401


Es ist noch nicht lange her, da zelebrierte ich den 400. Beitrag des
seppologs, wurde jedoch damit nicht fertig, sodass ich nun den 401. Beitrag auf dem Wege zum 500. feiere.

Manuel Höttges, Macher des Dampfbloques, welches ein Blog ist, besaß die Dreistigkeit, auf meine Bitte, mir elf Fragen zukommen zu lassen, einzugehen. Derer drei habe ich gestern beantwortet, folgen nun die restlichen, nicht ohne ihm noch einmal für seine Mühen zu danken und auf sein gelungenes Vorwort zu verweisen.

 

Warum „Müller-Thurgau“?

Höttges‘ Manuel überschätzt meine Fähigkeit, diese knappe Frage zu verstehen. Was will er wissen? Warum es diese Weinsorte gibt? Warum sie diesen Namen trägt? Oder aber outet er sich völlig zurecht als regelmäßiger Leser dieses Blogs, der daher weiß, dass ich sehr gerne diesem Wein zugeneigt bin? Das wird es wohl sein. Grundsätzlich trinke ich kein Bier. Egal, in welcher Form man es mir andient, es schmeckt mir einfach nicht. Auf viel Verständnis stoße ich damit nicht, doch nur um des Verständnis‘ meiner Mitmenschen willen bin ich unwillens, Bier zu trinken. Also entwickelte ich im Alter von sieben Jahren eine gewisse Neigung zu ausschließlich weißem Wein, den ich dann, neun Jahre später, auch erstmals trinken durfte.

Müller-Thurgau ist nach seinem Züchter benannt, der damit die erfolgreichste Neuzüchtung zu verantworten hat, wobei sich das „neu“ auf das 19. Jahrhundert bezieht. Die Sorte stellt relativ geringe Ansprüche an Klima und Bodenbeschaffenheit. Und auch ich stelle geringe Ansprüche an diese Dinge; ich freue mich schon, wenn es nicht schwül ist, der Rest ist mir egal. Was Bodenbeschaffenheit angeht, kann ich sowohl mit Waldboden als auch mit Asphalt umgehen, wobei ich lieber im Walde stürzte als auf der Straße.

Interessant ist dieser Satz aus dem Wikipedia-Artikel über Müller-Thurgau:

„Obwohl sich aus Müller-Thurgau hervorragende Weine keltern lassen, hat die Sorte heute beim Publikum häufig einen schlechten Ruf, weil sie aufgrund des erzielbaren hohen Ertrags allzu oft für minderwertige Massenweine missbraucht wird.“

Wir halten also fest, dass ich einen minderwertigen Massenwein trinke, der überdies von vielen als „Mädchenwein“ bezeichnet wird, weil es ein eher süßer ist, da mir die sonst übliche Säure zumindest bei den von mir getrunkenen Mengen nicht bekommt. Und auch nicht schmeckt. Ich möchte fast sagen, ich liebe geradezu meinen minderwertigen Massenwein aus dem „Kaiser’s“, der zu meiner Freude über einen Schraubverschluss verfügt. Ich bin eben kein Edel-Trinker, mir geht es um die erheiternde Wirkung durch den Wein-Konsum.

 

Gibt es Momente, in denen du nur um des Schreibens willen schreibst?

Ja. Dieses ist so einer. Im Idealfall ergreift mich aber eine Lust zu schreiben, der ich nichts entgegen setzen kann. Der klassische Ungunst-Fall ist der, dass mich diese Stimmung abends im Bett ergreift, weil ich unverhofft eine Idee habe. Kürzlich dachte ich beispielsweise über das Wort „Stirn“ nach. Es gibt zahlreiche Redewendungen um diesen Begriff und ich entschloss mich dazu, etwas über das noch zu erfindende „Stirnament“ zu schreiben. Leider geschah das eben in einem unpassenden Moment, was eine massive Unzufriedenheit in mir auslöst, weil ich gelernt habe, dass Ideen oder Geistesblitze umgehend umgesetzt werden müssen, da sie einem selber bereits nach wenigen Stunden absolut belanglos und unkreativ erscheinen. Denn was zur Hölle wollte ich über „Stirnament“ schreiben?! Der Moment war vertan.

