gutaufgestellt3

Alle bisherigen Teile, die zum Verständnis dieses Textes nicht zwingend notwendig, also nicht zwingwendig, sind: hier!

Wenn man nach Monaten der Arbeitslosigkeit einen Aufhebungsbescheid von der Bundesagentur für Arbeit in den Händen hält, ist das im Grunde ein gutes Zeichen. Als ich einen solchen im Dezember bekam, war der Grund die Aufnahme eines neuen Jobs. So schnell man in der Maschinerie der Arbeitsagentur landet, so schnell ist man auch wieder raus.

Bekommt man aber als Arbeitsloser einen Aufhebungsbescheid, ist das kein gutes Zeichen.

Post vom Arbeitsamt habe ich immer hochgradig nervös und untermalt von einer misslichen Stimmungslage geöffnet. Ich hatte nur wenig Hoffnung, dass man mir zum Geburtstag gratulieren wollte, da mich jenes Schreiben, um das es heute geht, exakt an jenem Ehrentag im August erreicht hatte, das zu allem Überfluss auch noch unangenehm umfangreich war. Als erstes sprang mir der fett gedruckte Betreff

Aufhebungsbescheid

ins Auge (in beide), was einer Erklärung bedurfte, die ich mir dann im Sitzen durchlas, was bei mir schon einem Nervenzusammenbruch gleichkommt.

Wegen der Aufnahme einer neuen Beschäftigung im Juli sei ich nicht mehr berechtigt, ALG zu beziehen. Das bereits für Juli ausgezahlte möge ich bitte umgehend zurücküberweisen. Täte ich das nicht, würden die Konsequenzen unerbittlich sein. Gut, so haben sie es nicht formuliert, aber die Rechtsbelehrung auf der Rückseite des Schriebs vermittelte mir genau diesen Eindruck.

Während andere Menschen nun erst einmal nachdenken würden, geriet ich in eine gewisse Panik, übersprang das Nachdenken und rief die „Hotline“ der Bundesagentur an, die ich in den darauffolgenden Wochen noch sehr oft anrufen sollte …

Reisen wir nun gemeinsam ins historische Präsens, um meine damals herrschende bedrückende Stimmung eindringlicher vermittelt zu bekommen. Zu vermittelt bekommen. Also, dass der Leser mit mir fühlt. Denn darum geht es hier doch, oder?! Zwinkerzwinkerkoil.

Eine wieder mal freundliche Dame – denn sie sind stets freundlich zu mir, da ich TV-Star bin (arbeitslos und unbekannt trotz Funk und Fernsehen) – erklärt mir, dass ich ja nun einen neuen Job und daher keinen Anspruch auf ALG I mehr habe und dass es ein Versäumnis meinerseits sei, das der BA nicht bereits im Juli mitgeteilt zu haben.

„Ich würde Herrn Weise persönlich mitteilen, dass ich keinen Job habe! Ich wäre ja froh, wenn, aber ich arbeite wirklich nicht!“

(Ich bettele darum, arbeitslos zu sein … seppoesk …)

„Ihre Krankenversicherung hat uns das aber genau so gemeldet. Bitte überweisen Sie zügig ihr Bezüge aus dem Monat Julei zurück!“

„Als ob ich die noch hätte!“

Ich also bar jeder Augustbezüge, das Amt bar jeden Bezugs zu meiner Realität. Ich erfahre, dass ich Widerspruch einlegen solle, googel im Netz (wo auch sonst?!) und lese Forenbeiträge von Menschen, die darüber diskutieren, wie man trotz Beschäftigungsverhältnis noch weiter ALG beziehen könnte. Ich habe da viel gelernt; eben auch, wie man widerspricht.

Hiermit widerspreche ich dem Aufhebungsbescheid vom xx.08.16 …

schreibe und unterschreibe ich also mit der Begründung:

Ich habe wirklich keinen neuen Job!

