Jedes Jahr aufs Neue übertrumpfen sich ZDF und RTL mit einem möglichst frühen Sendetermin ihrer Jahresrückblicke – wer ist der erste? Dabei ist eine Ausstrahlung der belanglosen Shows – „Menschen, Bilder, Emotionen“ – maximal spät doch eigentlich erstrebenswerter. Übrigens, es ist legitim und wünschenswert, dass Unterhaltung belanglos ist … Ich mache dennoch mit bei dem Wettrennen und blicke jetzt schon zurück auf meine vergangenen elf Monate, da das seppolog bis zum vermutlich 2. Januar 2017 eine Pause einlegt. Es ist das erste Mal seit 19 Monaten, dass ich mir eine Schreibpause gönne. Wobei das nicht ganz korrekt ist, da ich ab Dezember verstärkt dieLaufeinheit bestücken werde. Meinen Zweitblog, bei dem es etwas seriöser zugeht …

abscheid-2016

Das Jahr Ende November abzuschließen, ist natürlich etwas verfrüht, da in den verbleibenden vier Wochen durchaus noch Bewegendes geschehen kann. Ich klopfe auf Holz, denn in den zurückliegenden 47 Wochen ist für meinen Geschmack in meinem Leben genug passiert.

Ich unterhielt mich vor einigen Tagen mit einer Freundin über die Frage, ob 2016 nun ein gutes oder ein schlechtes Jahr für mich war. In diesem Moment scheint mir die Sonne aus dem Arsch, ich habe keinen Grund zu klagen. Auch dieses Jahr habe ich aller Voraussicht nach die Chance, ein sensationell besinnliches Weihnachtsfest zu verbringen, was nicht jedem Menschen vergönnt ist. Eine Krebsdiagnose hat mich auch 2016 nicht ereilt, dieses Jahr hat es nicht einmal für so etwas wie einen Leistenbruch gereicht. Selbst an meine letzte Grippe kann ich mich nicht erinnern, offenbar schlägt meine Zink-Therapie an oder ich habe einfach mal Glück. Bis jetzt. Und Glück habe ich unverschämt oft. Das ist mir bewusst und ich schäme ich fast dafür, nehme es demütig an, da ich weiß, dass sich das Leben jederzeit in einen Moloch verwandeln kann. Dass Leben Spaß macht, ist keine Selbstverständlichkeit. Doch 2016 hat mir überwiegend keinen Spaß gemacht. Darum ist es so schwierig für mich, das Jahr letztlich eindeutig zu bewerten. Nur eines ist klar: Es war bewegend. Und um es vorwegzunehmen: Wenn ich klage, dann auf einem hohen Niveau. Schlimme Schicksale sind mir erspart geblieben (toi, toi, toi), auch meinem nahen Umfeld geht es gut. Es verbietet sich mir also zu klagen.

Ich tat es dennoch. Im Mai dieses Jahres fand ich mich (gnadenlos verkatert übrigens) bei der Agentur für Arbeit in Düsseldorf wieder. Ich hatte es mit einem Abschied zu tun:

Wer genau hinhört, wird feststellen, dass ich lalle … Mein Arbeitgeber ging in die Insolvenz und kam nicht mehr heraus. Ein großartiges Team, das jahrelang eine dreistündige Fernsehsendung gestemmt hat ohne große Mittel, von der unerschöpflichen Kreativität und Motivation einmal abgesehen, traf sich – wie es sich selbst sooft prophezeit hatte! – beim Arbeitsamt wieder. Das hatte durchaus viel Komik, aber eben auch Tragik. Es ist nichts, was man gerne tut. Der Verlust dieses Teams traf mich damals härter als der Verlust des Jobs.

Doch auch der traf mich, gar nicht einmal finanziell, aber man ist plötzlich Teil einer staatlichen Maschinerie und spürt das erste Mal so etwas wie Unfreiheit (auch das auf verwöhntem Niveau). Erstmals in meinem Leben fiel ich in diesem Frühjahr in ein Loch. Einige Wochen lang gönnte ich mir unverhohlen Selbstmitleid, stellte dabei aber auch eines für mich fest: Auch Katastrophen muss man an sich heranlassen und annehmen. Sie als in Teilen unveränderlich akzeptieren. Ich neige nicht dazu, Dinge, die schlecht sind, schönzureden. Ich hasse das sogar. Was schlecht ist, muss auch beim Namen genannt werden. Und jene Wochen waren schlecht.

Nach und nach gelang es mir, die Tatsache der Arbeitslosigkeit, die ja heute so viele trifft, die nahezu zu einer ordentlichen Berufsbiographie dazugehört, zu verdrängen und die Dinge anzugehen. Arbeitslosigkeit ist kein Makel, man muss nur wieder herauskommen. Leider interessiert in meiner Branche niemanden, dass ich studiert habe, eine Ausbildung habe; also nicht einmal darauf konnte ich mir einen einbilden. Tue ich aber. Wenigstens das will ich davon haben!

Und wenn ich eben von unverschämtem Glück sprach, meine ich auch jenes, das bereits im Juni auf mich zukam, das ich hier aber nicht weiter ausführen will. Meine Perspektive hellte sich etwas auf, verblieb bis vor einigen Wochen jedoch noch in Unsicherheit, die nun endlich Gewissheit gewichen ist. Heute kann ich sagen, dass mir dieser berufliche Einschnitt per saldo mehr genützt als geschadet hat. Auch dieser Bilanz schäme ich mich etwas, aber es ist schlicht eine Tatsache.

