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Ob mein Nachbar Herr Kitzler denn nun tot sei oder nicht, wollte man gestern von mir wissen. Vor einigen Monaten wurde er nämlich erschossen und gestern gerierte er sich überraschend lebendig. Als sei nichts gewesen.

Wenn Herr Kitzler die Ausgeburt meiner negativen Gefühle ist, dann ist er zweifellos tot. Ist er Ausgeburt meines Katers, dann ist er lebendiger als je zuvor.

Ich begann jüngst die vierte Staffel einer Serie, um festzustellen, dass ich immer noch nicht weiß, wie der Name der blonden Protagonistin ist, die in einem Frauenknast getragene Unterhöschen vertickt (würg). Ich kenne da gar keine Namen. Denn ich vergesse sie sofort wieder. Unwichtiges selektiert das Gedächtnis aus. Offenbar meint mein Gedächtnis, Namen seien nicht wichtig. Dabei sind sie für das Verständnis der Handlung nicht ganz irrelevant. Vielleicht frage ich deshalb meine Mitbewohnerin sooft:

„Wer hat wen im Gewächshaus erschlagen?“

Gestern fiel mir ganz rassistisch auf:

„Ach, da gibt es zwei fette Schwarze?!“

Aber wie sollte ich sie besser beschreiben? Bin ich deshalb schon ein Rassist? Werte ich schon? Beide sind halt besonders dick. Ich hielt sie immer für ein und dieselbe Person, bis ich sie in der vierten Staffel gleichzeitig auftreten sah. Mir wäre fast das Hirn explodiert, das kam da so gar nicht drauf klar. Und es hätte mir auch mit zwei schlanken Grünen passieren können. Auch mit Weißen. Also, regt Euch ab, Toleranzapostel. Denn: Schwarze sind nichts, was man tolerieren muss. Erinnere mich da an die Themenwoche des ersten Programmes der ARD. Wo sie damit warb, dass man Hautfarben tolerieren müsse. Hahahaha. Ja, das passiert, wenn man politisch überkorrekt wird.

(Das hier, das ist Futter für ein Münsteraner Pärchen, das mich mit Leidenschaft für eine Art Nazi hält. Lest es, Freunde, geilt Euch daran auf!

„Wir haben es doch schon immer gewusst, der Seppo ist ein ganz mieses Nazischwein! Jetzt hat er sich selber entlarvt!“

Wie sie mich gemieden haben, mit Blicken gestraft. Ausgegrenzt! Ihr hättet mich doch wenigstens entnazifizieren können! Das wäre Euer humanitärer Auftrag!)

Erinnere mich gerade an eine Szene, die ich erleben durfte, wo mir jemand mitteilte, dass er am Vortag zwei Schwatte in seiner Stamm-Bar getroffen habe. Haha, ich wusste nicht, ob ich würgen sollte oder lachen. Über soviel Borniertheit kann man eigentlich nur noch lachen.

Ich las heute Morgen noch einen Artikel in der „Zeit“, in dem es um die Abgrenzung des shamestorms vom shitstorm ging. Ich bereite mich nun auf einen shamestorm vor. Denn ich habe „schwarz“ gesagt. Ich selber bin übrigens weiß. Und zwar sehr weiß (Arier!). Heller Hauttyp. Der Kopf nicht so. Der ist braun. Tja. Selbst das „braun“ klingt jetzt schwierig. Denn meine Gesinnung ist es nicht, braun. Und die arische Rasse gibt es. Nur haben die Nazis nicht verstanden, dass gerade sie nicht dazu gehörten. Nazis sind arme Möpse, die sich für Schäferhunde („Blondie! Mach‘ Platz! Führer sagt, mach‘ Platz!“) hielten und sich leider wie Ratten verhielten.

Jetzt habe ich die Hunderasse der Möpse beleidigt. Ich persönlich mag Möpse nicht. Ich meine, seht die Euch mal an! Bei aller Liebe.

Kenne jemanden, bei dem ist es umgekehrt: brauner Körper, heller Kopf. Wir haben überlegt, ob wir Köpfe tauschen sollten, damit es farblich passt. Ich hätte dann etwa zwei Meter langes Haar und sie einen Bart. Oder aus der anderen Perspektive: Sie einen Penis und ich zwei Brüste. Die Vorstellung gefiel mir irgendwie ganz gut, dennoch sahen wir vom Tausch ab, zumal die Medizin noch nicht soweit ist und ich dauerhaft nicht auf Kleinseppo zwischen den Beinen verzichten möchte, da ich mich ausgezeichnet mit ihm verstehe.

