seppoderfilm

Ich gehe auf die 40 zu. Nicht schnell, aber dennoch unaufhaltsam, sofern der Tod nicht für einen ewigen Cliffhanger sorgt. Ich bin 37 oder 38 Jahre alt, ich habe noch immer das Gefühl, im besten Alter zu sein. Diesen Eindruck habe ich seit etwa 20 Jahren und rechne erst ab 60 damit, dass dieses einem Gefühl der Ernüchterung weicht. Bevor es soweit ist, würde ich gerne meine mir eigene Bescheidenheit hintanstellen und mich darum kümmern, dass mein Leben endlich verfilmt wird. Diesen Plan verfolge ich, seit ich sieben war.

Mein bester Kumpel, Pavel, ist in diesen Plan eingeweiht, seit uns beiden nichts mehr peinlich ist, dem anderen zu erzählen und er sagte:

„Seppo, du bist zu jung für einen Film über dein Leben und niemand wird ihn sehen wollen!“

Er hat in beiden Punkten Unrecht. Denn wann wäre ich denn alt genug?! Mit 80? Und was, wenn ich die 80 gar nicht erreichte?! Und den Film sehen, das würde zumindest ich wollen, da ich mir Publikum genug wäre, was jetzt entweder das ist, was mir gerne – meist aus Unwissenheit – unterstellt wird, nämlich narzisstisch, oder einfach mal extrem bescheiden.

Ich sehe mich an einem Sonntag die „Enthalten in Amazon Prime“-Bibliothek durchstöbern, wo ich plötzlich auf „Seppo – Der Film“ stoße. Mit einer Nutzer-Bewertung von fünf von fünf Sternen. Und wer, wenn nicht ich, würde da nicht auf „Jetzt ansehen“ klicken?! Zumal in „Prime“ enthalten?!

Das Projekt „Seppo – Der Film“ ist bereits Realität geworden und wird als „Amazon Original“ vermarktet, da mein Manager Kraftold Kramer sehr schnell zu dem Schluss kam, dass niemand für diesen Film ein Kino besuchen würde.

„Warum denn das nicht?!“, fragte ich ihn erbost.

„Es besucht ja kaum jemand deine neue Homepage! Dich kennt niemand!“

„Du meinst www.seppo.tv? Die kennt auch niemand, weil ich sie ja auch nicht bewerbe oder unauffällig irgendwo verlinke. Da steht mir meine mir eigene Bescheidenheit wieder im Wege.“

Die für mich entscheidende Frage war, wer mich spielen würde. Selbstverständlich, darüber darf kein Zweifel bestehen, schlug ich mich selbst vor.

Kraftold: „Auf gar keinen Fall. Denke an die Masturbationsszene! Wo du dich selbst im Spiegel bewunderst und …“

„Achja, das muss ja nicht sein. Aber bei aller Liebe, wer außer mir hat diese besondere Ausstrahlung? Dieses Antlitz? Diesen Schalk?“

„Oh, ich manage jemanden, der dich in diesen Punkten übertrifft. Bernd Briskow!“

Grundgütiger, dachte ich, nicht dieses schmierige Arschloch von Bühnenschauspieler, dessen größte Leistung darin besteht, ein Roadmovie als Kammerspiel inszeniert zu haben.

„Dieses Weichei soll mich spielen?! Das grenzt doch an Gotteslästerung!“

„Der Mann hat immerhin ein Roadmovie als Kammerspiel inszeniert und alle 20 Rollen selbst verkörpert. Parallel und ohne Tricktechnik. Ein Film, der ganz ohne Schnitt auskommt. Ein Meisterwerk dieses Jahrtausends und aller Jahrtausende, die da noch kommen!“

Zudem würde Bernd Briskow für einen guten Zweck spielen, seine Gage also an den Verein „Rettet Seppo e. V.“ spenden, der Gelder für mich sammelt, da es bei mir derzeit etwas knäpplich aussieht.

„Wenn der mich spielt, dann spielt meine Mitbewohnerin aber auch nicht sich selbst!“

„Warum nicht? Ihr traue ich das zu.“

„Ja, aber der halbe Film wird ja zwangsläufig aus Sex-Szenen bestehen. Und ich lasse wohl kaum Bernd Briskow an meine Mitbewohnerin ran!“

Ausgerechnet in diesem Moment kam genau diese dazu, als ich mit Kraftold Kramer in meiner Küche saß.

