paprika

Ich rühme mich ja stets meiner Pünktlichkeit, aber heute soll es mir nicht gelingen, das Pünktlichsein. Es ist 16.45 Uhr und meine Mitbewohnerin und ich erwarten zwei unterschiedliche Gäste, die dennoch als Paar in der Öffentlichkeit auftreten. Es handelt sich um Prominenz, soviel, aber eben nicht mehr, darf ich verraten: Wir haben Stargäste bei uns zu einem Raclette-Abend geladen.

Den Raclette-Grill besitzen wir bereits seit mehreren Jahren, vergessen aber gerne, dass wir ihn haben. Wie oft stellte ich nach einem heiteren Abend am Morgen danach fest:

„Wir hätten ja auch Raclette statt Pizza machen können!“

Denn der Grill steht, sofern er nicht benutzt wird, unter unserem Küchensessel, weil wir ansonsten über keinen Stauraum mehr verfügen, was jedoch auch zur Folge hat, dass wir diesen Grill über Monate immer wieder vergessen. Heute Abend soll es anders sein, heute haben wir einen Raclette-Abend anberaumt, der bereits seit Tagen akribisch vorbereitet wird.

Insgesamt drei Einkäufe gingen diesem Abend voraus. Über den ersten ist bereits alles gesagt. Der zweite wurde vom männlichen Teil unseres Promi-Paares erledigt, während ich den dritten vor etwa einer Stunde über mich ergehen ließ.

Vor mir auf dem Küchentisch stehen nun zehn unterschiedliche Saucen. Unsere Gäste bringen noch Dips mit. Zusammen mit dem Grill und den Getränken ist der Tisch bereits voll. Und da ich ein Mann der Planung bin, habe ich eine NZVO erstellt, eine „Nahrungszunahmeverordnung“, eine sinnvolle Regelung, wie wir den noch vorhandenen Platz am Tisch zum Dinieren nutzen können. Die NZVO sieht vor, dass die weiblichen Anwesenden, die Anwesendinnen, nachdem sie alles zubereitet haben, zunächst in Kochbüchern blättern, während unser männlicher Gast, nennen wir ihn Gaston, und ich bereits essen. Warum nun zuerst die Männer? Nun, der Grund liegt ja auf der Hand. Für diejenigen wenigen Leser, die ihn nicht erkennen (Frauen), sei er verraten: Immerhin sind es die Männer, die stundenlang darauf warten müssen, bis die Frauen alles zubereitet haben werden, da Frauen in aller Regel (Arbeitswissenschaftler bestätigen das immer wieder) sehr langsam arbeiten und darum auch schlechter bezahlt werden.

#aufschrei. Vielmehr verhält es sich so, dass ich einige Dinge der Vorbereitungen bereits erledigt habe, da ich unbedingt meine neuen Emaille-Schüsseln aus dem „Aldi“ bestücken wollte. Paprika, Hack und noch irgendwas, achja, Käse (gerieben), werden aus diesen Behältnissen serviert, da ich der Meinung bin, dass sie sich optisch sehr gut machen werden, wenn uns die Damen daraus bedienen.

Dass ich heute humpele, liegt darin begründet, dass ich beim Kraftsport, beim „Atzen“, wie man in Duisburg sagt, nackten Fußes über eine Hantel gestolpert bin. Ein unfassbarer Schmerz, den ich mannhaft kreischend hinnahm, war die Folge. Dass der Fuß blutete, sah ich erst später, nehme aber auch das hin wie ein Mann. Meine Mitbewohnerin hat mir für solche Fälle einmal diese lustigen Pflaster mit Motiven gekauft. Ich entschied mich für das mit dem Elefanten, weil ich Elefanten so mag. Und sagte währenddessen zu meinem Stoff-Elefanten:

„Siehst du, das Motiv auf dem Pflaster lenkt mich vom Schmerz ab.“

Mein Hantel-Unfall wird heute Top-Thema des Abends sein, daran werde ich alles setzen. Und auch die Ideenfindung für den Namen einer neuen Fernsehsendung setze ich nach ganz oben auf die Agenda. Denn Thema dieses Abends bin selbstverständlich ich.

Stichwort Hackordnung. Ich habe eben Hack halb/halb gebraten. Vorgebraten, wenn man so will. Gaston wird heute allerdings Mett zu sich nehmen, wohlgemerkt in gegrillter Form. Das bringt mich zu der Frage, warum man Schweine-Hack, was ja irgendwie das gleiche wie Mett ist, nicht roh verzehren sollte; Mett, was ja irgendwie das gleiche wie Schweine-Hack ist, hingegen durchaus. Ich bitte, da ich diese Frage bereits zum zweiten Mal hier stelle, um Antworten der Metzger unter den Lesern des seppologs.