Kürzlich monierte eine Leserin, dass ich oft Fäkalsprache hier im seppolog nutze. Ich glaube, sie meinte an sich nicht Fäkal-, sondern Vulgärsprache. Tue ich das? „Penis“ gehört für mich beispielsweise nicht dazu. „Fotze“ schon eher, sogar sehr eher, nutze ich aber nicht inflationär. Der Vorwurf implizierte, dass ich damit auf Leserfang gehe. Es ist müßig, das abzustreiten, weil der Vorwurf so wohlfeil ist. Wie überhaupt kann das ein Vorwurf sein!? Worin besteht meine Untat, wenn ich über Sex schreibe? Ist da jemand verklemmt? Wobei, auch der Vorwurf wäre geistlos.

Hier spiegelt sich ein Großteil dessen, was in meinem Kopf abgeht, wider. Und meinen Penis sehe ich jeden Tag. Manchmal muss ich genauer hinsehen, wenn ich wegen defekter Gastherme kalt duschen muss, manchmal aber winkt er mir schon aus dem Augenwinkel zu. Einmal setzte ich ihm einen kleinen Hut auf. Danach hatte ich mehrere Tage Potenzprobleme, da ich immer diesen grinsenden Penis mit Hut vor Augen hatte. Fragt mal meine Mitbewohnerin!

Ist das jetzt vulgär?! Ist eine Erektion vulgär?! Kann ich nicht auch über diesen Aspekt des Lebens schreiben, ohne dass mir clickbaiting vorgeworfen wird?! Und übrigens, ich fahre drauf ab, diese Vorwürfe aufzugreifen, um dann erst recht vulgär zu werden. Aber ich kann es nicht. Vulgär kann ich hier nicht. Und, Freunde, wenn ich vulgär werde, dann klingt das ganz anders. Aber dann ist es auch nur für den Privatgebrauch bestimmt.

Ich vergesse also die Namen von fiktiven Personen. Doch die meiner fiktiven Personen vergesse ich nicht. Ob das nun Merugin ist oder Archobald, das sind Namen, die mir ins Blut übergehen. Und auch Charaktere, die natürlich Widerhall realer Personen sind, die mich umgeben. Deren Namen vergesse ich freilich auch nicht. Das wäre allerdings wirklich ’n bisschen krank.

„Äh, hier … na, dings, wie heißt du? Hier … also. Sollen wir jetzt miteinander schlafen? Ah! Mitbewohnerin! Natürlich! Entschuldigung.“

Wäre peinlich. Nach elfeinhalb Jahren.

Ich habe den Überblick über mein kleines Universum verloren. Darum trat Herr Kitzler wieder ins Rampenlicht und hat dabei sogar seine Demenz vergessen.

Ich werde also Konsequenzen aus dem Fauxpas ziehen müssen und mir eine Liste, eine Übersicht, über die handelnden Personen erstellen müssen. Inklusive kleiner Biographie. Das bin ich meinen Lesern schuldig, die dieses hier aufmerksamer verfolgen, als ich es je für möglich hielt, was auch eine gewisse Dankbarkeit in mir spürbar werden lässt. Nur bin ich – man will es kaum glauben – selbst für Dank zu bescheiden, denn es impliziert (heute mein Lieblingsbegriff) ja, dass ich davon ausgehe, dass es da eine Reaktion auf etwas von mir gibt, für die ich danken sollte. Versteht Ihr, was ich meine? Ich will nicht undankbar sein und gerade in diesen Tagen bin ich, was mein Privatleben angeht, ohnehin mit demütiger Dankbarkeit erfüllt, da treibt mich doch schon die Sorge um, zu dankbar zu sein. Es ähnelt diesem Gefühl, das man hat, wenn alles mal so richtig geil läuft und man den großen Rückschlag gar nicht mehr erwarten kann. Diese Skepsis dem Glück gegenüber.

Ich bin heute getrieben von vielen Gedanken, was vermutlich auch mit meinem gnadenlosen Kater zu tun hat, der Folge von „Havanna Cola“ ist, wobei die Cola (für Pierre: das Cola) daran eher keinen Anteil trägt. Das Problem war nur, dass der Wein in der Badewanne lagerte, zu der ich anfangs keinen Zugang hatte, sodass ich mich eben für Havanna entschied. Badevanna. Keine Fehlentscheidung übrigens. Aber gerade meine Mitbewohnerin zeichnet für unverantwortliche Mischungsverhältnisse verantwortlich. Kann man für etwas unverantwortlich zeichnen?

Was bleibt als Essenz?

ER HAT „SCHWARZ“ GESAGT!


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