seppofit11

Eine Woche Eiweiß-Herausforderung liegt nun hinter sowie in mir und drei Dinge kann ich schon einmal bilanzieren:

  1. Ich verliere an Gewicht.
  2. Ich verliere häufiger als sonst an Urin.
  3. Und naja, eben auch an, na, Sie wissen schon.

Pro Kilogramm muss ich etwa ein bis zwei Gramm Eiweiß am Tag zu mir nehmen (dem nichtsportlichen Menschen, dem „wenig aktiven“, werden 0,8 Gramm ans Herz gelegt). Vor einer Woche waren das somit pro Tag 75 bis 150 Gramm. Am Tag! Inzwischen sind es 73 beziehungsweise 146.

Und ich verstehe nun, warum zum Beispiel Bodybuilder auf Eiweiß-Konzentrate setzen, derer es sinnvolle, aber auch tatsächlich gesundheitsschädliche zu kaufen gibt. Hardcore-Bodybuilder müssen nämlich bis zu fünf Gramm pro Kilogramm Körpergewicht zu sich nehmen, was über die normale Ernährung kaum noch möglich ist, denn ein Ei der Größe M fährt beispielsweise 7,41 Gramm Eiweiß auf: Ich müsste somit mehr als zehn Eier am Tag essen, würde ich den Bedarf lediglich über diese decken wollen. Aber es gibt ja zum Glück noch meinen Magerquark, den ich heute schon nicht mehr sehen kann. Also sehen kann ich ihn schon, er steht ja vor mir. Habe ihn mir gerade mit Agaven-Dicksaft und Milch angerührt, danach mit Erdbeeren, Kirschen und Himbeeren versehen, garniert mit je einer Kiwi und einer Banane. Mit anderen Worten, es ist im Wesentlichen unfassbar gesund, was ich mir jeden Vormittag reinschaufele, sofern man nicht mit Molkerei-Produkten, die ja nun mal tierisch sind, auf dem Kriegsfuß steht, da es ja gerade Trend wird, davon auszugehen, dass der Mensch an sich artfremde Muttermilch nicht zu sich nehmen dürfte. Aber die Vorstellung, meine Mutter anzurufen, weil ich den Rohstoff für Magerquark … ich führe diesen Gedanken nicht zu Ende.

Dann lieber Kuh, wohl wissend, dass es noch andere Quellen von Eiweißen gibt. Aber Quark, wenn mager, ist eben wahnsinnig gesund und regt alles an. Aber auch wirklich alles. Mein Magen ist generell hart im Nehmen, er muckt im Grunde nie auf. Doch kaum esse ich mal gesund, rumort er rum. Was aber in Ordnung ist, er wird sich daran gewöhnen müssen, so wie sich mein Gesicht an die falsch eingestellte neue Brille. Inzwischen tun die Druckstellen auf der Nase und hinter den Ohren nicht mehr weh. Sie bluten nun schmerzfrei.

In meinen Rezeptbüchern, die sich an hippe Sportler richten, steht grundsätzlich, dass all die enthaltenden Rezepte zügig umsetzbar sind. Und man möchte ja auch gerne glauben, dass sich ein Magerquark schnell anrühren lässt. Doch diese Rezepte verschweigen konsequent, dass Grobmotoriker wie ich für alles deutlich länger brauchen.

Das Befüllen meines Quarks in mein Quark-Behältnis (eine Dose mit Weichmachern, die mir wie Plastiktüten egal sind) läuft noch relativ reibungslos ohne erwähnenswerte Zwischenfälle ab. Doch meine Mitbewohnerin, die sich das eben wie auch die vergangenen Tage morgens mit angesehen hat, guckt schon kritisch drein, wenn ich den Mixer anwerfe, um Milch und Quark zu vereinen. Denn sie weiß schon vorher, dass ich nachher Teile der Küche von Quark befreien muss.

„Du könntest es ja mal mit dem Pürierstab versuchen“, riet sie mir eben.

„Ich hab keine Lust, nachher den Pürierstab sauberzumachen. Ich halte einfach jetzt meine Hand darüber, dann spritzt es nicht an die Wand. Und nicht auf den Boden.“

Sagt man so leicht daher. Doch ich habe die Rechnung ohne das Kiwi-Stück gemacht, das zwischen die Fronten der Rührstäbe geriet, sich verfing, mit Energie aufgeladen wurde, um dann vom rechten Stab durch die Küche geschleudert zu werden.