Widersprüche sind simpel. Entscheidend ist der Satz „Hiermit widerspreche ich …“. Damit ist man rechtlich auf einer sehr komfortablen Seite. Widersprechen kann Spaß machen!

Im Folgenden ziehen einige Tage ins Land, bis Ende August wieder Zahltag ist. Ich gucke auf mein Konto, das ohnehin nur noch Schatten seines selbst ist, und stelle fest: Das Amt zahlt nicht. Hochrot starre ich auf die Giro-Dürre und rechne nach, wie weit ich mit dem, was noch da ist, komme.

Als ich mich vom Kollaps wieder erholt habe, wähle ich die Servicenummer der Agentur an. Nenne meine Kunden-, meine Sozialversicherungsnummer sowie mein Geburtsdatum

„Ach! Sie hatten ja gerade Geburtstag! Alles Gute nachträglich, Herr … äh … Flotho!“

und sage dann, was ich immer sage:

„Sie sehen ja sicher auf Ihrem Bildschirm, was Sache ist.“

„Ich sehe hier Ihr Widerspruchsschreiben, ja. Okay. Und?“

„Ich habe nach wie vor keinen Job und es ist finanziell etwas ungünstig bei mir, da für den August kein Geld gekommen ist.“

„Ja. Sie haben ja auch eine neue Stelle!“

„Habe ich eben nicht! Darum widersprach ich ja! Was ist nun zu tun? Wie kann ich beweisen, dass ich keinen Job habe?“

An dieser Stelle muss ich leider das eine oder andere auslassen, da es zum einen sehr kompliziert wird und zum anderen auch wahnsinnig uninteressant. Man verspricht mir letztlich, dass man mir bald das fehlende Geld überwüse …

„Wenn wir Ihren Widerspruch bearbeitet haben“, fügt die abermals freundliche Dame allerdings hinzu.

Denn das habe ich gelernt: Während der betroffene Arbeitslose immer schleunigst auf jedes Zucken der Agentur reagieren muss, verhält es sich umgekehrt deutlich träger: Briefe vom Arbeitsnachfragenden landen zunächst in der Poststelle der Agentur, wo dann sortiert wird. Bis es aber nicht nur gelesen, sondern auch wahrgenommen wird, können Wochen vergehen.

Ich werfe das der Behörde keineswegs vor, denn sie bekommt ja sicherlich eine Menge Post. Wenn aber jemandem ohne Einkommen (mir) nicht einmal das ALG zuteilwird, bricht sich ja durchaus nach einigen Monaten eine gewisse Not Bahn.

Da ich sehr vermögend bin, steinreich, bin ich vor Hungerleid gefeit, auch Miet- oder Stromzahlungen sind nicht gefährdet. Eine gewisse Luxussituation, die mich ruhig bleiben lässt. Doch was geschieht eigentlich, wenn jemand, der seinen Dispo schon schwerst überzogen hat, plötzlich wegen eines Formfehlers kein ALG mehr erhält?! Dieser Gedanke macht mich rasend.

Ihren Höhepunkt erreicht meine Raserei Ende September. Mir fehlen bereits zwei ALG-Zahlungen. Die Nummer der Hotline kenne ich schon auswendig, was gar nicht nottäte, da ich sie bereits auf Kurzwahltaste 2 eingespeichert habe. Auf Taste 3 liegt die Nummer meiner Krankenversicherung, die ich in meine Situation inzwischen ebenfalls eingebunden habe. Man kennt mich dort nun, da ich dort oft anrufe; es gibt eine Ablage S.

Erstmals erlebt meine Mitbewohnerin mich tobend. Ich begreife nicht, warum das Amt wiederum nicht begreift, dass ich ein (inzwischen stolzer) Arbeitsloser bin, dessen Geldpolster empfindlich abgesessen ist. Meine permanenten Anrufe bringen im Grunde weder mich noch die Menschheit weiter, Galgenhumor macht sich breit; innerlich verabschiede ich mich aus dem Erwerbsleben und sehe mich bereits als staatenloser Einsiedler, als Waldschrat.

