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Es wird ja durchaus bereits viel darüber geschrieben, dass es auch meinen Zeitgenossen mitnichten leicht fällt, sich in einem Kaffeeladen Kaffee zu bestellen. Es wäre zu einfach für mich, in die gleiche Kerbe zu schlagen. Ich tue es dennoch.

Gestern treffe ich mich mit KM auf einen Kaffee im Düsseldorfer Medienhafen. Vorher waren wir noch im „Aldi“ einkaufen, was für mich immer wieder ein Erlebnis ist, da ich im Grunde nie im Aldi einhole, was einfach damit zu tun hat, dass ich nur fußläufig erreichbare Supermärkte besuche, da ein Einkauf bei mir nie länger als 15 Minuten dauern darf, da mich Einkaufen langweilt, nicht mehr als lästige Pflicht ist.

KM kauft auch nicht gerne ein, schon gar nicht im Aldi und so gingen wir gemeinsam durch diese menschengemachte Hölle, da morgen ein Raclette-Abend stattfindet und es den Weißen Burgunder aus Hessen eben nur im Aldi gibt. Was nicht mal stimmt, abermals finden wir nur den Weißen Burgunder aus Baden sowie einen Bio-Rotwein für Veganer oder Vegetarier. Da steckt ja „Arier“ drin. Egal. Jeder Veganer ist auch Vegetarier, aber nicht jeder Arier ein Nazi. Nein, nicht jeder Vegetarier ein Veganer. Das ist wie bei dem Rechteck und dem Quadrat. Man weiß nicht, wen man mehr hassen soll.

Wiederholt fällt mir am Wühltisch Aldis auf, dass grundsätzlich jede Verpackung, auch die meiner drei neuen Salatschüsseln mit Deckel, bereits geöffnet ist. Als skeptischer Konsument sehe ich sofort eine bestimmte Käufergruppe vor meinem geistigen Auge, die stets die Verpackung öffnet, um den Inhalt schon einmal vorab auszuprobieren. Mich lässt der Gedanke, dass bereits jemand Salat aus meinen neuen grünen Salatschüsseln gegessen hat, auch in diesen Stunden nicht los. Vielleicht bringe ich die Schüsseln zurück. Das Verpackungssiegel war ja ohnehin schon geöffnet.

Beeindruckt hatte mich die Leere im Aldi. Ich kenne nur volle Alden. KM überzeugte mich mit der Theorie, dass die anderen Konsumenten gerade im benachbarten „Lidl“ die Dinge einkaufen, die der Aldi nicht hat. Und auch wir bekommen nicht alles, was meine Mitbewohnerin mir auf die Einkaufsliste gesetzt hatte. Und überhaupt: Wenn Frauen Männern Einkaufszettel schreiben, sollten sie auf eine penibelst genaue Beschreibung der zu kaufenden Produkte Wert legen. Bloß „Erdnüsse“ zu schreiben, genügt nicht. Denn welche will sie? Die naturbelassenen mit Schale? Oder die, die wir am Raclette-Abend in einem unserer neuen kleinen Ikea-Schälchen „reichen“ wollen? Also die gewürzten. Für die entschied ich mich auch hochgradig nervös und sehe einfach davon ab, alle möglichen Varianten von Erdnüssen zu kaufen.

KM hat ein ähnliches Problem in Bezug auf die Tomaten, die sie für ihren Lebensgefährten holen soll. Will er Cocktail-Tomaten? Strauchtomaten? Oder Rispentomaten? Und davon abgesehen: Wie zur Hölle kann man Tomaten mögen?! In dem Punkt sind wir uns einig. Und was unterscheidet Mett von Schweinehack? Vom Roh-Verzehr von Schweine-Hack wird abgeraten. Aber Mett wird gezielt roh gegessen! Wobei der Mett-Liebhaber in unserer Runde es nicht einmal roh essen wird. KM wiederum offenbart mir, womit sie unsere junge Freundschaft schwer gefährdet, dass sie durchaus Mett roh isst.

Ich würge kurz und speie in die Tiefkühltruhe des Aldis, über dem eigentlich die Saucen (KM: Soßen) stehen sollten, die ich da aber nicht finde. Und mir wird klar, dass wir vielleicht noch wegen der fehlenden Produkte tatsächlich in den Lidl gehen müssen, entscheiden aber zu warten, bis die Lidl-Kundschaft in den Aldi strömt, um dort die Dinge zu kaufen, die der Lidl nicht hat. Erdnüsse vielleicht.

Mit den Nüssen lag ich richtig, stellt sich am Abend heraus. Ich probiere grundsätzlich alles, was wir unseren Gästen „reichen“, so auch das „Knabberzeug“, das ich einkaufte. Und es schmeckte alles katastrophal scheiße. Die Chips, die Paprika-Ringe und die drei Sorten der gewürzten Erdnüsse. Ich werde morgen also ein weiteres Mal einkaufen. In meinem „Kaiser’s“.

