afd

Der Autor weiß nicht, wo er anfangen soll. Vielleicht mit einer Frage: Kennen Sie das? Sie denken, Ihnen ist ein sensationeller Scherz in den Sinn gekommen, feuern ihn ohne weiteres Nachdenken ab, nur um dann festzustellen, dass der Scherz ungeahnte Folgen mit sich bringt? Dass die Reaktionen der Mitmenschen von Unverständnis nur so triefen? Sodass Sie selber ahnen, verdammt, ja, ich bin zu weit gegangen! Welcher Teufel hat mich bloß geritten?! Wie werde ich wieder Herr der Lage?!

Das geschieht dem Autor alle paar Monate. Will nur einen Witz machen, überschreitet dabei eine Grenze und verliert vollkommen die Kontrolle über die für ihn nicht abgesehenen Volgen seines Scherzes. Beziehungsweise dessen, was er für einen Scherz hielt.

Es war im Februar 2013, als mir ein Scherz einmal so richtig entglitten ist. In einem Ausmaß, das nicht nur für einige wenige meiner Mitmenschen Folgen hatte, sondern für ganz Deutschland, ja, sogar für Europa und, wenn sich die Dinge weiter so entwickeln, für die ganze Welt.

Darum ist es nun an der Zeit, reinen Tisch zu machen.

Das seppolog erreicht inzwischen mehr als 250.000 Leser und Hörer mit oftmals heiteren, harmlosen Geschichten. Es will zum Schmunzeln animieren, gerne auch zum Nachdenken anregen. Und dort provozieren, wo es sich geradezu aufdrängt. Doch damals, im Februar 2013, schoss das seppolog über das Ziel hinaus, zwei Jahre, bevor es überhaupt online ging.

Zeit für Aufklärung.

Um das Schlimmste vielleicht doch noch zu verhindern.

Das seppolog geradewegs gen Canossa.

Die folgenden Zylen, praktisch portioniert in lesefertige Absätze in einem tiefgrauen Farbton auf dem Bildschirm des Lesers (das Dampfbloque setzt neuerdings auf einen tiefschwarzen Corpus, fiel mir gestern auf), werden das politische Gefüge Deutschlands

ein zweites Mal

durcheinander wirbeln. Reisen wir zurück in der Zeit – in das Jahr 2013, als die Planungen für das seppolog bereits auf Hochtouren laufen.

Februar 2013. Seppo betritt den provisorischen Redaktionsraum des neuen Blogs, das 2015 an den Start gehen soll. Nach nur wenigen Tagen hat sich Seppo bereits Respekt und Ehrfurcht bei seinen Ergebenen erarbeitet, die erstarren, als er zur Türe hereinkommt. Denn es ist ein Einfall, der dem seppoismus [Arbeitstitel des heutigen seppologs] einen fulminanten Start in der unübersichtlichen Blogosphäre ermöglichen soll. Und es ist sein Einfall:

„Wir machen einen Diätblog! Ich schreibe jeden Tag, dass ich 50 Gramm abgenommen habe! Das ist neu, das ist innovativ! Denn jeder will wissen, wie ein anderer 50 Gramm abgenommen hat!“

Ein Raunen geht durch den Saal. Unverständnis in den Gesichtern der künftigen Redakteure, denen das ins Visier geschrieben steht, das sie sich zu äußern nicht getrauen: Unverständnis und Zweifel an dem Können des Mannes, der ihnen von Medienexperten als Oberster Fachmann als Chef vom Dienst vor die Nase gesetzt worden war. Doch dieser scheint heitereren Gemütes zu sein, als man seinem gestählten Körper ansieht:

„Kleiner Scherz! Die Idee habe ich verworfen, nachdem ich gesehen habe, dass das schon 200.000 andere tun. Wir machen es größer! Wir erfinden … eine Partei!“

Einwurf eines Redakteurs: „Wie die ‚Titanic‘?! Die haben das doch schon vor uns gemacht!“

Seppo wird zornesrot, er brüllt den Redakteur an und verweist ihn des Raumes:

„Verschwinde hier, du Nichts! Was erlaubst du dir, mir vorzuwerfen, einem verkappten Satireblatt nachzueifern?! Raaaaauuus!“

Als der ehemals vor-, nun kleinlaute Redakteur den Saal verlassen hat, kommt Seppo zum Punkt:

„Nun, ganz Unrecht hat er ja nicht. Wir machen es aber besser: Wir installieren nicht wirklich eine Partei, sondern stecken den Medien, es gebe eine Partei – und jetzt kommt’s, Freunde – rechts der CSU! Ich habe dazu bereits einige Schauspieler gecastet, die gerade rechte Parolen büffeln. Einige lernen gerade, wie man gezielt Shitstorms bei Twitter auslöst. Wir installieren eine Truppe von Menschen, die so tun, als seien sie leicht soziopathisch und bar jeden Verstandes. Und über die schreiben wir dann im Blog. Und sagen irgendwann: Tadaaa! Riesengag! Reingefallen! Dann lachen alle und sagen, ‚Dieser Blog ist aber sehr, sehr lustig‘!“

Zunächst schweigen alle, niemand will als erster eine Reaktion zeigen. Nach und nach erst nicken die Redakteure einander zu, einige lächeln, die ersten klatschen. Nun stehen sie auf und bejubeln Seppo für seine grandiose Idee! Und der, der überlegt kurz, ob der das Zeug zum Demagogen hätte, sieht aber davon ab. Vorerst. Andere gescheiterte Künstler haben es ja vorgemacht …

„Wir nennen diese Scherzpartei ‚AfD‘. Es ist die einzige freie Dreibuchstabenkombination, die noch verfügbar ist, da haben wir also keinen Spielraum. Die werden sich schon irgendwie mit Bedeutung aufladen. Darum wird sich Bernd kümmern.“

Ein zierlicher Herr in Pullover erhebt sich: „Ich bin der Bernd. Bernd Lucke.“

„Danke, Bernd“, sagt Seppo, „aber Bernd ist nur für den Anfang wichtig. Bernd pöbelt ein bisschen gegen den Euro rum. Wichtig wird Phase zwei. Und dafür haben wir uns ein Frauke ausgedacht. Es wird den Menschen sofort unsympathisch sein, spätestens bei ihm wird dann klar, dass es sich bei der AfD nur um einen Scherz handeln kann. Es ist wichtig, dass uns der Gag nicht aus dem Ruder läuft; nicht, dass die nachher noch jemand wählt. Hahahahaha! Das scheint mir aber ausgeschlossen zu sein, da diese ‚Partei‘ Thesen vertreten soll, die unhaltbar sind und unser Land ungebremst vor die Wand fahren würden. Unsere Schauspieler sind also angehalten, die Rechtspopulisten möglichst übertrieben zu mimen. Glaube kaum, dass der Deutsche mit seiner, sagen wir mal, etwas ungünstigen Vergangenheit noch einmal so doof ist, einer Bande von Menschenfängern … naja, es wäre schon eine unangenehme Überraschung.“

Seppo setzt sich. Und blickt in erwartungsvolle Gesichter.

„Was ist los?“

Ein Handlanger Seppos meldet sich zögerlich und verängstigt zu Wort:

„Ähm, wo ist diese Frauke?“

„Ah! Achso! Ja, natürlich. Also, es muss heißen ‚dieses‚ Frauke. Es ist kein Mensch. Es gab Probleme beim Casting. Niemand wollte sich mit einer solchen Rolle die Karriere ruinieren. Nur eine Beatrix von Storch erklärte sich bereit. Aber für sie schaffen wir eine ganz eigene Rolle. Die müsstet ihr mal sehen, die ist einmalig. Etwas gruselig, aber sie spielt ihre Rolle gut. Nahezu glaubwürdig. Nein, für das Frauke hilft uns nur die Bionik. Wir bauen derzeit noch an einem Frauke.“

Seppo verstummt. Wird nachdenklich. Wenn die mal an die Macht kommen, bringt mich dieser Text um Kopf und Kragen. Darum füge ich besser noch ein: „Heil, AfD!“

Die Redaktion des künftigen Blogs ist begeistert von Seppos Vorschlag, mit einem solchen Paukenschlag in zwei Jahren an den Start zu gehen …

Viel ist seither geschehen. Zu viel. Das seppolog hat die Kontrolle über diesen Scherz verloren. Zu viele Menschen fielen auf den doch so offensichtlichen Gag herein, viele haben diese Partei, die ja keine ist!, allen Ernstes gewählt.

Der Chefautor des seppologs will sich nun seiner Verantwortung stellen und nicht mehr länger zusehen, wie ein bloßer Scherz sozialen Unfrieden stiftet. Könne ja nicht sein, dass jemand demokratische Instrumente des Staates benutzt mit dem Ziel, diese abzuschaffen. Das habe es schon einmal gegeben. Und das habe leider auch gut funktioniert.

Der Leser darf weitere öffentliche Erklärungen Seppos hier im seppolog erwarten. Denn es bleiben Fragen offen: Wie groß ist der bereits angerichtete Schaden? Wie können vergangene Wahlen nun annulliert werden? Wer steckt hinter dem Scherz „Graue Panther“?!


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Für Fragen zur Enthüllung des Jahres stehe ich auf meiner Facebook-Seite gerne zur Verfügung.

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