Dann gibt es Momente wie diesen. In denen man weiß, man muss noch den Jubiläumsartikel vollenden und vielleicht unverhoffte Freizeit bestücken. Und dann ist da der schielende Blick („Schlick“) auf die Abrufstatistiken, die ohne einen montägigen Artikel mau aussehen und bereits die Bilanz der gerade erst begonnenen Woche gefährden. Gerade schreibe ich, ohne Deine Fragen damit diskreditieren zu wollen, gegen meinen Willen. Ich schränke jedoch ein: Oftmals kommt die Lust zum Schreiben auch erst während des Schreibens. Das ist gerade der Fall.

 

Die AfD regiert. Wohin? WOHIN, SEBASTIAN?!!?!111!

In den Abgrund. Hier könnte ich jetzt sehr ausführlich werden, doch die Leserschaft des seppologs ist klüger als der Autor selbst. Ich behaupte, sie ist clever genug, bei der AfD in schallendes Erbrechen auszubrechen. Ich halte Deutschland für ein sensationelles Land, auch wenn der Deutsche es sich gerne selber mies redet, als wäre der Globus voll von besseren Alternativen! Die übliche Litanei, die teilweise Ausmaße einer Hektolitanei annimmt, über beispielsweise zuviel Bürokratie ist wohlfeil, denn spätestens der ausgewanderte Deutsche ersehnt sie zurück. Die Dinge in diesem Land sind – natürlich von Ausnahmen wie immer abgesehen! – im Wesentlichen geregelt, und ja, mitunter überreguliert. Doch insbesondere angesichts unserer Geschichte hat dieses Land mithilfe nicht weniger anderer Völker eine erstaunliche Entwicklung hingelegt und man möchte erwarten, dass wir heute noch aus Fehlern lernen. Einer leider größer werdenden Schar ist das jedoch nicht möglich; sie empfindet offenbar eine seltsame Lust daran, sich an „Parteien“ wie die AfD zu hängen, die meiner Meinung nach schon rein technisch überhaupt nicht in der Lage wäre zu regieren. Das kann ja ernsthaft niemand glauben! Und ja, auch die anderen Politiker tun ja nur, was sie wollen. Aber sie sind ja auch demokratisch legitimiert. Es sind eben keine Verbrecher, auch wenn das am Stammtisch, wo selten Müller-Thurgau gereicht wird, gerne behauptet wird. Die Verbrecher, die Hetzer, das sind ja wohl andere. Die Kirche sollte man öfter im Dorf lassen.

Es ist wohl Angst, die viele in die falschen Arme treibt, die diese Angst wiederum befeuern. Wie kann man das übersehen?! Es ist so offensichtlich. Es ist vor allem eines: auf unerträgliche Weise, ganz wörtlich zu nehmen: dumm. Zum Schreien dumm. Suchen wir wieder Sündenböcke?! Ich schreibe mich in Rage. Lassen wir doch Vernunft walten. Sehen wir doch die Fakten. Ach nein, die sind ja nur Hirngespinste der Lügenpresse! Ich kotze in allen Regenbogenfarben. Und schäme mich unverschämt oft für dieses Land, für einen Teil der Menschen, der Nutznießer dieses Systems, das ja nicht nur scheiße ist, sondern nach wie vor eine soziale Marktwirtschaft ist und eben nicht nur Raubtierkapitalismus. Den haben wir wahrlich woanders. Die AfD ist mit Sicherheit nicht die Truppe, die dieses Land auf Vordermann bringen wird. Es ist die Truppe, die es zu spalten und in Chaos zu stürzen droht. Ich finde es immer ganz schön, wenn die Menschen, die an den Hebeln sitzen, über eine gewisse Intelligenz verfügen. Das fehlt mir bei der AfD oft, obwohl ich glaube, dumm sind sie nicht, lediglich nur noch machthungriger als die Etablierten und gießen Öl ins Feuer, wo es eigentlich nicht einmal brennt.

