trumpy

Zwei Uhr nachts. Ich werde wach, gucke aufs Handy. Zwei Staaten gehen an Trump, lese ich. Bin leicht beunruhigt, ahne Übles, weiß aber auch, das heißt noch nichts. Ich schlafe also wieder ein.

Ich habe die Wahlnacht nicht live verfolgt. Ich lasse mich gerne morgens überraschen. Auch der „Brexit“ war ein recht passabler Wachmacher damals. Mein Eindruck ist, dass der Job des Demoskopen derzeit kein leichter ist. Es geschieht immer das Gegenteil dessen, was er voraussagt. Das ist nicht Sinn der Übung.

Halb sieben. Es wird wohl knapp, aber ich glaube, dass Trump durch ist. Clinton war keine gute Alternative, denke ich. Derzeit ist alles möglich. Bush jr. war ein Gag gegen Trump. Obwohl man gerne vergisst, wie weitreichend negativ dessen Entscheidungen heute noch nachwirken. Nun also ein Donald. Donald Duck sieht seinen Namen beschmutzt.

Was soll man in Hysterie verfallen?! Er wird sich schon mäßigen. Aber es ist durchaus beängstigend, mit wie viel Unwissen und Demagogie ein Mann in so ein Amt gehievt werden kann.

Die Bundesregierung hat dezent Sorge vor einem Präsidenten Trump. Die hatte sie auch, als sich Reagan als US-Präsident durchgesetzt hatte. Auch er fiel mit kruden Thesen im Wahlkampf auf und letztlich wurde er gar nicht so schlimm.

Aber Trump?! Hahhahahahaaha. Ich habe den Fernseher abgestellt. Ich ziehe den Eskapismus vor. Das, was immer „der Westen“ genannt wird, fällt nach und nach den Demagogen anheim. Europa kann sich ja nicht davon freisprechen. Ob Frankreich oder Österreich, spielt keine Rolle, auch in Deutschland entwickelt sich einiges ausgesprochen ungünstig. Es brechen neue Zeiten an. Damit muss man wohl klarkommen.

Willkommen in der Ära des Populismus. Er ist salonfähig geworden. Angst macht mir, wie radikal seine Anhänger sind. Die Spaltung von Gesellschaften, die daraus resuliert. Es sind die Populisten, die laut sind. Die Gemäßigten, die mit Vernunft hantieren, sind es leider nicht.

Wenn er nur nicht so doof wäre! Sind auch die, die ihn gewählt haben, möglicherweise ähnlich doof? Ich tendiere zu einem Ja, allerdings kenne ich keinen einzigen seiner Wähler persönlich, also steht mir so ein Urteil nicht zu.

Ohnehin finde ich den Hype um die US-Wahl hierzulande übertrieben. Das hatte mich schon 2008 genervt. Damals habe ich bei einem Regionalsender für die Nachrichtenredaktion gearbeitet. Obama war immer Topthema. In einer Nachrichtensendung für NRW. Wir waren das CNN von Nordrhein-Westfalen. Ich empfand es als übertrieben. Es ist in erster Linie eine Wahl der Amerikaner. Sie wählen ihren, nicht unseren Präsidenten. Natürlich, es wird sich auf uns auswirken. Aber das hat es doch schon längst. Wir haben Bush überlebt (streng genommen nicht alle, da auch deutsche Soldaten in Afghanistan ihr Leben ließen für eine Sache, die gerade wieder zerbricht). Und Obama war nicht der Heilsbringer, zu dem auch Deutsche ihn hochstilisiert haben. Wir haben einen sehr amerikazentrischen Blick. Was nicht wundernimmt angesichts der gemeinsamen Geschichte. Ich finde das nicht schlimm, aber ohne Scheiß, wir müssen uns emanzipieren. Die Abhängigkeit von einer Schutzmacht steht Europa nicht gut an. Das Leben wird weitergehen.