Der Aldi hat uns sehr schläfrig gemacht, wir entscheiden, auf eine ohnehin getroffene Entscheidung zurückzugreifen und im Düsseldorfer Medienhafen, das jüngst ein Medium verlassen hat, einen Kaffee einzunehmen. Bei der Suche nach entsprechenden Einrichtungen bin ich immer sehr schwierig, im Grunde nie zufrieden. Wir sind im „Woyton“, wo zumindest mir die aufgeheizte Atmosphäre missfällt, sodass ich KM zwinge, nach einem weiteren Etablissement zu suchen. Das scheitert grandios, sodass wir durch den Regen laufend entscheiden, wieder zurück zum Woyton zu gehen. Denn immerhin gab es da noch einen recht gemütlichen Platz für uns aus Sesseln bestehend.

Der natürlich besetzt ist von einer lesbischen Hipster-Braut, als wir zurückkehren. Das schlechte Gewissen nagt an mir, denn nur wegen meiner Entscheidungsunfreude ist uns dieser Platz entgangen, sodass wir mit einem schlechteren Vorlieb nehmen, nachdem wir versuchen, ein Getränk zu bestellen.

Oft bin ich nicht im Woyton und ich ahne, dass man nicht einfach nur einen „Kaffee“ bestellen kann.

„Was kann ich für dich tun?“, fragt mich eine weitere Lesbe.

Mich siezen, denke ich, was mir zunehmend Spaß macht, mich über das krampfhafte Duzen zu belustigen. Ich war mal in einem „O2-Shop“, wo sich der Verkäufer mir vorstellte:

„Ich bin der Stefan! Hallo! Und du bist?“

Ich ging wortlos wieder raus. Und habe noch immer meinen Tarif aus dem Jahr 2000.

Ich zur Kaffee-Verkäuferin: „Ich müsste mir zunächst einen Überblick verschaffen.“

Sie deutet mir die Karte, auf der ich nichts verstehe, sodass ich sage:

„Ich brauche einfach nur einen großen, schwarzen Kaffee.“

Und ich einen großen schwarzen Schwanz, denkt die lesbische Verkäuferin.

„Auf Espresso-Basis?“, fragt sie.

Damit war ich bereits überfragt. Zuhause ist das bei mir einfach. Da kann ich mir einen Kaffee machen oder einen Espresso. Hier geht offenbar beides gleichzeitig. Sie erkennt meine Verzweiflung und hilft:

„Ich würde dir einen Kaffee auf Filterbasis empfehlen!“

„Ja! Das machen wir!“

„Okay, dann bekommst du den ‚Panama‘.“

Während KM einen Früchtetee ordert, denke ich über Panama nach. Klar, ein Kaffee, auch ein Filterkaffee braucht einen hippen Namen.

Und offenbar darf er auf keinen Fall in einer Tasse serviert werden. Als man ruft, „Der Panama ist fertig!“, gehe ich zur Theke und finde ihn nicht. Gut, ich sehe da ein hellbraunes Getränk in einer Karaffe stehen, die wiederum in einer Tasse steht und ich ahne, dass es sich um meine Bestellung handeln könnte. Aber ich wollte ja einen normalen Kaffee. Aus einer Tasse. Ich zögere, frage dann aber die Frau:

„Ist das hier mein Kaffee? Der Panama?“

„Ja, klar. Nimm dir.“

Gönn dir, denke ich und nehme die Kombination aus Tasse und Karaffe zurück an den second-best Platz, weil ja unser Wunschplatz noch immer von der Hipster-Braut besetzt ist.

„Die geht bestimmt gleich“, sagt KM.

„Sie sieht so aus, als würde sie auf jemanden warten.“

Und tatsächlich, eine gewordene Mutter betritt mit Kind und Kinderwagen das stillose Kaffeehaus und setzt sich dazu.

„Die werden da so schnell nicht verschwinden!“, sagt KM, sodass wir auf unserem Platz verharren.

Nichts gegen Woyton. Mit Sicherheit der beste Kaffee-Laden aller Welten. Aber dieser Panama schmeckt relativ beschissen bis nicht annehmbar. Kaffee sollte schwarz und nicht hellbraun sein. Und ich würge ihn herunter, während KM feststellt, dass ihr Früchtetee zwar nach Früchten riecht, aber nur nach Wasser schmeckt.

20 Minuten später sitzen wir im „Eigelstein“, das eine eigene Hymne hat. Wir betrinken uns innerhalb weniger Minuten und sehen die graue, verregnete Welt in bunten Farben. Und stellen fest, dass derzeit 90 Prozent aller Frauen Hosen tragen, die nur bis zum Knöchel gehen. Ich stelle das nur fest. Ich bewerte diese Unart nicht.


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