So leichtsinnig die Wiederholung ihres Satzes „Wir schaffen das!“ war, so richtig ist er. Das ist exakt die Einstellung, die es braucht. Weltoffenheit stand uns nie so gut an wie in diesen Zeiten.

 

Welcher Beitrag war dein offenster?

Es gab einige, spontan denke ich an „Abschied.“ Den übrigens schrieb und vertonte ich unter Einfluss von Müller-Thurgau, was man dem Lallen entnimmt (hier hören: soundcloud.com/seppolog/abschied) Ich verlor damals durch Insolvenz meinen Job. Und was viel schlimmer war, war der Verlust des Teams, welchen ich hier beklage. Überhaupt die Arbeitslosigkeit hier zu thematisieren, war nicht immer einfach für mich, da das seppolog nicht der Blog des Arbeitslosen werden sollte, da es eben ein vielfältiger Blog bleiben sollte, wessenthalben ich den Aspekt dann auch nicht ganz verschwieg, zumal so gut wie alle anderen Aspekte meines Alltages hier ebenfalls breitgetreten werden. Und sagen wir so, die Job-Situation ist nun wieder eine andere, was demnächst auch für große Teile Deutschlands zu sehen sein wird. Entscheidend ist jedoch, dass ich vordergründig das Team vermisse, die Menschen, und nicht die Tatsache, einen Job zu haben. Was auch nicht so ganz unwichtig ist. In eine tiefe, überraschend tiefe, seelische Krise hat mich allerdings dann doch eher der Verlust des Kollegiums, das viel mehr war als nur das, gestürzt. Ich war selber davon überrascht, wie sehr ich an diesen Menschen hing und noch hänge. Mir half damals schon das Wissen darum, dass ich aus dieser seelischen Talsohle einiges werde mit herausnehmen können. Die Erkenntnis, wie schwer das Verlieren von Menschen sein kann, wie wichtig ein gutes Team ist. Und: dass man auch solche Tiefphasen genau wie Höhenflüge einatmen muss. Auch das Schlechtergehen muss man spüren und durchleben. Verdrängen war keine Option, ich suhlte mich geradezu darin, ohne aber dabei die Zukunft aus dem Blick zu verlieren. Denn das war mir immer klar: Es gibt eine.

Nebenbei: Durch den Job-Verlust haben sich Dinge gefügt, die ohne ihn nicht geschehen wären. Ich versuche, mich mit solchen Dingen zu „trösten“. Vieles hat sich gefügt, vieles habe ich genutzt, um hier und da einen Schnitt zu machen.

 

Warum sollte man einen Sessel in der Küche haben?

Um Stauraum für den Raclette-Grill zu haben, der darunter steht, sofern er nicht benutzt wird. Dieser Sessel, das Beitragsbild zeigt ihn, begleitet mich seit Studienzeiten. Im Wohnzimmer ist kein Platz mehr für ihn, daher verpesten wir ihn hier in der Küche mit den Ausdünstungen hunderter Kochvorgänge. Zuletzt erfrischte ich ihn mit „Febreze aprilfrisch“. Dem Sessel eigen ist, dass ich höchstselten darauf sitze. Gelegentlich lese ich dort sonntags die Sonntagszeitung. Ansonsten liegen Ladekabel darauf.

Grundsätzlich ist es ein Platz, den mann einnehmen kann, wenn frau kocht, um von dort aus hilfreiche Tipps geben zu können.

 

Der Bart ist zum Modeaccessoire geworden. Er wurde geradezu zum Trendobjekt. Also: Wo liegt Rutztekostan?

Du spielst an auf die kracher Erfolgsserie „Mein zweites Leben„, in der es darum geht, dass die rutztekische Regierung (nicht: rutztekostanische!) die der BRD unterwandert. „Rutztekostan“ klingt nach Osten, klingt nach Kommunismus. Wir werden in den weiteren Fortsetzungen der Centologie, eine Wortschöpfung von Dir, vermutlich (nicht) erfahren, wo das Land liegt.

 

Was ist deine größte Schwäche?

Ungern über meine größte Stärke mich zu äußern, was ich ausnahmsweise im ersten Teil dieses Beitrages getan habe.

