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Seit nunmehr fünfeinhalb Wochen absolviere ich ein auf mich zugeschnittenes „Körpertransformationsprogramm“: seppofit ™. Früher nannte man es noch Sport, was schlicht ein Kraftausdauertraining ist, das aus 60 Einheiten besteht, die ich innert zwölf Wochen hinter mich bringe. Die ganze Vorgeschichte lesen Sie gerne hier, wo Sie auch etwas über meinen persönlichen Trainer Dorian Black erfahren, der seinen echten Namen hier nicht lesen möchte.

Übermorgen ist Halbzeit und ich bilanziere bereits jetzt, dass vermutlich jedes Sportprogramm mehr verspricht, als es hält. Dass ich einen Muskelzuwachs verzeichne, insbesondere im Bereich des Trapezmuskels sowie von Bi- und Trizeps schreibe ich eher meinem Hanteltraining zu, das ich zusätzlich tätige – bis zu drei Stunden am Tag.

Dorian bat mich zudem, jeden Freitag mein Körpergewicht zu dokumentieren. Das ist natürlich lächerlich, da ich täglich morgens und abends auf der Waage stehe, mein Gewicht sehr gut kenne und anders als versprochen geht es derzeit nach oben.

„Dorian, von wegen Gewichtsabnahme! Ich nehme zu!“

„Dann machst du was falsch!“

„Ich mache was falsch?! Ich quäle mich vier Stunden pro Tag und mache was falsch?!“

„Muskelmasse. Das ist das Plus an Muskelmasse.“

Das würde meine Mitbewohnerin unterstreichen, denn sie konstatiert durchaus eine Verformung meines Körpers zum Besseren. Das übrigens ist grundsätzlich bei mir Ziel des Sportes: Meine Grundannahme ist die, dass mit zunehmendem Alter der Körper sich irgendwann nicht mehr positiv entwickelt. Das geschieht sicher nicht mit meinen zarten 36 oder 37 Jahren, sondern möglicherweise erst in zehn Jahren. Andere werden das besser wissen. Und dem möchte ich entgegenwirken und stelle für mich fest, dass ich heute, mit 35 oder 36 Jahren, besser aussehe als mit 20, als ich alles vermied, was mit Sport zu tun hatte. Mit 20 war ich ein schlacksiges Wrack, hier muss unbedingt von einem leptosomen oder leptomorphen Seppo gesprochen werden. Kraft eigener Kraft und Arbeit habe ich das gedreht. Da bin ich stolz drauf.

Zu Beginn meines Zwölf-Wochen-Programms habe ich „Burpees“ verflucht, bis ich die „Walking Lunges“ kennenlernen durfte. Ich hatte wirklich geglaubt, noch schlimmer gehe es nicht, bis Dorian meinen Trainingsplan um eine weitere sehr unangenehme Übung ergänzt hat: um „Star Jacks“. In der Theorie klingen sie harmlos; es geht darum, maximal hoch in die Luft zu springen und dabei Arme und Beine auseinanderzureißen. Das wiederholt man dann 50 Mal und macht das über fünf Sätze. Treffen Star Jacks auf Walking Lunges wird der Sport zu einer Höllenunternehmung und erreicht einen Punkt, an dem selbst ich (ja, selbst ich) mir das Ende herbeisehne, während ich meinen Trainer beschimpfe, der kürzlich nach einer solchen Einheit zu mir sagte:

„Congrats, Seppo!“

Er liebt Anglizismen. Awesome. Aber „congrats“?!

Burpees werde ich in den nächsten Tagen nicht mehr machen. Schuld ist ein Trümmerbruch im linken Handgelenk. Zumindest ist das meine Diagnose. Burpees eigen ist der Sprung in die Luft mit harter Landung auf den Händen, gefolgt von einer Liegestütze, bevor es dann wieder senkrecht nach oben geht. Vergangene Woche krachte ich dabei sehr ungünstig bei der Landung auf mein Handgelenk, das unerwartet nachgab und nun bei gewissen Bewegungen unerwartet wehtut. Ich werde das im Auge behalten, misstraue Burpees jedoch ab sofort, obwohl ich sie nach sechs Wochen gar nicht mehr so mörderisch finde wie beginnlich. So gesehen habe ich natürlich schon einen Trainingsfortschritt zu verzeichnen. Wäre ja auch doof, wenn nicht. Congrats.

Neben dem heillos zertrümmerten Handgelenk und meiner seit Wochen mich plagenden Ferse zwickt seit einigen Tagen meine Seite oberhalb der Hüfte. Rechts. Alles, was rechts in der Region wehtut, macht mir angesichts meines Leistenbruches erstmal Sorgen. Doch inzwischen ist der Schmerz auch wieder fast verschwunden und derweil weiß ich, wenn der eine Schmerz geht, kommt der nächste. Ich kenne das von meiner Mitbewohnerin. Nach dem Sparring (sie kickboxt) kommt sie grundsätzlich lädiert nach Hause. Zuletzt war es der Daumen, der merkwürdig abstand. Ich nehme das schon gar nicht mehr wahr, denn es lohnt nicht. Vor dem Daumen war es ihr Ellbogen. Ich komme inzwischen durcheinander, was ihre Verletzungen angeht und stelle das nun vermehrt auch bei mir fest. Es wird einem egal. Dann tut es eben weh, so schnell, wie es kam, geht es auch wieder.

