zwoelf

Wie kann man sehr gute elf Jahre toppen? Das habe ich mich möglicherweise vor einem Jahr gefragt und wir geben uns ein Jahr darauf die Antwort: durch ein zwölftes.

Und mit jedem weiteren Jahr fragt man uns zunehmend oft:

Wann heiratet Ihr?

Meine Freundin und ich sind uns einig, dass das im Grunde derzeit kein Thema bei uns ist, was nicht auf eine Prinzipienentscheidung beruht, sondern einer Gelassenheit zeugt, die vielleicht sogar einer der nicht wenigen Grundpfeiler dieser Beziehung ist, die ich mit jedem Jahr mehr zu schätzen weiß, die ich als unverschämtes Glück empfinde, die eine beruhigende Konstante in meinem Leben ist.

Meine Eltern sind seit mehr als 40 Jahren verheiratet, dagegen stinken zwölf Jahre natürlich völlig ab, allerdings sind wir auch noch keine 70, sodass das für uns beide mit Sicherheit ein sehr langer Zeitraum ist, in dem Du stets fünf Jahre jünger bist als ich. Mit 25 dachte ich, da habe ich mir aber eine junge Knackige angelacht, und ich denke es noch immer. Und wir wissen beide, dass das falsch ist, denn

Du hast Dir mich angelacht.

Bist mir auf dem Fahrrad hinterher gefahren an jenem Abend, als wir uns das erste Mal getroffen hatten – natürlich auf einer Weihnachtsfeier. Es muss der 14. Dezember 2004 gewesen sein, als sich unsere Wege in der Münsteraner Altstadt durch meine Trottelhaftigkeit kurzzeitig trennten.

„Wo wohnst du?“, fragtest Du und es sollte sich herausstellen, dass wir im selben Viertel wohnten. Und dennoch schwang ich mich auf mein Rad und fuhr ohne Dich los. Das war mitnichten Abneigung, das war schlicht eine erstaunliche Doofheit. Vor einem Jahr beschrieb ich es so:

Und hier kommt meine Tölpelhaftigkeit ins Spiel, die mich für Dich, nur für Dich, so liebenswürdig macht: Zum einen habe ich nicht kapiert, dass wir im Grunde denselben Rückweg hatten, zum anderen habe ich nicht eine Sekunde realisiert, dass Du ein gewisses (und völlig nachvollziehbares) Interesse an mir hattest. Ich schwang mich auf mein Rad und fuhr von dannen. Und nun, dieses Mal kein Glück, sondern Deine Klugheit: Du fuhrst mir hinterher.

Wir sind häufig Fahrrad gefahren, stelle ich dabei fest. Unser erster Körperkontakt fand dann auch statt, als wir nach unserem ersten Rendezvous mit unseren Rädern erst ineinander-, dann aufeinanderkrachten. Ich will keinen Streit provozieren, aber wir sind uns einig, dass es Deine Schuld war, warum unser erstes Aufeinanderliegen auf dem Asphalt stattfinden sollte. Erinnerst Du Dich noch an unser zweites Aufeinanderliegen? Es fand klassisch im Bett statt. Mein damaliger Mitbewohner – ich lebte in einer Zweier-WG -, der hier im seppolog als Pavel firmiert, fragte am nächsten Morgen:

„Hattest Du Schmerzen heute Nacht? Oder gealbträumt?!“

Heute Morgen haben wir beide nicht daran gedacht, dass wir Jahrestag haben. Dinge wie Valentinstag gehen uns ab, haben keine Bedeutung für uns. Anders als dieser Tag, den wir ja nur deshalb vergessen haben, weil wir zumindest in den vergangenen Wochen sooft daran gedacht haben. Aber so läuft das eben, der graue Alltag – auch noch ein Montag! – holt einen oftmals ein, was solche Jahrestage in ihrer Bedeutung aber erst recht unterstreicht.

Noch heute bin ich etwas stolz darauf, meinen damaligen Nebenbuhler, den „Argentinier“, ausgestochen zu haben. Ich nannte ihn den „Argentinier“, weil er aus Argentinien kam. Und ich mir seinen Namen nicht merken konnte, was seine Relevanz für mich als Rivalen trefflich bezeichnet. Ich wette, dieser Mann war bass erstaunt über mein Erscheinen, hatte nicht mit so einem Prachtexemplar von Kontrahenten gerechnet, der Dich bei einer Simpsons-Folge praktisch um den Finger gewickelt hat.

