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Hoerbar_haare
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Vergessen wir den 19. August 2016. Überspringen wir die besten Lebensjahre, die ein Mann sein Eigen nennen darf und finden uns wieder anno 2059. Ich bin 80 Jahre alt und beklage gerade, dass der 13.000. Artikel im seppolog keine Leser findet. Die wenigen, die ihn lesen, kommentieren:

„Jetzt hast Du 13.000 Mal über Dich selber geschrieben. Man kann es nicht mehr ertragen. Irgendwann muss doch mal Schluss sein!“ -fraggle99

„Ich bin schon lange tot.“ -mluniverse

„Lass‘ doch endlich gut sein. Narzissmus hat seine Grenzen! Grüße aus dem Garten!“ -Karo-Tina Aldente

„Wir feiern den 13.000. dann bei Euch? Bitte versuch‘ Dich nicht wieder an Kartoffelecken.“ -Dampfbloque

„Unser Keller steht unter Wasser.“ -Die Frau, die in …

„Bade Deine Ferse in gefrorenem Kartoffelpüree!“ -Criticalpixie

Meine treuen Stammleser, denke ich und betrachte mit Tränen in den Augen den Räumungsbescheid. Binnen einer Woche soll ich meine Villa räumen, die ich 2040 bei einem Blogger-Treffen beim Pokern gewonnen habe. Obwohl ich nach wie vor nicht des Pokerns mächtig bin. Aber ich kann überzeugend einen Gewinner mimen. Andere Geschichte, ich schrieb ja damals darüber.

Wo komme ich unter? Bei meinen Kindern wird es schwierig, da ich keine habe. Meine Mitbewohnerin verließ mich 2025, da ich in einem Blog-Artikel sehr ungünstig über sie geschrieben hatte.

„Ich würde für einen guten Witz nicht nur meine Oma verkaufen!“, argumentierte ich damals ihr gegenüber, was sie jedoch nicht zu überzeugen vermochte. Zumal das ein Fettnäpfchen war. Denn ich verkaufte tatsächlich mal meine Oma an Organhändler, um die Villa finanzieren zu können. Sowohl meine Oma als auch meine Mitbewohnerin sparten nicht mit harscher Kritik an meinem Vorgehen, zeigten sich wenig flexibel, etwas, das man eigentlich sonst eher mir vorwirft.

Auch 2059 liest man immer wieder von Enkeltricks: Kriminelle klingeln bei Senioren an der Wohnungstür und verschaffen sich unter dem Vorwand, ihr Enkel zu sein, Zugang zur Wohnung, die sie dann ausräumen. 2059 ist das ein weitaus größeres Problem als 2016, was mit dem demografischen Faktor zu tun hat. Genießen Senioren horrende Renten-Zahlungen, was auf Versprechungen der Politik in den 2020er-Jahren zurückgeht, darben die Jungen. Altersarmut war nie ein reales Problem und ist es auch 2059 nicht. Sieht man mal von meiner Person ab. Bei mir versuchen es dennoch wöchentlich vermeintliche Enkel, die dann in meiner Villa ratlos stehend feststellen, dass es nichts zu holen gibt.

„Ja, das tut mir jetzt leid für Euch. Ich hab‘ nichts. Ich brauch‘ nicht viel“, sage ich dann immer.

Und die falschen Enkel gehen traurig von dannen. Oft gebe ich ihnen noch ein paar Süßigkeiten mit auf den Weg, weil sie mir so leid tun.

Die Arbeitslosenquote liegt bei 89 Prozent, womit Deutschland weit unter EU-Durchschnitt liegt, was mit den Arbeitsmarktreformen Donald Trumps zu tun hat, der es auch beim fünften Anlauf in den USA nicht schaffte, dann bei der AfD-Abspaltung „Alfa“ anheuerte, weil deren Gründer, ehemals AfD-Gründer, Bernd Lucke wegen des „Kleenex“-Skandals zurücktreten musste.

Egal, ich verheddere mich schon wieder in Dystopien, an denen ich immer so viel Spaß habe, obwohl ich sehr optimistisch in die Zukunft der Menschheit blicke.

Ich beschließe, den Enkeltrick umzudrehen und Enkel zu verarschen. Packe das Wesentliche zusammen, stecke schnell die Villa in Brand und ziehe durch die Straßen, die wegen der fliegenden Autos, die sich endlich durchgesetzt haben, nur noch als Landebahnen dienen. Viele sind allerdings noch zerstört, da die Russen mit ihren Panzern 2028 sehr rücksichtslos sich an einer Okkupation versuchten, die scheiterte, weil die Nato mit Atombomben wenig sparsam zurückschlug. Auf deutschem Boden. Und darunter litt die Verkehrsinfrastruktur massiv. Die amerikanische Propaganda hatte es jedoch geschafft, dass die Leute es dem rüden Fahrverhalten der russischen Panzerfahrer anlasteten.

