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Wie hier näher erklärt, steht mein bester Kumpel Pavel vor der Prüfung seines Lebens. Also, meines Lebens. Wie gut hat mein Begleiter aufgepasst? Im Begleiten von mir. Meines Lebens. Das gilt es zu ergründen mit der Frage, ob er meiner Freundschaft würdig ist.

Gemeinsam durchschritten wir die Zeit vom Kindergarten über den elitären Bildungsweg auf einer staatlichen Schule bis hin zur Uni, wo wir allerdings Unterschiedliches studierten. Während ich mich in Geisteswissenschaften und Wirtschaftspolitik verlor, ging Pavel in Wirtschaftsinformatik unter. Leider verhielt es sich wirklich so, er wurde psychisch krank, um dann letztlich Chemie an der Fachhochschule in Steinfurt zu studieren, was ihm auch bravourös gelang, hier aber wohl kaum jemanden interessieren dürfte.

Was ich an Pavel schon immer sehr geschätzt hatte, war sein Sinn für Humor, der – und das muss ich voller Neid anerkennen – meinem haushoch überlegen ist. Eigentlich will ja ich immer der Witzigere sein, denn Pavel war bereits schon immer der Frauentyp von uns beiden gewesen, aber ich nutzte Pavel stets, um von ihm zu lernen, was auch durchaus hier und da Früchte trägt. Humoriger Geselle. Ich würde ihn ja vermissen, wäre er fort.

Es ist elf Uhr am Freitagvormittag vergangener Woche. Ach nein, so kann ich das jetzt nicht mehr schreiben. Das glaubt mir keiner. Ich arbeite ja wieder. Also: Es ist 15 Uhr am Samstagnachmittag, als Pavel wie verabredet zwei Stunden zu spät vor meiner Wohnungstür steht. Anders als ich ist er verlässlich unverlässlich, jene zwei Stunden hatte ich daher eingeplant.

„Pavel! Komm rein. Wir können sofort loslegen.“

„Hast du das Bier?“, will mein Prüfling wissen.

Hatte ich. Denn sonst wäre er nicht gekommen. Pavel darf also auch gerne betrunken die Prüfung absolvieren, entsprechend ehrlich werden seine Antworten ausfallen. Das kennt ja jeder von sich, ich besonders von mir, betrunken sagt man schon einmal Dinge, die einem am Morgen danach Kopfschmerzen bereiten und einen zur Waffe greifen lassen.

Pavel und ich gehen in die Küche, er nimmt sich routiniert ein „Hansa“ aus dem Kühlschrank und ich stelle geschickt die erste Prüfungsfrage:

„Wie teuer war der Hansa-Träger im Aldi, wenn wir abends am Kanal saßen und uns volllaufen ließen?“

„Fünf Mark.“

Ich notiere seine korrekte Antwort: „Das war zum Warmwerden.“

„Es geht schon los?!“

„Ja.“

„So ein Schwachsinn, warum mache ich das hier eigentlich? Gleich noch ins ‚Scotti’s“?“

„Ganz sicher nicht.“

An dieser Stelle überrasche ich mit meiner alternativen Handlung für jene Leser, die auf die Prüfungsnummer keine Lust haben:

Und wieder kommt meine Mitbewohnerin beladen mit drei Orangen zu mir auf das Sofa. Sie sitzt nun da mit einem Messer, als ich zu ihr sage:

„Messer auf Sofa! Gefährlich!“

„Das ist doch nicht gefährlich!“

„Du weißt, dass ich oft falle. Und wie schnell fällt man dann mal in das Messer!“

„Soll ich die Apfelsinen mit einer Schere öffnen?!“

„Auch die wäre zu gefährlich. Schon mal in eine Schere gefallen?!“

Es klopft am Fenster. Ich sehe erschrocken Sigmar Gabriel draußen vor der Scheibe und öffne die Fenete: „Sigmar! Was denn?!“

„Seppo, ich würde gerne in deinem Blog vorab verkünden, dass ich für eine Kanzlerkandidatur nicht zur Verfügung stehe! Martin hat eh die besseren Chancen!“

„Okay, finde ich gut, ich mag den Martin, dem nehme ich ab, was er sagt. Aber dann verzichte auch auf den Parteivorsitz.“

„Und dann? Dann stehe ich ohne alles da. Das Wirtschaftsministerium langweilt mich, muss mich da immer mit dem Dobrindt anlegen und der ist völlig irre. Irrer als ich.“

„Mach Außenminister. Wäre zwar ein Debakel für unser Land, aber der Posten wird eh bald frei.“

„Okay, so machen wir es! Kannst es ja online verkünden, Seppo.“

„Fürchte, der ‚Stern‘ wird schneller sein …“

Ich schließe das Fenster und esse eine halbe Apfelrange, die man mir hingelegt hat.

