neander

Das Neandertal ist ein Tal. Und weil man Tal früher noch „Thal“ schrieb, schreibt sich das Neandertalmuseum in Mettmann „Neanderthalmuseum“. Das ist sehr verwirrend und man kennt es von „Ghetto“, das man richtigerweise „Getto“ schreibt. Das Neandertal im niederbergischen Land bei Erkrath und Mettmann ist im Grunde auch ein Getto, das Getto des Neandertalers, der dort heute noch lebt.

Es war Allerheiligen. Ich war der Meinung, die Menschen liegen an jenem Feiertag entweder halloweenbedingt verkatert im Bett oder auf dem Friedhof. Also als Besucher freilich. Irgendwie hatte ich nicht daran gedacht, dass das Neandertal ein beliebtes Ausflugsziel in dieser Region ist, bietet es doch ein nettes Wildgehege und überhaupt viel Natur mit ihren Sehenswürdigkeiten. Es ist toll, es ist schön, fahrt da hin!

2012 war ich mit meiner Mitbewohnerin das erste Mal dort, allerdings nicht laufend. 2012, das war noch die Phase, in der ich lief, sie aber nicht, wir also schon gar nicht zu zweit. Da sich das inzwischen geändert hat, laufen wir gelegentlich zusammen.

Ein befreundetes Pärchen, das untereinander ebenfalls befreundet und mehr ist, wie ich annehme, war vor etwa zwei Wochen im Neandertal und brachte mich damit auf die Idee, den dortigen Rundweg vielleicht einfach mal mit meiner Mitbewohnerin zu laufen. Wenn ich hier „laufen“ schreibe, meine ich die Steigerung von „joggen“. Irgendwie hatte ich im Kopf, dass uns eine Strecke von 14 Kilometern Länge zu Füßen liegt, also genau das Richtige für einen Feiertag. Anspruchsvoll obendrein wegen der vielen Steigungen, der gelegentlichen Treppen, des Matsches und Laubes, beides herbstbedingt. Könnte Spaß machen.

Es wird hier nicht gleich zu einer überraschenden Wendung kommen. Es hat Spaß gemacht. Nur eben nicht über 14 Kilometer.

Unterschätzt hatte ich bereits die Parkplatzsuche. Wobei die Suche natürlich reibungslos ablief. Nur das Finden stellte sich nicht ein. Massen an Menschen, die sich dem Friedhofsbesuch verweigerten, stürmten ausgerechnet das Neandertal an diesem Tag.

„Diese ganzen Idioten haben nichts besseres zu tun?!“, frage ich im historischen Präsens meine Mitbewohnerin im Auto. Wenig später schon, als wir zum dritten Mal auf der Talstraße, die nicht nur eine Talstraße ist, sondern auch „Talstraße“ heißt, wenden, brülle ich im Auto, weil mir das Gebaren der anderen Verkehrsteilnehmer nicht passt.

Schließlich stehen wir im Parkverbot. Ich halte das nicht für dramatisch, da ich denke, dass das hier normal ist an einem Feiertag. Wo sollen sie auch hin, die Menschen mit ihren Autos?! Nur wenige Sekunden stehen wir einsam auf dem Bürgersteig, denn es dauert nicht lang, da folgen weitere PKW-Führer unserem Beispiel. Einer muss immer den Anfang wagen und ich bin stolz, dass dieses Mal ich es bin, der zu zivilem Ungehohrsam aufruft.

Nun, dieser Rundweg, der würde ja schnell zu finden sein, denke ich. Und wir laufen drauf los, um nach wenigen Minuten festzustellen, dass es nicht den einen Rundweg gibt, sondern mehrere. Es gibt den „A1“, den „A5“, den „O“, den „X“ und noch den Weg, der mit der Raute gekennzeichnet ist. Wir wissen nicht, welcher für uns richtungsweisend war. Mal folgen wir dem A1-Weg, halten es dann aber für wahrscheinlicher, dass die Raute unser Mann ist. Fehlanzeige:

Also versuchen wir es mit A5. Und landen auf einem riesigen Parkplatz.

