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Ich besuche Merugin, der mir gerne bei der Wahl eines Titels, einer Überschrift für meine Texte, hilft.

„Merugin, lies, was ich schrieb. Allein, mir fehlt die Überschrift.“

Merugin liest also den Text, den ich ihm ausgedruckt mitgebracht habe. Wenn jemand meine Texte vorab liest, bedeutet das für mich schwerste Nervosität. Ich sehe dann den Leuten dann immer beim Lesen genau zu, versuche herauszufinden, in welcher Zeile sie sich gerade bewegen und erwarte dann Lachen oder zumindest Schmunzeln.

Er schmunzelt nicht.

„Merugin, schmunzelst du innerlich?“, frage ich betont beiläufig.

Merugin sieht vom Blatt auf, zieht seine rechte Augenbraue hoch und sagt:

„Sehe ich aus, als würde ich innerlich schmunzeln?“

„Ich frage, denn man sähe es ja nicht, wäre es der Fall.“

„Wenn ich innerlich schmunzele, sieht man das. Leichtes Zucken, während das Gesicht keine Miene verzieht.“

Ich sehe ihn an, mustere ihn. „Du zuckst nicht.“

„Weil ich eben nicht innerlich schmunzele.“

„Warum nicht? Ich hab‘ mich beim Schreiben weggeschmissen!“

„Ja, das nennt man fehlende Selbstreflexion. So könntest du den Artikel übrigens nennen: ‚Fehlende Selbstreflexion‘!“

„Nein, die fehlt mir nun wirklich nicht!“

„Siehst du.“

Merugin weist mich auf eine Reihe logischer Fehler hin, die mir offenbar im Text unterlaufen waren. Wir sitzen eine Stunde über nicht einmal 1.000 Wörtern. Er zerpflückt jedes.

„Merugin, es ist EM, niemand interessiert sich für Logik“, erkläre ich ihm und verweise auf künstlerische Freiheiten, die über den Naturgesetzen stehen.

„Ja, aber Seppo, der Leser hat ja gewisse Ansprüche. Sogar bei deinem seppoblog.“

„seppolog.“

seppolog?! Heißt was?“

„Ein Kunstwort.“

„Ja, das ist mir klar.“

Ich erkläre ihm die komplizierte Bedeutung des Wortes, nehme ihm das Blatt Papier ab und beschließe, einen anderen Weg zur Findung des Titels zu gehen.

Wieder zuhause, rufe ich die Homepage des „Titel-Generators“ auf, der mich schon in der Vergangenheit oft mit untauglichen Vorschlägen Klicks gekostet hat:

Ruinöse Selbstverherrlichung

Selbstverherrlichender Ruin

Grundgütiger – wie ich mich einmal vergaß

Alles im Nachhinein gute Titel, ich denke darüber nach, sie irgendwann einmal wieder zu verwenden. Doch wie funktioniert nun der Titel-Generator?

In ein Online-Formular wird zunächst der zu betitelnde Text einkopiert und über Überseekabel überseemittelt nach Übersee. Dort sitzt eine Billiglohn-Firma, die sehr hohe Löhne zahlt, sodass sie sich über die Bezeichnung „Billiglohn-Firma“ nicht ganz zu Unrecht ärgert. Das ist übrigens auch eine Geschichte, die ich hier einmal der Öffentlichkeit preisgeben muss. Ich bin dran an der Sache.

Jenes Unternehmen hat eine Art Redaktion, die sich dann des Textes annimmt, der ihr da übermittelt wurde. Nachdem festgestellt worden ist, um welche Sprache es sich bei dem Text handelt (Deutsch), werden die entsprechenden Redakteure benachrichtigt. Die für Deutsch zuständigen sitzen in Deutschland, da dort viele Deutsch sprechen. Über das Überseekabel wird also der Text nach Überübersee re-übermittelt, wo er dann von mehreren Redakteuren gelesen wird. Und wir wissen ja, wie schnell alles im Netz geschieht. Was ich hier umständlich beschreibe, geht natürlich online wahnsinnig schnell, das ist ja der große Vorteil des Titel-Generators.

Und so bekomme ich nach nur wenigen Sekunden für eben diesen Text den Titel-Vorschlag:

„Hier Titel eingeben“

Unter „Impressum“ finde ich die Telefonnummer des Startups hinter dem Titel-Generator und rufe an, um mich zu erkundigen, was da schief gelaufen sei.

„Nabend. Mein Name ist Floootho. Ich habe hier gerade einen Titelvorschlag von Ihnen bekommen, der mich ratlos zurücklässt. Entweder Sie kennen meine Texte sehr gut oder haben nicht einen, auch den zugesandten nicht, gelesen.“

„Das ist korrekt. ’seppolog‘ – richtig?

„Absolut.“

„Die Titel haben bei Ihnen selten etwas mit dem Artikel zu tun, was uns die Arbeit natürlich sehr vereinfacht hat. Bis jetzt haben Sie es ja auch noch nicht gemerkt, wenn wir Ihnen Nonsens vorgeschlagen hatten. Wir fanden, Nonsens passt immer.“

„Ja, aber ‚Hier Titel eingeben‘ steht bei WordPress ohnehin schon in der Vorlage des Editors.“

„Sehen Sie. Uns brauchen Sie gar nicht.“

Ich gebe ihm Recht, lege auf, was heute mittels Wisch über das Display geschieht und lege dann dennoch das Handy auf den Tisch, da ich meine Hand brauche, um in die Titelzeile diesen sensationell einfallslosen Titel einzugeben.

Update

Der Artikel ist nun seit einigen Stunden online. Merugin meldete sich bei mir und wunderte sich, wie es möglich war, dass er einen Artikel vorab gelesen hat, der beschreibt, wie er gerade einen Artikel vorabliest, der wiederum beschreibt, wie er das tut. Und er sprach im Zuge dessen nicht ganz unberechtigt die Frage der Logik an, die hier schon mal beantwortet werden könne mit:

„Schwiiierig, schwer strapaziert. Das meinte ich, Seppo. Das versteht der Leser nicht. Hältst du ihn für dumm? Manche werden sterben, wenn sie versuchen, dir zu folgen. Es ist nicht die EM, die deine Statistik, das Packing, ruiniert, es sind deine verworrenen Gedanken, denen schwer zu folgen ist. Ich frage mich, wie du es überhaupt schaffst, in dieser Welt zu überleben!“

Ich sagte ihm, ich habe Freunde, die mich dabei tatkräftig unterstützen würden. Und hin und wieder kommen neue dazu, die sich in meiner Welt zurecht fünden, was nicht oft der Fall ist. Da kann einen die Dankbarkeit schon mal übermannen.


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