Mitte Oktober resigniere ich und habe keine Lust mehr, bei der Agentur anzurufen. Mir ist es nun auch irgendwie egal. Denn ein Gutes hat die Sache: Da der Staat mich in Brot und Lohn (bitte wenden) wähnt, belästigt er mich auch nicht mehr mit Zwangsstellenangeboten, auf die ich mich zu bewerben habe. Ich bewege mich zwischen zwei Welten: nicht erwerbstätig, aber auch nicht arbeitslos. Mitunter gerate ich nachts in Panik und denke darüber nach, ob der Staat mich tilgen möchte, ich vielleicht bald gar nicht mehr vorhanden bin. Krankenversichert aber bin ich durchaus noch, auch wenn mir inzwischen nicht mehr klar ist, wer meine Beiträge eigentlich zahlt. Um es zu testen, breche ich mir mutwillig den Arm …

Große Freude im goldenen Oktober! Die Agentur für arbeitslose Vollbeschäftigte scheißt mich mit Geld zu! Der Leser möge den Ausdruck verzeihen, aber lange Zeit hatte ich nicht mehr so viel Geld auf meinem Konto der Sparkasse Münsterland West, der ich treu bleibe bis zum Lebensende, unabhängig davon, ob irgendwelche Gebühren weiter steigen. Dieses Bank-Hopping lehne ich ab, als ob man irgendwo etwas geschenkt bekommt!

Gleiches (stoisches) Verhalten übrigens bringt Stauforschern zufolge die größten Erfolge für Autofahrer im Stau. Soll heißen: Spurwechsler im Stau verursachen noch mehr Stau, Stauumfahrende landen im nächsten Stau, während der „Sture“ am schnellsten zum Ziel kommt. Er fährt jeden Tag unbekümmert dieselbe Strecke, schenkt etwaigen Staumeldungen keine Aufmerksamkeit. Das bin ich. Ich zitiere eine seriöse Quelle:

Zu ihnen gehört die kleine Untergruppe der „Stoiker“, die nicht nur Staumeldungen in den Wind schlagen, sondern auch immer stur die gleiche Route zum Ziel fahren. Sie machen es offenbar richtig. Sie kommen jedenfalls am schnellsten an, hat der Wissenschaftler herausgefunden.

Wieder einmal wird meine Lebensweise hier bestätigt, die ich schon bei der Wahl meiner Oberstufen-Leistungskurse an den Tag legte. Und nun bin ich da, wo ich hin wollte …

Einen alten Baum verpflanzt man nicht, sage ich mir schon, seit ich 20 bin. Ein Mann der Prinzipien – jetzt auch mit Geld! Die fehlenden Monate wurden inklusive Oktober ausbezahlt und ich bekomme wieder Zwangsstellenangebote, auf die ich mich fleißig und sehr ernstgemeint bewerbe.

Auch in diesem dritten Teil der heiteren Serie betone ich, dass es einen Unterschied zwischen Jobcenter und „Arbeitsamt“ gibt. Ein Jobcenter habe ich zum Glück nie von innen gesehen. Des Weiteren hebe ich hervor, dass ein Missverständnis die Ursache der ausgebliebenen Zahlungen war, das ich aber bis heute nicht verstanden habe. Dennoch würde ich keinesfalls von „Schuld“ sprechen. Es ist leider so bei großen Systemen oder Apparaten: Sie sind fehleranfällig und schnell steht man völlig hilflos einer Maschinerie gegenüber und weiß sich nicht zu wehren.

Inzwischen habe ich tatsächlich wieder einen Job. Aber aus irgendeinem Grunde zahlt die Agentur immer noch. Ich habe ihr bereits einen Aufhebungsbescheid zukommen lassen, während sie permanent bei mir anruft. Meine Nummer sei dort bereits auf der Kurzwahl 2 gespeichert …


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