Hier hättest du parken können!“, sagt meine Mitbewohnerin.

Ich bleibe ruhig und verweise höflich darauf, dass es vermutlich auch in Karlsruhe gerade einen idealen Parkplatz für mich gebe. Entscheidender ist ohnehin die Frage, wie wir wieder von diesem Friedhof runterkommen, auf den wir irgendwie geraten sind.

„Das ist nicht richtig. Das kann mir niemand erzählen, dass der offizielle Rundweg über diesen Friedhof führt. Wir hätten irgendwo anders hergemusst. Beide haben wir unsere Handys mit, beide aber befinden wir uns in einem Funkloch, von Internet im Neandertal keine Spur; „Google Maps“ verweigert das Laden. Ich kontaktiere den männlichen Teil jenes Pärchens via Facebook, dem die vorhandene Bandbreite an Netz genügt, und erfrage, wo in etwa es hergelaufen sei. Ich frage ihn und nicht sie, da es hier um Fragen der Orientierung geht.

Nach einer kurzen Facebook-Konversation ahne ich, dass wir komplett falsch gelaufen sind und sage zu meiner Mitbewohnerin: „Wir sind hier absolut richtig. Ich habe das gut durchdacht. In Fragen der Orientierung ist Männern absolut zu trauen.“

Nach nicht einmal neun Kilometern sind wir am Ziel unseres 14-Kilometer-Laufes.

Wieder zuhause wird umfangreiches Kartenmaterial im Internet gewälzt und schnell deutlich, dass wir mehrfach falsch abgebogen waren, was auch erklärt, warum wir dreimal dieselbe englischsprachige Wandergruppe überholt haben, was physikalisch absolut unmöglich ist. Wir aber haben es geschafft. Der offizielle Wanderweg im Neandertal hätte eine Länge von zwölf Kilometern. Woher ich die 14 hatte, weiß ich inzwischen nicht mehr. Aber es wird deutlich, dass wir schon mit unserem ersten Laufschritt den falschen Weg genommen haben.

So etwas ist ganz klar eine Niederlage. Die wir nicht auf uns sitzen lassen werden, sodass wir kommenden Sonntag einen zweiten Anlauf nehmen werden, um dann die Zwölfvierzehn zu laufen. Denn:

Das Neandertal ist eine ausgesprochen schöne Laufstrecke. Man hat zwar den Eindruck, dass es mehr bergauf als irgendwann wieder bergab geht, aber genau das macht ja die Abwechslung aus. Der Untergrund ist anspruchsvoll, man sieht mehr nach unten als nach vorne. Sieht man mal nach vorne, kann man die Natur von ihrer schönsten Seite erleben. Warnen muss ich allerdings vor den vielen Menschen, die sich hier vermutlich jedes Wochenende wie auch feiertags tummeln. Sie zu umschiffen, war wohl die nervigste Angelegenheit. Immer wieder zeigte sich, dass der Ausruf „Nicht erschrecken!“ beim Überholen dazu geeignet ist, dass die Menschen sich erst Recht erschrecken. Noch schwerer hatten es aber wohl die vielen Radfahrer, die nun wirklich keinen Spaß angesichts der Menschenmassen haben konnten.

Abschließend noch zwei Karten, die das ganze Desaster verdeutlichen. So liefen wir:

k1

Und so laufen wir kommenden Sonntag:

k2(Quelle: RP-Online)


Dieser Text erschien gleichzeitig in meinem Laufblog dieLaufeinheit, ich hielt ihn eines größeren Publikums durchaus für würdig und geeignet auch für die werten Leser des seppologs! Da solche Doppelungen die Ausnahme bleiben sollen, empfehle ich den regelmäßigen Besuch von:

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