Ich darf mich nun wieder um jene Leser kümmern, die sich für diese Prüfungsnummer interessieren.

„Pavel“, sage ich zu Pavel, „Pavel, reisen wir zurück in eine Episode meines Lebens, die sich im Kindergarten zutrug. Erzähle mir von dem großen Bargeldraub!“

Das ist eine provokante Frage, wie Pavel nun auch dem Leser und mir deutlich machen wird:

„Das ist eine provokante Frage, Seppo, denn es war ganz anders, als du mir alle paar Jahre auftischst.“

Vieles ist im seppolog so formuliert, dass es die Wahrheit verfehlt. Doch das meiste stimmt. Wie auch diese Geschichte, die Pavel von mir zu erzählen weiß. Ich muss da in etwa fünf Jahre alt gewesen sein. Damals gab es zur Adventszeit immer diese „Opferkästchen“, als das Wort „Opfer“ noch „Opfer“ bedeutete und keine Beleidigung war. Darin sammelte man Kleingeld, das man dann dem örtlichen Pfarrer übergab, der es hoffentlich dann an Opfer aller Art weitergegeben hat. Oder, wenn er schlau war, eingesackt. Aber übergeben wir das Wort an Pavel:

„Du hattest damals dein Opferkästchen, als es voll war, mit in die Kindergartengruppe gebracht und jedem ein paar Groschen gegeben.“

„Und warum tat ich das?“

„Du willst hören, weil du gönnerhaft warst, aber ich glaube, du warst einfach nur doof und hast nicht realisiert, dass man kein Bargeld verschenkt. Unsere Erzieherin, die man damals noch nicht so, sondern ‚Kindergärtnerin‘ genannt hatte, sah sich das Schauspiel viel zu lange an, bis deine Mutter dich abholen kam und dein leeres Opferkästchen sah, worauf sie panisch versuchte, das verschenkte Geld zurückzubekommen.“

„Korrekt. Warum gelang ihr das nicht?“

„Nun. Das weiß ich nicht.“

„Doch. Das weißt du.“

„Nein.“

„ICH KLAAAAAAGE DICH AN: DU WARST ES, DER HINTER MEINEM RÜCKEN …“

„Seppo, ich kann es nicht mehr hören. Ich war ein Kind!“

„HINTEEEER MEINEM RÜÜÜÜÜCKEN HAST DU DIE VON MIR BESCHENKTEN KINDER BESTOOOOHLEN! Und das ganze Geld für dich eingesackt!“

„Alter, das waren vielleicht 20 Mark!“

„Haben oder nicht haben, mein Freund! 20 Mark waren damals viel Geld! Und dass du weißt, dass es 20 Mark waren, beweist mir, dass du der Dieb der Opfergaben warst! Was zu beweisen war! Frage nicht vollumfänglich korrekt beantwortet!“

„Ich fand es schon albern, als es noch eine Prüfung war, jetzt wird es zum Tribunal?!“

Zurück in die alternative Handlung.

„Gucken wir Dschungelcamp oder ‚Arrested Developement‘? Ob Thomas Häßler rausfliegt? Wer ruft für den an?!“, frage ich meine Mitbewohnerin, die mit Orangen befüllt ist.

„Die Waliser.“

Und sie hat vielleicht nicht Unrecht. Nach dem Titelgewinn 1990 spielte Häßler, vor dem die neue ss-/ß-Regelung anders als vor Russland haltgemacht hatte, noch einige Jahre für Wales. Häßler wird nachgesagt, den Grundstein für den Titelgewinn der Europameisterschaft 2016 gelegt zu haben. Wales lebe hoch! Icke lebe hoch!

Wir entscheiden uns für Arrested Developement.

Die Haupthandlung wird fortgesetzt.

Was Pavel nicht zugeben möchte: Er wurde samt Kleingeldmünzen, denn Großgeldmünzen gibt es nicht, dann wenn Großgeld mit Geldscheinen gleichzusetzen ist, unter den Jacken hinter den Garderobenständern erwischt. Es war damals ein Riesenskandal. Da war zum einen der spendable Mini-Sebastian, der damals noch nicht auf ‚Seppo‘ hörte, zum anderen der raffgierige Dieb Pavel, der erstmals sein wahres Gesicht gezeigt hatte. Pavel weiß noch heute, wie man an Geld kommt. Und ich weiß noch heute, wie man es schnell loswird. Was aber auch wirklich einfacher ist. Es wird aber dann schwierig, wenn man keines mehr hat. Denkt man so! Denn auch das geht. Eine verrückte Welt, in der wir leben.

Die Prüfung wird weitergehen und vor allem weiter gehen. Steigen wir noch tiefer ein in mein Seelenleben und erfahren wir, wie gut Pavel mich wirklich kennt!


Einstweilen verbleibe ich mit Grüßen auf meiner Facebook-Seite!