und mich nackt meinem Dasein hingebe. Zum Duschen wäre es noch zu früh, ich würde unmittelbar danach weiter schwitzen.

Inzwischen hat mein Körper sich akklimatisiert. Ich bin trocken.

Das klingt jetzt alles sehr negativ, doch will ich genau das nicht missen. Ich will nicht ausschließen, dass mann sich besonders männlich fühlt, wenn man der Hitze trotzt und auch entsprechend aussieht. Aber so oder so ist es orgiastisch, nein, orgasmisch!, bei diesen Temperaturen zu laufen.


Habe letztens mein Orgasmus-Gesicht gesehen und war erschrocken. Ein Foto davon gibt es nicht auf meiner Facebook-Seite.