angel

Wir leben inmitten einer Erregungsgesellschaft. Und es gehört zu einer zeitgenössischen Gesellschaft, sich irgendwie irgendwo einzuordnen. Ob Generation Golf, X, Y oder B, irgend einen Titel trägt jede Generation. Und jede Generation beansprucht den nahenden Untergang für sich. Der kommt ja doch nicht.

Derzeit befinden wir uns im Sommerloch und tatsächlich ist gerade auch so etwas wie Sommer, was ich selber der Tatsache entnehme, dass ich mir gestern einen kleinen Sonnenstich sowie einen großen -brand geholt habe, nachdem ich mehrere Stunden am Rhein gelegen hatte. Vielleicht liegt es auch an meinen Läufen durch die Mittagshitze durch den Düsseldorfer Volksgarten, der deshalb so attraktiv ist, weil dort derzeit mannshohe Rasensprenger stehen, in die ich mich alle zwei Kilometer mit vollem Körpereinsatz reinstelle. Dieser extrem kühlende Effekt hält etwa drei Minuten an, danach brennt wieder die Sonne, was ich aber als höchst willkommen annehme, auch wenn gestern Abend mein Gehirn weicher als je zuvor war. Entgegen meiner Gewohnheit habe ich die Nacht mit Kühl-Akkus verbracht.

Im Volksgarten fallen mir immer wieder Kindergruppen auf. Spricht ja nichts gegen. Vielleicht suchen sie Taubsi (Gestern wurde mir erklärt, was der Pokédex ist. Meiner ist sehr übersichtlich, aber Taubsi, der steht drin.), vielleicht aber auch nur ein bisschen Glück. Was mich vielmehr negativ beeindruckt: Sie tragen jetzt alle Sicherheitswesten. Die Kinder. Bei mehr als 30 Grad zieht man ihnen neongelbe Sicherheitswesten an! In einem weitläufigen Park mit übersichtlichem Verkehrsaufkommen! Was ist denn heute los?! Wir hatten das früher nicht, uns hat man noch Trinkflaschen um den Hals gehängt. Diese Gesellschaft wird albern übervorsichtig.

Ein dazu passendes Beispiel ist der Umstand, dass die Stadt Düsseldorf derzeit mehrere Brücken-Geländer des reißenden Stromes „Düssel“ mit Sicherheitsgittern aufrüstet und damit optisch massiv verschandelt. Die Stadt müsse das tun, sagt sie und hat vermutlich Recht, wegen der Gefahr, dass Kinder mit Sicherheitswesten durch die Geländer durchrutschen. Ich schließe diese Gefahr nicht einmal aus, habe aber von so einem Vorfall in den vergangenen einhundert Jahren ohne Sicherheitsgitter nie gehört. Ich meine vielmehr einmal gelesen zu haben, dass ein Kind sich mit seiner Sicherheitsweste an einem Sicherheitsgitter versehentlich stranguliert hat beim Versuch, bloß nicht in die Düssel zu stürzen. Kann aber auch Einbildung gewesen sein.

Und nun die absolute Sommerloch-Geschichte, die derzeit durch die Medien geht und nun auch durch das sommerlochgeplagte seppolog:

Alten Aufzeichnungen zufolge habe Jesus keinen Angelschein gehabt und war somit illegaler Fischer.

Nun will man ihm ein Bußgeld anhängen. Das sind so die Ideen der politischen Hinterbänkler im Sommer; vielleicht würde ich es nicht anders machen. Doch Jesus eine Ordnungswidrigkeit anzuhängen, finde ich gewagt. Und aussichtslos: Denn das illegale Fischen dürfte verjährt sein. Und Jesus ist in irgend einer Form … tot? Nein. Das nicht. Unter uns? Auch nicht. Nicht physisch. Obwohl man derzeit viele Sandalenträger sieht, aber es ist infantil, Sandalenträger mit Jesus gleichzusetzen. Im Sommerloch aber geht das.

Ich weiß noch, wie ich Karfreitag mit Jesus Fisch essen gehen wollte. Es ging nicht. Er ging nicht ans Handy. Er war wohl tot. Aber das ist er eben nicht mehr, wie wir wissen. Er ist jetzt woanders. Also überall? Ich bin überfragt. Untot? Ein Zombie? Das sind Fragen, keine Unterstellungen. Damit auch keine Gotteslästerung. Ich bin ja nicht derjenige, der ohne Angelschein geangelt hat.

