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Dass die NPD nicht verboten wird – geschenkt. Sie ist zu nichtig, als dass sie ein Problem für unsere Verfassung darstellte. Ich selbst halte die AfD für viel gefährlicher. Und es zeigt sich, dass das Klischee, die Deutschen neigten zum Verbieten von Allem, nicht zutrifft. Man darf auf dem Rasen kein Fußball spielen, aber man darf NPD sein. Dieser Vergleich hinkt allerdings gewaltig. Er ist aber deshalb eine Erwähnung wert, weil es 1997 in meiner Heimatstadt Münster zu einem Eklat gekommen war:

Der NPD-Ortsverein Münster traf sich damals zum alljährlichen internen Partei-Fußballturnier auf der „Henner-Wiese“, wie sie inoffiziell genannt wird. Konrad Henner war ein in Münster lebender Jude, dem wie so vielen großes Unglück und Abscheulichkeit widerfahren war. Auf der Henner-Wiese stand ein Schild mit der Aufschrift:

Auf dem Rasen kein Fußball spielen!

Abgesehen davon, dass es „keinen“ heißen müsste, hat die NPD sich darüber hinweggesetzt und dort: gefußballt. In Springerstiefeln mit Nocken. Der Rasen war hinach herüber. Nein, hernach hinüber. Das war der Skandal. Und es gab einen weiteren:

Das Team „Goebbels“ spielte gegen Team „V2“. Goebbels gewann. Das gefiel V2 nicht, da es ja schon genug sei, den Zweiten Weltkrieg in den Sand gesetzt zu haben; wenigstens ein parteiinterner Sieg beim Parteiturnier müsse doch wohl drin sein, zumal die V2 doch wirklich die Wunderwaffe der Nazis gewesen sei. Wir wissen, dass die Amerikaner im Grunde ohne die Entwicklung der V2 nie auf dem Mond gelandet wären, was auch für Tim und Struppi gilt, die ebenfalls dort waren. Doller Doppelband, nebenbei. Und hier gibt es Parallelen: Der erste Band von Tim und Struppi war schwerst rassistisch. Wegen der Schlauchlippen, die Hergé den

Negern? Oh Gott, nein! Den Schwarzen? Den Eingeborenen? Den Kongolesen!

ins Gesicht gezeichnet hatte. Genießt der Band bei Nazis eine hohe Beliebtheit? Ich habe sämtliche Bände Tim und Struppis hier rumstehen. „Tim im Kongo“ ist nicht nur der erste (je nach Zählweise, wie Tintinianer wissen), sondern auch der langweiligste. Ein NPD-parteiinternes Fußballspiel bietet wesentlich mehr an Spannung und Action, zumal Team V2 unmittelbar nach Schlusspfiff auf Team Goebbels losgegangen war. Torwart Hans beschimpfte den gegnerischen Stürmer Fritz

Stürmer! Haha!

als „Judenschwein“, was unter Nazis eine höchstmögliche Beleidigung ist, gefolgt von „Doofmann“. Die sich daraus ergebende Schlägerei war natürlich vorprogrammiert, zumal sie sogar im Programmheft des Turniers für den späten Nachmittag, 17 Uhr, angesetzt war.

„Bitte denkt daran, für die Schlägerei um 17.00 Uhr Eure Baseballschläger mitzubringen“, stand als freundlicher Hinweis noch anbei, der für heiteres Gelächter verantwortlich war, da jeder Nazi natürlich beim Verlassen seines kleinen Reichstages nochmal kurz sämtliche Taschen seiner Bomberjacken checkt: Alle Handwaffen dabei? Schläger dabei? Wohnungsschlüssel eingepackt?

Anfang des Jahres übrigens an einer Tankstelle in Leipzig einen Nazi getroffen. Das ist kein Witz. Er wollte sich offenbar die Schnürsenkel nachziehen, wobei er Schwierigkeiten hatte, den Knoten zu lösen. Er kannte bislang offenbar nur einfache Schleifen, doch seine Mutter hatte ihm am Morgen eine Doppelschleife verpasst, was ihn vor eine intellektuelle Herausforderung stellte, der er nicht gewachsen war, sodass er mich um Hilfe bat. Mit seinem Baseballschläger in der Hand. Nur deshalb half ich. Kurioses Bild: Seppo bindet Nazi die Schuhe. Sollte ich mal drüber schreiben.