Die Bundesseppoblik Deutschland hat bereits auf den Wahlsieg Trumps reagiert und ihm einen Globus geschickt. Trump hatte mir im Vorfeld versprochen, im Falle eines Wahlsieges zu lernen, wo welcher Kontinent auf der Erde liegt. Er war ganz überrascht, dass es mehr als einen gibt.

Meine persönlich größte Sorge gilt der künftigen Rolle der Nato. Nach wie vor ist sie Garant von Frieden, das ist unbestreitbar. Gerade in Europa. Gerade dann, wenn da zwei Träumer an der Macht sind. Der eine träumt von der Sowjetunion reloaded, der andere vom Osmanischen Reich 2.0. Ich träume von einem starken und vor allem vereinten Europa. Ich kann nicht mehr mit Sicherheit sagen, welches das utopischste Szenario ist.

Nun kann der Wahlausgang, der noch nicht offiziell ist, während ich dieses schreibe, auch Gutes für Europa bedeuten. Vielleicht vollzieht sich nun, was sich schon seit Jahren andeutet: dass da ein Schutzschild wegbricht, eine Schutzmacht. Womöglich müssen wir uns verstärkt auf uns selbst konzentrieren und vor allem: verlassen können. Europa ist wirtschaftlich stärker als die USA, es ist wohl an der Zeit, dieses Gewicht endlich auch politisch in die Waagschale zu werfen. Wir werden, das glaube ich wirklich, näher zusammenrücken (müssen). Ich beziehe das nicht einmal auf den militärischen Bereich, aber es ist naiv zu glauben, es ginge auch ohne eine europäische Armee. Armeen sind leider wichtig. Dann, wenn es um Verteidigung geht. Das kann schneller aktuell werden, als uns lieb ist.

Clinton war ein Fehler. So ein unerträglicher Fehler. Für so viele Amerikaner trotz eines Trumps war sie die Ausgeburt eines verhassten dysfunktionalen Systems. Die Demokraten bekommen gerade die Quittung. Sie mag aus deutscher Sicht eine tolle Kandidatin gewesen sein, aber eben nicht aus amerikanischer.

Nun ist es offiziell, lese ich, Dagobert Trump gewinnt Entenhausen und ist damit Präsident der USA. Hahahahahaha. (Sabrina USA, du kannst bei uns einziehen, wir nehmen Dich auf. Die Bundesseppoblik gewährt Dir gerne Asyl.)

Er ist Populist. Es ist aber ebenso populistisch, gegen ihn zu sein. Man findet in Deutschland kaum einen Trump-Fan. Einen kenne ich. Er macht seit Wochen Wahlkampf für Trump bei Facebook. Was dieser „Freund“ von sich gibt, ist unerträglich und nebenbei unsagbar dumm. Diskussionen lohnen nicht. Das ärgert mich am meisten. Argumente haben kein Gewicht mehr. Heute Morgen, noch vor dem eben verkündeten Wahlausgang, las ich im „Spiegel“ über die Rolle der sozialen Medien – zuvorderst Facebooks – in Wahlkämpfen. Sie haben einen enormen Einfluss. Leider nicht auf die Darlegung von Fakten, sondern sie begünstigen, was ihnen immanent ist, Populismus. Ich war nie Schwarzseher, was neue Technologien angeht, aber mich beschleicht erstmals das Gefühl, dass wir die Macht von Algorithmen nicht ernst genug nehmen.

Als die Eisenbahn um die ersten Passagiere buhlte, war der Mensch skeptisch. Eine Geschwindigkeit von 30 Stundenkilometern könne der menschliche Körper nicht aushalten. Als die Elektrizität unsere Städte zu beleuchten begann, war der Bürger skeptisch bis ablehnend. Das Auto galt zu Anfang als etwas, das sich nie durchsetzen könne. Wann immer der Mensch mit Innovationen konfrontiert ist, reagiert er ablehnend. Das war mir stets fremd. Doch die Macht der sozialen Medien entgleitet uns – ganz unabhängig davon, dass diese obendrein von Monopolisten dominiert werden. Ein Google dürfte es gar nicht geben. Ein Facebook ebenfalls nicht. Es sind Monopole, die man in früheren Zeiten zu Gunsten des Konsumenten noch zerschlagen hat. Man tut es nicht mehr, da die Politik an Einfluss verloren hat. Man muss es sich in Erinnerung rufen: Politik ist eigentlich etwas Gutes.