Ich denke gerne zurück an mein Weihnachten 2005. Wir sollten erst wenige Tage später „ein Paar“ werden, standen aber bereits in regem SMS-Kontakt. Permanent guckte ich damals auf mein Nokia in der Hoffnung, dass Du mir geschrieben hast. Und du hattest. Mir war kotzübel, was man gemeinhin als „Schmetterlinge im Bauch“ bezeichnet. Eigentlich keine schöne Vorstellung, wenn man mal darüber nachdenkt.

Warum bezeichne ich eigentlich immer penetrant Münster als meine Heimat? Wenn ich demnächst mit unserem Hund nach Uganda gehe, sehne ich mich nicht nach Münster, sondern nach Dir. Somit bist immer Du meine Heimat. Dieses Gefühl hat in den zurückliegenden zwölf Jahren kein bisschen nachgelassen, im Gegenteil: Es wird immer intensiver. Heimat ist vielleicht da, wo man verstanden wird. Und Du tust das, mich verstehen. Was ich manchmal erstaunlich finde. Du kannst in meinem Gesicht lesen, erkennst sofort meine Gemütslagen und kannst vor allem darauf eingehen. Du lässt mich in Ruhe, wenn Du weißt, es ist angebracht, gehst auf mich zu, wenn Du weißt, ich warte darauf. Du ahnst, es ist teilweise zwecklos, mich aufzubauen und verzichtest dann darauf. Du weißt, was Freiheit für mich bedeutet, die, so könnte ich mir vorstellen, man eben nicht in jeder Beziehung findet. Es hat einen Grund, warum wir in zwölf Jahren nicht ein einziges Mal gestritten haben. Dieser Grund bist vermutlich Du. Damit das nicht zu gönnerhaft klingt: Ich trage auch meinen Teil dazu bei, Du bist ebenso konfliktscheu wie ich, redest lieber, bevor es zum Konflikt kommt. Versöhnungssex kennen wir nicht. Soll gut sein, sagt man uns immer wieder. Aber wir haben es zwölf Jahre ohne geschafft; ich glaube nicht, dass uns etwas entgangen ist. Und sich nur deshalb zu streiten, wäre ja etwas albern. Andererseits: Einen besseren Grund werden wir hoffentlich auch in unserem kommenden Jahr nicht finden.

Manchmal fragst Du mich, was ich an Dir so liebe. Die Antwort ist so simpel wie klar für mich: Genau das, was Du bist. Und natürlich auch Deinen Körper. ;)  Dein offenes Wesen, das meinem so widerspricht, die fehlende „Zickigkeit“, die manchen so anstrengend macht, Deine Herangehensweise an Dinge, Deine positive Sichtweise auf diese, in denen ich den Untergang von allem wittere, und zuvorderst Deine unfassbare Stärke. Ich finde es immer befremdlich, wenn über Frauen gesagt wird, sie seien „stark“. Als sei das etwas Außergewöhnliches bei Frauen, als seien sie zunächst einmal immer schwach. Aber Deine Stärke ist wirklich erstaunlich und manchmal sehe ich Dich tief an, um zu ergründen, ob hinter der Stärke vielleicht eine Schwäche steckt, die Stärke nur Fassade ist, aber nein, es ist eine Stärke, von der ich mir gelegentlich etwas nehmen muss, immer dann, wenn sie mir abgeht. Sicher bist Du die Stärkere von uns beiden, nur körperlich habe ich Dich endlich überholt, das konnte ich ja unmöglich auf mir sitzen lassen!

Wir gehen nun ins 13. Jahr, während für uns beide eine neue Epoche anbricht, von der wir noch nicht wissen, wohin die Reise genau geht. Aber das ist der Lauf der Dinge, andere Epochen liegen hinter uns und haben wir auch gemeistert. Gott, waren wir jung am Anfang! Du fingst gerade an zu studieren, eine Epoche später hattest Du einen „Frozen Yoghurt“-Laden, eine weitere Epoche später führten wir vier Jahre lang eine Wochenendbeziehung, bevor wir dann vor fünf Jahren zusammenzogen.

Es ist großes Glück, das ich nicht erst dann erkennen will, wenn das Schicksal dazwischengeht, sondern jetzt. Immer.

Und deshalb frage ich Dich auf diesem Wege:

Haha, wohl kaum. Es war auch genug Geschwafel bis hierhin. Die besten zwölf Jahre meines Lebens liegen direkt hinter mir. Und vor mir.


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