„Ich soll Liebesszenen mit Bernd Briskow spielen? Das wäre ja fantastisch!“

Ich empört: „Haaallo?! Das ist aber recht unverhohlen von dir!“

Sie: „Also wenn du die Chance hättest, mit Bernd Briskow zu schlafen, wenn auch nur so zu tun, dann würdest du ja wohl auch nicht ’nein‘ sagen! Außerdem hat der Mann es geschafft, ein Roadmovie als Kammerspiel …“

„Ja, ich weiß. 20 Rollen gleichzeitig!“

„Ohne Schnitt!“

„Auf keinen Fall wird dieser Bernd Briskow dich berühren. Ich gebe mein Drehbuch nicht frei für so etwas!“

Kraftold zeigte sich überrascht: „Du hast bereits ein Drehbuch? Selbst geschrieben?!“

„Ja, sicher. Da wird auch nix umgeschrieben. Ich verspreche auch, nichts geschönt zu haben.“

Meine Mitbewohnerin: „Ich hab’s bereits lesen dürfen, Kraftold. Es liest sich wie die Bibel mit ihm als Jesus. In einer Szene wird er sogar schwanger. Und gebiert ein Tier, das bereits ausgestorben war.“

Kraftold: „Das ist ein Scherz, hoffe ich.“

Ich: „Nicht direkt. Eher eine Metapher.“

Zwei Wochen später. Damit meine Mitbewohnerin nicht sich selbst spielen kann, ließ ich sie, das sage ich einfach mal frei heraus, von einem Auftragsmörder umbringen. Ich bringe Madleine Manish ins Spiel, die eigentlich Fernseh-Moderatorin ist, aber es ist ja nun einmal gang und gäbe, dass die sich derart selbst überschätzen, was mir fernliegt, und fachübergreifend nerven. Aber im Vordergrund stand ja die Frage, mit wem Bernd Briskow gerne die Sex-Szenen spielen würde und wer würde nicht gerne einmal mit Madleine Manish kopulieren?!

 

Kraftold klärt die letzten Fragen mit mir: „Seppo, die Geburtsszene wird ein Problem. Ethisch. Wir können dich unmöglich ein ausgestorbenes Tier gebären lassen.“

„Doch. Dodo. Ich will als der Dodo-Retter in Erscheinung treten. Ansonsten gebe ich das Drehbuch nicht frei.“

Die Szene bleibt also drin, Tricktechniker werden da ihr bestes tun und animieren, wie ich einen Dodo gebäre. Ich darf vielleicht schon einmal verraten, dass diese Szene bereits jetzt als die teuerste Szene aller Zeiten gilt. Die Amazon allerdings rausgeschnitten hat. Möglicherweise wird sie beim DVD-Vertrieb als Outtake noch eine Rolle spielen.

Bei diesem Film, der ja nur Auftakt einer ganzen Reihe ist, geht es mir darum, meine Bescheidenheit herauszustellen und mehr den privaten Seppo zu zeigen, der niemals von sich in der dritten Person sprechen würde, obwohl meine Rechtsberaterin KM das vielleicht schon anders erlebt haben dürfte, was mich gerade in schwere Selbstzweifel treibt. Und auch diese permanenten Selbstzweifel nehmen in dem Film eine dreistündige Szene für sich in Anspruch.

„Seppo, bist du sicher, dass die Szene mit deinen Selbstzweifeln über drei Stunden lang trägt?!“, wollte Kraftold wissen.

„Ja, natürlich! Schließlich sieht man ja mich!“

„Aber du sitzt nur da und weinst! Drei Stunden lang!“

„Ja, ich weiß. Ein Genie-Streich.“

„Und was soll die Szene, in der du dich für Bedürftige engagierst?! Das ist doch völlig unglaubwürdig!“

„Das weiß der Zuschauer ja nicht.“

„Und was soll der Mist, wo Alfred Dürer einen Holzschnitt von dir anfertigt?“

„Das ist wirklich so passiert. Ich schwör‘!“

Der Film ist bereits bei Amazon abrufbar und dauert rund 18 Stunden, was ich aber okay für ein „Biopic“ finde, denn immerhin werden hier 36 oder 37 Jahre auf das Wesentliche komprimiert. Und wenn man mal so darüber nachdenkt, ist es irgendwie beängstigend, dass dabei lediglich 18 Stunden herausgekommen sind. Aus diesem Grunde ist Netflix an einer Extended Version interessiert, die wir bereits drehen. Jene Variante wird in etwa ein zwei Jahre langer Film sein, bei dem die Vorspul-Funktion blockiert sein wird.

Was übrigens bei Pornos eine Katastrophe wäre.


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