Krude Thesen finden in sozialen Medien ungefiltert ihre Verbreitung. Und das leider mit einer stärkeren Gewichtung als Fakten. Der Brexit war eine Entscheidung, die darauf zurückzuführen ist, dass ein großer Wähleranteil auf Lügen hereingefallen ist. Gelogen wurde in Wahlkämpfen schon immer. Doch nun finden sie mehr Gehör durch stärkere Verbreitung und überhaupt ist Wahrheit nicht mehr so gefragt.

Geert Wilders twittert, die Amis hätten sich ihr Land zurückgeholt. Es macht mir Sorge, wenn sich Menschen ihr Land holen. Das war mal positiv besetzt.

Noch neige ich dazu, die Dinge nicht überzubewerten. Die Zeiten waren nie ruhig. Meine Generation hat das Ende des Kalten Krieges miterlebt, was als das Ende der Geschichte galt – im positiven. Es war ein ruhiges Jahrzehnt, das vielleicht im September 2001 sein Ende nahm. Doch für meine Eltern waren mehrere atomare Konfrontationen an der Tagesordnung. Ihre Eltern wiederum haben entweder für einen Irren oder im Widerstand gekämpft. Und im Ersten Weltkrieg. Die Zeiten waren nie ruhig. Vielleicht erleben wir nun das Zeitalter der Neuorientierung, die einer Phase der Unruhe, der Irrungen bedarf. Testen wir doch mal, was die Populisten so drauf haben. Wenn’s in die Hose geht, wählen wir halt neu. Vielleicht mäßigt sich Trump oder wird gemäßigt. Vielleicht läuft er auch politisch amok, sodass in vier oder acht Jahren ein gemäßigter Kandidat – womöglich mit Verstand – leichtes Spiel hat.

In Deutschland wäre jemand mit so einer Frisur übrigens unwählbar.

Hhahahahahah. Da wird jemand Präsident der USA, der „Minderheiten“ beleidigt hat, der eine sehr, sehr lange Mauer bauen will, der Frauen an die „Pussy“ greife, wann immer ihm danach ist, der (legale) Steuervermeidung in Perfektion betrieben hat und der anfangs als schlechter Gag galt. Vielleicht geht es manch einem zu gut. Vielleicht hat das manch einer aus den Augen verloren. Oder die „politische Klasse“ hat den Menschen aus den Augen verloren. Aber das ist mir zu leicht dahergesagt.

Ich glaube, ich kaufe gleich Aktien. Scheint alles recht günstig zu werden.

Es ist eine demokratische Wahl (Hätte er verloren, wäre sie es freilich nicht gewesen …), die es zu akzeptieren gilt. Der Anstand gebietet es, den Amerikanern, unseren Freunden und Rettern, nur das Beste zu wünschen, nachdem sie nun das Schlechteste bekommen haben. Und Europa sollte zusammenrücken, sich an die Arbeit machen, denn wir werden nun das eine oder andere in Eigenverantwortung erledigen müssen. Was ich gar nicht mal so schlecht finde.

Was ist nur aus diesem Land geworden, das einst Sehnsuchtsort gerade der Deutschen war? Der amerikanische Traum, der amerikanische way of life, das ist alles wirklich mal vorbei.


Weitere Analysen zur Wahl auf meiner Facebook-Seite! Und auch mein zweiter Blog, dieLaufeinheit.com trägt Trauer.

spurch12