Ich will cainen Hehl daraus machen, dass das Essen heute Abend zumindest bei mir nicht im Vordergrund steht. Es dient lediglich der Beschäftigung meiner Gäste, während sie sich mit dem aufregenden Thema dieses Abends auseinandersetzen. Für mich geht es heute um den uneingeschränkten Genuss von Müller-Thurgau, einem beliebten Wein bei mir, und „Captain Morgan“ mit Cola. Das führt zu einem massiven Cola-Konsum in der kommenden Nacht, was ich bereits beim Aufwachen morgen spüren werde. Ich kenne das schon. Es ist einfach zuviel Zucker, und ja, auch zuviel des Koffeins. Nicht also der Alkohol fügt mir heute Schaden zu, sondern die Cola. Da bitte einmal drüber nachdenken, sollte Cola Sponsor der Olympischen Spiele sein.

Meine Aufgaben an solchen Abenden bestehen im Kleinschneiden von Dingen, die die Natur in zu großer Form hervorgebracht hat. Ob das nun die Paprika sind oder die Zucchini. Beides Produkte, die man als solche ungeschnitten unmöglich in die kleinen Raclette-Pfännchen befördern kann. Das Beitragsbild demonstriert diese Nachlässigkeit der Natur eindrücklich. Gut, wir sehen dort keine Paprika, aber eine Tomate. Hintergrund ist der, dass ich die Papriken bereits auseinander dividiert habe. Für die Tomaten sehe ich mich nicht zuständig, da mir völlig unverständlich ist, wie es möglich sein soll, eine Tomate, die ja nichts anderes als ein Ballon gefüllt mit Wasser ist, zu zerkleinern, ohne dass das Ergebnis eine Tomatensauce ist. Gaston wird sich der Tomaten annehmen. Er weiß das noch nicht.

Die Zucchini wäre für mich kein Problem. Nur weiß ich nicht, in welcher Form ihre Einzelteile zu servieren gewünscht sind. Ich könnte Scheibchen andienen, aber auch kleine Stückchen. Und Männer wissen: Egal, wie sie sich entschieden, sie träfen die falsche Entscheidung. Schnitte ich das Beeren-Gewächs in Scheiben, würde meine Mitbewohnerin heute Abend, wenn sie kommt, sagen:

„Was sollen wir denn mit Zucchini in Scheiben?!“

Zerstückelte ich sie hingegen – die Zucchini, nicht meine Mitbewohnerin -, sügte sie:

„Na toll. Jetzt haben wir ein Puzzle aus Zucchini. Scheiben waren nicht drin, oder was?“

Da es meiner Mitbewohnerin nicht ganz zu Unrecht wichtig ist, wie sie hier wegkommt, weise ich darauf hin, dass sie beides wohl nicht sagen würde. Aber ihre Blicke, die würden mir schon deutlich machen, ob ich die richtige Entscheidung getroffen habe.

Mein Geburtstag steht bevor und ich habe heute festgestellt, dass ich fünf Jahre älter aussehe, als ich könnte. Das liegt im Vollbart begründet. Und auch in dessen Schnitt liegt begründet, warum ich es heute nicht schaffen werde, pünktlich um 19 Uhr, wenn die Gäste kommen, fertig zu sein.

Gegen 14 Uhr traf ich die Entscheidung, mir den Bart zu stutzen. Bartträger wissen, dass das sehr lange dauern kann, macht man es eigenhändig. Natürlich, den Anfang macht ein Barttrimmer, der meinem Bart etwa einen Zentimeter raubte. Leider verhält es sich mitnichten dergestalt, dass alle Haare am Ende die gleiche Länge vorweisen. Das könnte etwas mit der Tatsache zu tun haben, dass man gesichtsbedingt um die Kurve rasieren muss. Also muss man sehr lange trimmen, bis wirklich jedes Haar gekürzt wurde. Das dauerte eine halbe Stunde, der eine weitere halbe Stunde der Feinarbeit folgte. Mit der Schere wird der Bart vertikutiert. Darauf folgt eine weitere halbe Stunde, die dafür draufgeht, dass man das Badezimmer von Haaren befreit. Und danach sieht man in den Spiegel und stellt fest, dass man deutlich jünger geworden ist, obwohl man de facto um 90 Minuten gealtert ist. Ich habe das Gefühl, heute die Gesetze der Zeit außer Kraft gesetzt zu haben.

Ich muss nun noch lediglich die Küche saugen, die ich heute Morgen bereits gesaugt hatte. Doch wenn ich mit Messern hantiere und dabei Lebensmittel im Spiel sind, bleibt ein gewisser Schwund nicht aus. Unter mir auf dem Boden finde ich eine Melange aus Paprika, Hack, Käse, Mais und Kidney-Bohnen. Ich sauge das schnell zusammen und zaubere einen leckeren Salat daraus.


Zahlarme Fotos dieses Abends wird es auf meiner Facebook-Seite geben.