Über Umwege habe ich neue Menschen kennengelernt, was – es ist krank, ich gehe auch darauf nicht näher ein – ohne jenen Schnitt nicht passiert wäre. Und auch, was nun vor mir liegt, birgt enorme Chancen für mich. Zudem nutzte ich den Einschnitt, um selbst weitere Einschnitte vorzunehmen. Wenn mir schon ein Großteil wegbricht, dann stoße ich zusätzlich andere Altlasten ab, war mein Gedanke. Ich habe viel geschnitten … Mich Belastendes habe ich hinter mir gelassen, sofern ich selbst Einfluss darauf nehmen konnte.

Monate der Ungewissheit können an einem zehren. Ich habe einiges getan, um das nicht an mich heranzulassen und es hat im Laufe der Wochen blendend funktioniert. Ich habe meinen Tag derart zugeballert, dass ich kaum Zeit hatte, über gewisse Dinge nachzudenken. Der Sport spielt dabei eine wesentliche Rolle. Ich gehe nicht nur geistig gestärkt aus dieser Kacke hervor, sondern auch körperlich. Das ist wichtig, denn die nächste Katastrophe wird kommen, so oder so. Und auch die wird mich hoffentlich härter machen. Denn eines war mir immer bewusst: Ich werde gestärkt daraus hervorgehen. Ich wusste nur nicht, wann! Und irgendwann wurde mir die Zeit sehr lang. Im Oktober hatte ich Wochen der Panik verlebt. Ich versuche ja immer, alles möglichst ins Lächerliche, ins Komische zu ziehen, doch irgendwann war meine Panik so groß, dass ich es dann doch nicht mehr so komisch fand. Und ja, anderen geht es schlechter, ich weiß das, aber ein bisschen Bewölkung genügt ja schon, um die Sonne zu verdecken.

Zehn Monate dieses Jahres werden als unschöne Episode in meinen Lebenslauf eingehen. Ich bin ein bisschen stolz darauf, sie im Gros stehend überstanden zu haben, nicht am Boden liegend. Schon jetzt mit wenig Abstand frage ich mich selbst, wie ich das hinbekommen habe. Ich bin womöglich gar nicht so ein Angsthase, wie ich oftmals von mir dachte. Wenn es dick kommt, bewahre ich Ruhe und gehe die Dinge an. Wie gesagt, Glück gehört dazu, aber es gehört ja auch das Unglück zum Pech. Seit Juli habe ich daran gearbeitet, etwas wieder zu können, womit ich eigentlich schon abgeschlossen hatte: wieder vor der Kamera zu stehen. Manch einer sagte mir, das werde nichts mehr, was ich selbst gar nicht ausschloss, jedoch mir zumindest offenhalten wollte. Wie kann man so negativ an etwas herangehen?! Aber ich hätte mich auch in ein Büro gesetzt und Formulare ausgefüllt. Denn es geht im Job nicht um Selbstverwirklichung. Das ist Luxus und überzogener Anspruch, respektlos denen gegenüber, die ihnen unliebsame Arbeiten verrichten. Es geht um Einkommen. Für eine zu gründende Familie vielleicht. Nicht, dass da etwas in Planung wäre, aber zu wissen, es ginge, ist schon mal sehr beruhigend.

Übergroße Ziele habe ich mir nie gesetzt, sie aber auch nicht von vornherein ausgeschlossen. Denn ich hoffte immer auf das Quäntchen Glück, das ich dann auch katalysieren konnte. Ich muss allerdings auch mal sagen, dass ständiges Hoffen sehr anstrengend sein kann.

Jetzt ist November und alles ist besser als im Januar. Somit muss die Bilanz letztlich positiv ausfallen. Nachdem ich heute wieder über einen Todesfall im weiteren Umfeld erfuhr (natürlich Krebs), weiß ich die Dinge zu schätzen, die tumorfrei sind. Wann endlich wächst ein Kraut gegen AfD und Krebs?!

Ich prügele mich ab sofort in Weihnachtsstimmung. Dies mündet in totale Isolation während der Feiertage. Und vielleicht schreibe ich dann über etwas, das 2016 hier im seppolog nicht stattfand: wie ich mein Kaninchen, selig, einmal mit Düngestäbchen für Zimmerpflanzen fütterte, weil ich sie für leckere Nagetierknabberei hielt.

Euch danke ich für ein Jahr der Treue und wünsche, dass Ihr das Jahr so zuende bringen könnt, wie Ihr Euch das wünscht. Im kommenden Jahr geht es dann weiter mit Merugin, Lara, Herrn und Frau Fahrgescheit, Pavel, Hercules und Sägemann, Herrn Kitzler, Archobald, Rutztekostan, Reginald Rubis, Zontibur, Gott, Frauke Petry in der Abstellkammer, Herrn Abendfahl und seinem Hund Bello, Madeleine Manish, Kraftold Kramer, mit Euch! – und mit meiner Mitbewohnerin. Dem wohl größten Glück meines Lebens.


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