Ich klingele bei dem erstbesten Haus. Eine junge Dame, vielleicht an die 40, öffnet mir.

„Hallo! Ich bin’s! Dein Opa!“, sage ich in einer erstaunlichen Überzeugung, sodass das Mädel nicht lange überlegt.

„Opa! Das gibt es doch nicht! Schön, dass du mal vorbeischaust! … Gurgubald! Schau‘ mal, wer da ist! Opa!“

Ein Mann kommt hinzu, scheint ihr Lebensgefährte zu sein und heißt offenbar einfallslos Gurgubald. Der beliebteste männliche Vorname in den 2030er-Jahren. Damals startete Deutschland seinen ersten „Bollywood“-TV-Sender, auf dem ein Deutscher namens Gurgubald große Erfolge feierte, was auch mit der indischen Invasion 2021 zu tun hatte, die für alle sehr überraschend kam. Deutschland ist lediglich eine Exklave Indiens, was man im Alltag gar nicht unbedingt merkt, sieht man vom Zwang ab, Hindi zu sprechen.

Gurgubald: „Na, das ist aber eine Überraschung! Opa! Ich darf auch ‚Opa‘ sagen?!“

Ich gönnerhaft: „Klar, ich bin auch dein Opa.“

Sie fackeln nicht lange und bitten mich herein. „Jaal mein gir gaya“, denke ich auf Hindi, was soviel heißt wie „In die Falle getappt“.

Gurgubald: „Was?!“

Ich erschrecke: „Hab‘ ich das laut gesagt?“

Gurgubalds Frau, Grandoline: „Ja, hast du!“

Ich: „Ich wollte es nur denken, entschuldigt, das Alter. Macht euch keine Gedanken! Opa ist jetzt da!“

Wir nehmen uns in den Arm und tanzen im Kreis und singen die indisch-deutsche Nationalhymne:

„Einst kamen die Inder in friedvoller Absicht / Warfen die Bomben in friedvoller Absicht / Großdeutschindien erobert die Welt in friedvoller Absicht“

Ich erkläre den beiden, dass ich von nun an bei ihnen wohnen würde, da die Trump’sche Rentenreform bei mir nicht verfangen hat und meine Villa leider im Begriff des Niederbrennens sei. Gurgubald und Grandoline vergeht das Lachen. Und es ist der Mann, der plötzlich skeptisch wird, denn auch 2059 sind die Frauen nach wie vor das leichtgläubige, naive Geschlecht, nachdem 2046 der Feminismus abgeschaltet worden ist, da er einfach nur noch nervig war. Interessanterweise waren es die Stimmen der Frauen, die den Ausschlag bei dem entsprechenden Volksentscheid gegeben hatten, was aber auch daran lag, dass die Frauenbewegung 2040 das Männer-Wahlrecht abgeschafft hatte. Nur sechs Jahre später schafften sich die Frauen selber ab.

Gurgubald: „Grandoline, was mich ja wundert, ich wollte ja nichts sagen, aber wir haben doch erst im vergangenen Jahr deinen Opa zu Grabe getragen.“

Grandoline: „Du suchst aber immer das Haar in der Suppe! Du siehst doch, dass Opa hier vor uns steht. Und ein Enkeltrick kann es ja wohl schlecht sein, denn wir sind ja die Enkel!“

Gurgubald: „Wenn wir aber nun die falschen Enkel sind, ist es dann nicht doch ein Enkeltrick? Betrügen wir diesen armen Mann etwa, der so gerne dein Opa wäre?“

Grandoline: „Du hast Recht! Was sind wir bloß für Menschen!“

Es dauerte nicht lange und Gurgubald und Grandoline überließen mir ihr Haus und entschuldigten sich mehrfach und sehr ehrlich bei mir für ihren Enkeltrick. Ich zeigte sie noch beim indischen Militär an, das sie relativ zügig abholte für diverse Arbeitsmaßnahmen.

2059 ist das Leben nicht viel anders als 2016.

Mein Ende ist das übrigens noch lange nicht. Zehn Jahre später ereignet sich dieses: seppo90. Jetzt auch zum Nachhören bei seppolog_HÖRBAR:


Schnell! Seht Euch an, was ich Fantastisches auf meiner Facebook-Seite gepostet habe, auf der ich angeblich eine Person des öffentlichen Lebens bin!