dialog

Es war kommenden Freitag, als mein Gefährte Merugin mir ein kurioses, aber durchaus merugineskes Angebot macht:

„Seppo, alles in allem würde ich dir gerne ein modulares Gespräch anbieten.“

Als ich Merugin vor etwa einem Jahr kennengelernt hatte, war ich noch irritiert ob seiner Verhaltensweisen. Im Laufe der Cait gewöhnte ich mich daran, dass er eben etwas anders tickt, was ich erst einmal nicht per se schlecht finde, obwohl es durchaus anders tickende Menschen gibt, die im zu ihren Gunsten günstigsten Falle außerhalb meines Wahrnehmungsradius anders ticken. Merugin hingegen ist eine Bereicherung für mein Leben, da er die Dinge ausprobiert, von denen ich nicht einmal weiß, dass es sie gibt. Ein schönes Beispiel ist das Sitzen im Stehen, was ich prämerugin noch für undenkbar hielt. Ja, dieser Mann erweitert meine Engstirnigkeit.

Aber modulares Gespräch?!

„Merugin, muss ich dazu dabei sein?“

Denn inzwischen weiß ich, dass es sich bei etwa jeder dritten Idee Merugins um Zeitverschwendung handelt, was ich ihm aber keinesfalls anlaste, denn ich kenne das von mir beim Schreiben. Manch ein Leser fragt sich bei zirka jedem dritten Text von mir:

„Was will der Mann von mir, dass er mir wieder meine Zeit raubt?!“

Merugin: „Zu einem guten Gespräch gehören mindestens zwei Beteiligte.“

„Ich erlebe häufig aber auch Gespräche mit Unbeteiligten. Ich bin meist einer davon.“

Hörsturzbedingt höre ich links dezent weniger als rechts. In lauter Gesprächsatmosphäre, sagen wir mal auf musikuntermalten Partys, höre ich mitunter weniger als Durchschnittshörer, da ich die vielen Audioquellen nicht mehr voneinander trennen kann. Um dann nicht permanent „Bitte?“ von mir zu geben, riskiere ich schon mal ein „Ja“ als Antwort auf Verdacht. Manch einer mag das kennen, wenn man im weiteren Verlauf des Gespräches realisiert, dass ein „Nein“ wesentlich angemessener gewesen wäre. Beispielfrage:

„Leugnest du eigentlich den Holcaust?“ – „Ja.“

Puh. Schon steht man in der rechten Ecke, da zweifelsfrei hier die falsche Antwort gegeben wurde, weil ich den Holocaust nicht leugne.

„Das Beherrschen eines modularen Gespräches wird dir aber künftig sehr helfen, Seppo!“, lockt mich Merugin und ich ahne, dass ich die Sache abkürzen kann, wenn ich einfach mitspiele.

„Okay. Was ist zu tun?“

„Ein modulares Gespräch“, beginnt Merugin sein Tutorial, „setzt sich aus Modulen zusammen.“

„Textbausteine?“, frage ich, um Wissen zu prostituieren.

„Ja. Sogar der bessere Begriff.“

Prostitution gelungen! Merugin weiter:

„Wir unterhalten uns mittels Textbausteine. Wichtigste Regel: Diese dürfen nicht zueinander passen.“

„Als unterhielte ich mich mit Siri?“

„Besser.“

„Leg los.“

„Womit kann Trump das amerikanische Volk noch zusammenhalten?“

„Gehört das schon zum modularen Gespräch?“

„Ja.“

„Mit einem Ausreisestopp.“

„Seppo, die Module sollen nicht zueinander passen.“

Ich wollte nur diesen Scherz unterbringen. Merugin hat noch bis Freitag Zeyt, ihn zu verstehen. Dieser unterbricht meine Unterbrechung:

„Und das war natürlich ’ne knappe Nummer, weil niemand ahnen konnte, dass es ausgerechnet zu jenem Zeitpunkt dazu kommen sollte!“

Ich setze einen ratlosen Blick auf. Merugin zwinkert mir zu. Ich verstehe nicht, was er will. Glaube aber, ich muss zusammenhanglos antworten und tue mein bestes:

„Ja, aber ab einem gewissen Grad hat man den Eindruck, es platzen einem die Eier.“