Dem exzessiven Kraftsport folgt dann etwas, das ich derzeit im 15. Jahr tue: laufen. Beim Laufen ist eines sehr wichtig, nämlich das Vermeiden von Monotonie. Niemals sollte man den Fehler begehen, immer dieselbe Strecke zu laufen. Das habe ich die ersten Monate leider getan, als ich 2002 das erste Mal den „Hiltruper See“ in Münster umrundet habe. Auf die Weise wird Joggen (wobei ich nicht jogge, sondern laufe) wirklich seinem Klischee gerecht. Und erst nach vielen Jahren begriff ich, wie wichtig es ist, nicht jeden Tag im selben Tempo zu laufen. Auch hier muss variiert werden und die gute Nachricht ist, dass besonders wichtig die langsamen Läufe sind. Ein regelmäßiger Läufer, dessen Tempo unter sechs Minuten (pro Kilometer) liegt, wird wissen, wie schwierig es ist, ohne Weiteres ein Durchschnittstempo von beispielsweise sieben Minuten 30 zu halten. Es ist regelrecht anstrengend, man muss es lernen. Ebenso wichtig sind die schnellen Tempoläufe. Ich schwöre in dem Zusammenhang auf Intervallläufe, in denen man sehr schnelle Phasen mit sehr langsamen abwechselt.

Ein Beispiel: Nach einem zehnminütigen lockeren Einlaufen sprintet man zwei Minuten, um direkt danach zwei Minuten seeeehr langsam zu laufen, worauf wieder ein Sprintintervall folgt. Man kann das nach Zeiten oder nach Distanzen takten und dabei sehr kreativ vorgehen („Pyramiden“- und Steigerungslauf). Entscheidend ist, dass das Herzkreislaufsystem jedes Mal von dem Tempowechsel überrascht ist, sich auf lange Sicht genau darauf einstellt und sich der Puls so innerhalb weniger Sekunden nach einer Sprintbelastung wieder beruhigt. Intervallläufe beanspruchen anders als die Dauerläufe die Muskulatur intensiv, was wiederum zu einem hohen Kalorienverbrauch führt. Und genau das ist beim Laufen ansonsten nicht der Fall. Wer läuft, um abzunehmen, muss sich leider mit Intervallläufen befassen. Leider, da diese extrem anstrengend sind. Es sind die Läufe, bei denen mir mitunter schlecht und übel wird, man rennt gezielt im anaeroben Bereich, was für den Trainingseffekt leider notwendig ist. Übertreibt man es, kotzt man an den Wegesrand.

Gegen Monotonie hilft also eine Mischung aus Intervall- und Dauerläufen. Während der Hitze in den letzten Wochen des Sommers verzichtete ich auf die Intervallläufe, da ich in diesem Sommer bereits bei dem einen oder anderen gemäßigten Lauf das Gefühl hatte, kollabieren zu müssen, da ich ja bevorzugt durch die Mittagssonne lief. Einen Sprint wollte ich meinem Herzen nicht zumuten, ich wäre – da bin ich mir absolut sicher – dabei gestorben. Seit einer Woche absolviere ich nun wieder Intervallläufe und muss feststellen, dass meine Durchschnittstempi grandios schlecht geworden sind. Übrigens habe ich morgen einen Zahnarzttermin. Zahnreinigung. Darf ich nicht vergessen. Bei „360° Zahn“. Die haben mir auch vor einigen Jahren ein tolles Implantat verpasst, das super sitzt. Kannste nichts sagen. Kost natürlich ein Schweinegeld. Und weil meine Lektorin KM mich jüngst fragte, woher ich meine Disziplin nehme, schreibe ich es hier: Ich kann unmöglich akzeptieren, dass ich bei meinen Intervallläufen langsamer geworden bin. Sich damit abzufinden hieße ja, einen Leistungsabfall für sich anzunehmen. Und das kann das Ziel ja nicht sein. Daher habe ich zu Beginn dieser Woche zu Dorian gesagt:

„Ich mache jetzt ausschließlich Intervallläufe. Bis ich meine Rekordzeit gebrochen habe. Vorher gebe ich keine Ruhe.“

Und exakt so werde ich es tun. Es wird Schmerz bedeuten. Übelkeit. Meine Nachbarn werden mich täglich röchelnd im Treppenhaus vernehmen, wenn ich wiederkomme. Doch diese Schmach des Tempoverlustes akzeptiere ich nicht.

Leider war ich gestern noch weit entfernt von meiner Bestzeit, es muss heute besser werden. Auf diese Weise leiste ich mir einen Wettbewerb mit mir selbst, was ausgesprochen motivierend ist. Mich zu besiegen muss ein großartiges Gefühl sein, den Besten zu schlagen!

Mit meiner Lektorin KM besprach ich während der Entstehung dieses Artikels, wie ich weniger arrogant als hier rüberkommen könne. Ich versprach, mir Mühe zu geben und sie brachte mich auf den Gedanken, irgendwo das Eingeständnis „Eigenlob stinkt“ unterzubringen, denn es wird nur noch schlimmer, wenn ich schriebe „Ich schreibe ja nur, wie es ist“. Wer also glaubt, ich gebe hier an, dem sei gesagt: Ja. Das tue ich wohl. Aber ich habe es mir verdient. :)


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