„Sieg heil! Muttu hier ziehen“, erklärte ich ihm das Vorgehen in einem vereinfachten Deutsch. Und dann war da dieses Leuchten, pardon: Loichten, in seinen Augen, als sein Gehirn verstanden hatte. Na toll, dachte ich, jetzt habe ich einen Nazi glücklich gemacht. Zum Ausgleich muss ich zwei Juden glücklich machen. Also rief ich quer über die Tankstelle:

„Sind hier Juden, die unglücklich sind?“

„Da kommen zwei!“, sagte plötzlich der Nazi. Und tatsächlich, es kamen zwei. Woran er sie erkannt habe, wollte ich wissen.

„An den großen Nasen. Und an der Schädelform. Dieses Abfallende hinten. Das hat kein Deutscher.“

Ich verweise auf meinen abfallenden Schädel: „Hab ich aber auch. Und ich bin nicht jüdischen Glaubens.“

„Nicht was?!“, fragt er irritiert.

„Nicht Jude, Mann.“

„Dann hattest du aber jüdische Vorfahren“, der Nazi bauernschlau.

Ich verneine. Derweil kommen die zwei Männer auf uns zu, die er für Juden hielt. Sie entpuppten sich als Anhänger des Ku-Klux-Klans, die dort ein paar Tage ausspannen wollten. „Hass strengt an“, erklärte mir der eine von ihnen, während der andere mich fragte:

„Wir haben auch Doppelschleifen. Kannst du sie uns auch lösen, nigger?“

Nun muss der Leser wissen, dass ich an jenem Tag als Sternsinger unterwegs war. Ich war Balthasar. Caspar Melchior Balthasar. Und hatte eben noch die Schuhcreme im Gesicht. Das brachte mich nun in eine missliche Lage, da der Tankwart sich ins Gespräch einmischte, was mir denn einfiele, mit diesem blackfacing.

Naja, es gab dann ein großes Hallo und es kehrte erst Ruhe ein, als der Taliban-Botschafter auf die „Aral“ fuhr, um seinen LKW vollzutanken. Nun standen wir da alle in der Kälte und die Gruppierungen kamen in ihrem Hass durcheinander. Niemand wusste mehr, wen er hassen sollte. Zwischenzeitlich hat der Nazi versehentlich die Ku-Klux-Klan-Vertreter gehasst. Für mich war es etwas einfacher; ich habe einfach alle gehasst, ich verfolge da klare Linien.

„Spiegel Online“ ist übrigens Teil der Lügenpresse. Seit heute Morgen, weil das Nachrichtenportal versehentlich nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes den falschen, vermutlich vorgefertigten Artikel, hochgeladen hatte.

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Gleichzeitig lief bei mir das „Laufband“ von N24, das bald einfach nur noch „Welt“ heißen wird. Dieses meldete das Gegenteil dessen, was der Spiegel verkündete. Und weil ich N24 grundsätzlich nicht ernstnehme, glaubte ich dem Spiegel und freute mich zu früh. Ob irgendwo in Deutschland sich ein Nazi auf spiegel.de verirrt hat und zu früh geweint hat, im selben Moment, als ich mich zu früh gefreut habe? Und dann in Freude ausbrach, als sich ein wenig Trauer bei mir breitmachte? Habe ich heute mit einem Nazi die Gemütslagen getauscht?!

An der Erricusspitze, wie es immer so schön heißt, hat heute ein Praktikant seinen Job verloren, weil er auf den falschen Knopf gedrückt hat. Spiegel Online hat sich später für diesen Fauxpas, den ich nicht unbedingt dramatisch finde, entschuldigt. Sowas passiert. Ich selbst habe mal für eine Nachrichtensendung gearbeitet und die Explosion einer Atombombe verkündet. Ein Klassiker. Und dennoch lachte keiner meiner Chefs, als sich herausstellte, dass es lediglich eine Autobombe war. Die ist auch schlimm, aber nichts im Vergleich einer Atombombe.

Die NPD ist zwar verfassungsfeindlich, aber nicht gefährlich genug. Darum bleibt sie erlaubt. Jetzt muss sie „liefern“.

Update

Der „Zeit“ ist es online auch passiert. Sie erklärt ihren Fehler so:

„Der Vorsitzende Richter, Andreas Voßkuhle, begann die Urteilsverkündung mit der Verlesung der Anträge des Bundesrates. Darin sagte Voßkuhle an einer Stelle unter anderem: „Es ist verboten, Ersatzorganisationen für die Nationaldemokratische Partei Deutschlands einschließlich ihrer Teilorganisationen … zu schaffen“. Diese Stelle haben wir irrtümlich für das Urteil gehalten und auf dieser Grundlage hat unser Chef vom Dienst eine Eilmeldung verschickt.“


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