Wenn Helmut Schmidt in Rauchverbotszonen geraucht hat, war das egal. Er durfte das. So ist es wohl auch mit Jesus. Er darf auch ohne Angelschein fischen. Den Fischen ist es eh egal. Bei „The Walking Dead“ wimmelt es von illegalen Fischern, die wieder auferstanden sind.

Diese Woche erregt sich unsere Gesellschaft also über diesen vermeintlichen Skandal, hatte Jesus doch immer einen recht blendenden Ruf, ausgesprochen hohe Beliebtheitswerte. Und wie bei jedem Promi mit glänzendem Image dreht sich irgendwann einmal der Wind, plötzlich sind sie der Buh-Mann.

Nun also Jesus.

Das seppolog füllt seinerseits das Sommerloch mit einem Exklusiv-Interview mit Grubor Gargobart, dem sportpolitischen Sprecher der Partei der Raketenforscher (PdR) …

Deren Parteiprogramm ist hinlänglich bekannt: Mittels Ein-Mann-Raketen soll der Mars besiedelt werden und so weiter. Flüchtlinge will man auf der Erde zurücklassen, um so die Flüchtlingskrise zu lösen. Die AfD hat einige der Parteiprogrammpunkte übernommen, aber abgewandelt, sie will die Flüchtlinge auf dem Mond ansiedeln, wo derzeit kein Bürgerkrieg herrsche.

Herr Gargobart, warum jetzt, mehr als 2.000 Jahre nach Jesus‘ Geburt, diesem an den Karren fahren?

Mein lieber Herr Flotho. Illegales Angeln bedroht Fisch und Fauna [„Fisch & Fauna“ ist ebenfalls der Titel des offiziellen Partei-Organs der PdR, Anm. d. Red.] und gerade Menschen mit immensem Vorbildcharakter sollten zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie illegal angeln. Kein Promi-Bonus für Jesus! Dafür steht die PdR.

Viele Menschen suchen Gott, viele suchen Jesus. Wie wollen Sie ihn finden. Oder droht seine Verurteilung in Abwesenheit?

Sollte Jesus sich weiterhin verstecken – und er wird seinen Grund dafür haben -, …

Gargobart zwinkert mehrfach mit seinem rechten Auge, um wohl anzudeuten, dass illegales Angeln der Grund für Jesus‘ Versteckspiel sei.

… wird er eben in Abwesenheit verurteilt. Er wäre dann vorbestraft und hätte wohl Probleme, künftig wieder Fuß in der Gesellschaft zu fassen. Illegales Angeln ist in unserem Wertekanon sicherlich ein Stigma.

Muss die Bibel umgeschrieben werden?

Nun, es ist schon sehr auffällig, dass das illegale Angeln in der Bibel so gar nicht erwähnt wird. Hier sehe ich eine recht dilettantische Verschleierungstaktik, die bei uns, der PdR, nicht verfängt. Wenn das Leben eines Menschen derart reinwestig beschrieben wird, gilt es, hellhörig zu werden. Parteiinterne Bibelforscher haben rund 30 Jahre lang nach Unstimmigkeiten in Jesus‘ Leben gesucht – und eben gefunden.

Die Anwaltskanzlei „Gargobart & Partner“ vertritt Jesus. Auch in Abwesenheit. Sie sind also Kläger und Anwalt in einem – sehe nur ich da einen Interessenkonflikt?

Das kann ich sehr gut trennen und auch illegale Angler haben, was ich nur widerwillig zugebe, ein Recht auf einen fairen Prozess. Und wer, wenn nicht der Kläger, wäre der beste Anwalt eines Verurteilten?!

Jeder andere vermutlich. Und verurteilt ist Jesus ja noch nicht.

Das überlassen Sie mal der Meinung der Massen, die in aller Regel die besten Urteile fällt.

Herr Gargobart, vielen Dank für dieses Gespräch.

(Aus journalistischer Sorgfaltspflicht weist das seppolog darauf hin, dass die PdR heute die Verlängerung des WordPress-Premium-Zuganges des seppologs aus illegalen Parteispenden finanziert hat, da das Geld bei mir derzeit nicht ganz so locker sitzt.)

Angesichts dieser Vorgänge im Sommerloch 2016 würde Jesus sich wohl im Grabe umdrehen, würde er noch drin liegen.

Was Jesus zu diesen Vorwürfen sagt, wird demnächst exklusiv im seppolog veröffentlicht. Über einen geheimen Investigativ-Briefkasten mit Ende-zu-Ende-Verschlüsselung gelang es mir, mit Jesus Kontakt aufzunehmen. Sommerloch war gestern.


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