„Wir buken kleine Muffins für den Kindergarten. Man macht sich keine Vorstellungen darüber, wie es da zugeht. Du löst innerhalb des Ofens so eine Öse, dahinter ist so eine Art Steckdose und da kannst du das Steinofen-Teil anschließen und schwupps – hast du einen Steinofen zuhause! Denk nur an den Regen!“

Langsam habe ich den Dreh raus und lege nach:

„Bei meinem ersten Tablet war das Gyroskop kaputt. Das hatte was Gutes. Denn erst seitdem weiß ich, dass es so etwas wie ein Gyroskop gibt.“

„Meine Tante betrieb Waterboarding. Darum auch diese überhastete Beerdigung meines Onkels.“

„Und während ich mit dem Staubsauger das Wohnzimmer saugte, fand ich noch Tannennadeln unter dem Sofa! Ende Januar! Steht denn die Welt Kopf?!“

„Sieht aus wie neu.“

„Mein Nasenhaartrimmer ging kaputt. Während des Gebrauchs. Das stimmt wohl. Da fiel ein kleiner Metallstab heraus und schon trimmte er nicht mehr. Ich nutze den Trimmer mehr für meinen Oberlippenbart als für die Nase, wenn ich mal ehrlich bin. Hab mir ’nen neuen bestellt. Gleiches Modell. Schön doof, eigentlich.“

„Ich kroch unter dem Auto hervor und war außer mir. Ich war froh, dass der Typ nicht schneller unterwegs war und einigermaßen früh gebremst hatte! Ich kochte vor Wut!“

„Nein, das war da vorher noch nicht. Komisch, gestern ging’s noch.“

„Der hat so ’ne Art an sich … man möchte kotzen.“

„Letztlich entscheidet ja was ganz anderes: nämlich die Tatsache, dass mir sehr wohl bewusst ist, dass sie intellektuell unterfickt ist.“

„Das Granulat ist in seinen Bestandteilen eigentlich derart groß, dass ich eher von Geröll als von Granulat sprechen würde.“

„Danach ging es erst richtig los.“

„Links, du musst links rum.“

„Was?! Links?!“

„Damit bist du raus, Seppo.“

„Ich bin raus?! Warum?“

„Dein Antwortmodul passte.“

„Man kann hier verlieren?! Warum darf das Modul denn nicht passen?!“

„Siris Antworten passen ja auch nicht.“

„Ich hab auch kein Siri. Ich hab ‚OK Google‘. Pass auf …“

Ich hole mein Smartphone aus meinem Smartpocket und sage zu dem Gerät:

„OK Google.“

Es reagiert nicht. Also schreie ich nun:

„OK GOOGLE!“

Es tut sich nach wie vor nichts, aber ich höre aus dem Wohnzimmer eine Frauenstimme, die sagt:

„Haben Sie etwas gesagt? Ich konnte Sie leider nicht verstehen.“

Merugin: „Wer war das?“

„Das war mein Tablet. Es reagiert anders als mein Handy recht zuverlässig auf ‚OK Google‘. Es reagiert auch oft, wenn wir fernsehen und jemand im Film etwas sagt, das ein bisschen wie ‚OK Google‘ klingt. Du ahnst, wie meine Mitbewohnerin und ich dabei jedes Mal aufschrecken.“

„Was klingt denn wie ‚OK Google‘ außer ‚OK Google‘?“

„‚Soufflé-Nudel‘. Es lief eine Kochshow.“

Merugin freut sich: „Siehst du, Fernseher und Tablet haben ein modulares Gespräch geführt.“

Ich beschließe, Merugin darüber in Kenntnis zu setzen, dass ich mein Einlassen auf sein modulares Gespräch als eine „dritte Idee“ bezeichne, also als reine Zeitverschwendung und ich nie auf die Idee kommen würde, meine Leser mit so einer Wirrung zu belästigen.

„Was ist der Zweck dieses modularen Gespräches?!“, frage ich ihn ganz unmodular.

„Du kannst dich unterhalten, ohne auf dein Gegenüber eingehen zu müssen. Gerade du als small talk-unfähig solltest doch die Vorteile dieses innovativen Vorgehens erkennen!“

Ganz Unrecht hat Merugin nicht. Mit modularen Gesprächen kann man peinliches Schweigen übertönen, ohne dem anderen zuhören zu müssen. Ich erwarte entsprechend modulare Kommentare von Euch!


Ich verbleibe einstweilen asozial auf meiner Facebook-Präsenz.