„Wo isses hin?!“, fragte ich bass erstaunt.

„Es klebt an Charlie Chaplin“, sie trocken.

In unserer Küche hängt Charlie Chaplin. Als Bild, nicht als Original. Klebt jetzt ein Stück Kiwi dran. Erklärte es zu Kunst. Bei Ikea für 19 Euro gekauft, Wiederverkaufswert durch Kiwi-Installation: 25 Euro.

Bis der Quark mit allen Zutaten versehen – Ich habe eben die Haferflocken vergessen! Verdammich! – und die Küche wieder geputzt, vergehen rund 20 Minuten. Für Quark. Magerquark. Von wegen „blitzschnelles Fitness-Frühstück“!

So blitzschnell ich ihn zubereitet habe, so langsam wird er gegessen. Um zirka elf Uhr öffne ich die Dose im Büro und löffele die seltsame Masse über etwa fünf Stunden verteilt, was ich ebenfalls für gnadenlos gesund halte, das aber eher darin begründet ist, dass ich nach einer Woche nicht mehr viel Elan habe, ihn überhaupt einzunehmen. Doch auch die noch ungeöffneten Quark-Packungen in meinem Kühlschrank sollten nicht meine eiserne Verbissenheit unterschätzen, denn ich sehe nicht, dass ich diese proteinreiche Ernährung in den nächsten Tagen einstellen werde. Diese Versuchsreihe wird sich über Wochen ziehen, da ich ja jetzt schon die ersten Erfolge ernte und ohnehin niemals zuvor derart gesund gegessen habe, nehme ich die Ära aus, in der meine Mutter noch für mich gekocht hatte.

Da ich drei Semester Ernährungswissenschaften studiert habe, weiß ich aber auch um den „Umgo“-Effekt, der mir zum Verhängnis werden könnte: Isst man jahrelang ungesund, kann der Körper unberechenbar reagieren, wenn man plötzlich meint, vom gewohnten Schema abweichen zu müssen. Das, was ich für gesund halte, ist für meinen Körper ein Fremdkörper, den er abstößt oder unter dessen Last er kollabieren kann. Die enorme Urinier-Tätigkeit ist ein erstes Anzeichen. Mir ist völlig schleierhaft, wann ich jemals so viel getrunken haben soll, wie derzeit rauskommt. Aber es fühlt sich gut an; ich komme jedes Mal mit einem selbstzufriedenen Lächeln auf den Lippen von der Toilette.

Meinen Eiweißbedarf decke ich nicht nur über Kühe, sondern auch über Hühner. Ich entwickele mich zu einem Omelett-Fachperten. Nachdem mir die ersten Versuche zuverlässig in der Pfanne verbrannt waren, weiß ich nun, wie man es anstellt, dass das Omelett serviert wie ein Kuchen aussieht. Übrigens, Eier sind nicht für erhöhte Cholesterinwerte verantwortlich, nach wie vor ist das ein hartnäckiger Mythos. Ich komme also auf etwa vier Eier am Tag, mein Darm hisst inzwischen die (ei)weiße Flagge.

Ich gebe hier keine Ernährungstipps, nur so viel: Nebenbei ist darauf zu achten, dass man nach wie vor Fette, Ballaststoffe und das ganze andere Gedöns zu sich nimmt. Vitamine, Mineralien und so weiter, das ist ja bekannt, das tue ich auch, aber der Schwerpunkt liegt auf Kohlenhydrate-Reduktion und erhöhter Proteinzufuhr, um dem Sport gerecht zu werden.

Heute Abend wird allerdings etwas eifreies zubereitet, nämlich das Äußere vom Ei, ein Huhn namentlich, mit einer Melange aus Gemüse. „Melange“ klingt in dem Zusammenhang einfach locker, leicht und verschleiert die eigentliche Armseligkeit dieser Mahlzeit, da ich es gerade freitagabends gewohnt bin, ein Menü aus mehreren tausend Kilokalorien zu mir zu nehmen. Auch diese Tage sind nun erst einmal gezählt, da ich mich gerade so wahnsinnig fit fühle.


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Vermutlich wird es Fotos der entsprechenden Speise heute Abend auf meiner Facebook-Seite geben. Und weil dieses ja ohnehin niemand mehr liest, verrate ich exklusiv hier, dass es auch Kartoffeln geben wird!