Und nun überlege ich, es dabei zu belassen. Doch es ist etwas Wahres dran, dass ich hier und da mein Licht unter den Scheffel stelle (der Eindruck hier im Blog ist möglicherweise ein anderer, was sich dann erst Recht erklärt). Der Leser möge das als Schwäche durchgehen lassen, denn es wurde ja nicht explizit nach schlechten Eigenschaften gefragt! Denn da wüsste ich natürlich das ein oder andere.

 

Fremd- oder selbstbestimmt?

Fremde bestimme ich gerne durch mich selbst, mich selber ungern fremd. Meine Mitbewohnerin wusste von Anfang an, worauf sie sich einließ: Ich lasse mir ungern etwas sagen. Und das unterschriebe wohl jeder. Wenn so etwas in Beziehungen auf Gegenseitigkeit beruht, ist das eine ganz wesentliche, ja nahezu ideale Grundlage für die Entscheidung, das Leben miteinander zu verbringen. Vielleicht ist ja eine gewisse Sturheit meine größte Schwäche, die eine Fremdbestimmung da, wo man es sich aussuchen kann (Denn wo sind wir eigentlich nicht fremdbestimmt?) ausschließt. Die mir eigene Sturheit erkläre ich gerne mit meiner westfälischen Herkunft, was ein Rheinländer übrigens nie nachvollziehen kann. Da bleibt er typisch rheinländisch stur. Überhaupt sind die Rheinländer mein Gegenteil, insofern kann nur Selbstbestimmung funktionieren. Selbstbestimmung kann sich aber auch auf die großen Fragen des Lebens beziehen. Auf die Frage des Suizides oder auf das Abschalten lebenserhaltender Maßnahmen, wenn das Leben sich eigentlich gegen die Erhaltung wehrt. Sie kann sich beziehen auf die freie Ausübung von Religionen, auf die freie Wahl des Studienweges, des Berufes oder auf die freie Entscheidung, ob man im Namen des Staates zur Waffe greift und diese auch benutzt. Ein recht großer Begriff also, der deutlich macht, dass Fremdbestimmung nie das Ziel sein kann. Demokratien sind leider auf dem Rückzug und auch in Deutschland halte ich es inzwischen möglich, dass demokratische Grundregeln aufs Spiel gesetzt werden. Wir fänden uns dann in einer Fremdbestimmung wieder. Erst dann wüssten auch die letzten Idioten, wie frei wir derzeit allen Unkenrufen zum Trotze sind.

 

Als ich im Mai vergangenen Jahres mit dem Blog begann, ahnte ich nicht, dass es solche Kreise ziehen und vor allem wirklich eine große Leserschaft finden würde, sodass ich davon ausging, nach drei Monaten es wieder sein zu lassen. Nun sind es 15 Monate, in denen sich knapp 10.000 Leser-Kommentare angesammelt haben. Das finde ich großartig, mit so viel Kommunikation habe ich nicht gerechnet. Ich danke also insbesondere den Stammlesern dafür, dass sie nahezu täglich rund zehn Minuten ihrer Zeit dafür opfern, hier einmal reinzuschauen. Ich freue mich, wenn es gelingt, den einen oder anderen hier oder da zum Schmunzeln, mitunter auch zum Nachdenken zu bringen. Die positive Stimmung, die sich über Eure Kommentare überträgt, ist ausgesprochen erquickend, auch das kenne ich im Internet durchaus anders. Doch auch denen, die es wagen, sich negativ zu äußern, dabei aber konstruktiv bleiben, möchte ich danken, da mich so etwas nicht kalt lässt, ich dadurch Dinge verändern kann (trotz aller Selbstbestimmung). Ich staune, wie gut die Stimmung hier nach mehr als einem Jahr geblieben ist und ich es einfach nicht vermag, mit gezielten Provokationen einen Shitstorm auszulösen. Es spricht für Euch, denn nicht immer stoße ich auf so viel Ironie-Verständnis wie hier.

Mein Ziel sind daher die 1.000 Beiträge. Fehlen noch 599 und ich freue mich, wenn Ihr sie alle lest!


Bei Facebook allerdings hat sich die Selbstbestimmung qua AGB erledigt.