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„Das wird doch ’ne Käsekuchenpizza!“, sage ich laut und für alle vernehmbar am Samstagabend in meiner leeren Küche, da meine Mitbewohnerin mich zum Strohwitwer gemacht hat. Ich rede auch gerne unabhängig von Publikum, was es auch einfacher für mich macht, da ich selbst am besten weiß, was ich am liebsten von mir höre.

Ich habe mich selbst bislang erst einmal mit einem Shitstorm in Folge einer unüberlegten Äußerung meinerseits überzogen. Ich erinnere mich noch gut, wie ich mal im Wohnzimmer zu mir sagte:

„Das hätte es früher bei uns nicht gegeben!“

Was habe ich mich für diesen Altnazispruch mit Hasskommentaren überflutet! Obwohl sich meine Äußerung lediglich auf Hasskommentare im Internet bezogen hatte.

Ich komme mir vor wie ein Veganer, der allerdings Fünfe gerade sein lässt, als ich den Magerquark mit vier Eiern verrühre, obwohl das Rezept von „verquirlen“ spricht.

„Was zur Hölle heißt ‚verquirlen‘?!“

Vermutlich nichts anderes als „verrühren“. Ich gehe aber auf die sichere Nummer und wähle die meiner Eltern.

„… Flotho?“

„Hallo. Ich bin’s!“, eröffne ich das Telefonat mit meinem Vater.

„Hallo“, kommt zurück.

„Ist Mama da?“

„Wer ist denn da?!“

„Ich bin’s.“

„Wer ist ‚ich‘?!“

„Dein Sohn!“

„Ach! Sag das doch. Ja, Mama ist da. Moment.“

Ich überlege, ob er weiß, welcher seiner beiden Söhne gerade mit ihm telefoniert hat … und höre, wie er laut nach meiner Mutter ruft. Diese höre ich sagen: „Ich sitze doch neben dir!“

Sie übernimmt den Telefonhörer: „Geht’s dir gut?“

„Ja. Nicht immer, wenn ich anrufe, bin ich vorher auf mein Gesicht gefallen! Ich mache gerade eine Art Pizza. Ich soll Eier mit Quark verquirlen. Was heißt ‚verquirlen‘?“

„Umrühren.“

„Ach so. Dann sollten sie das auch so schreiben. Ach ja, und wo ich dich gerade dranhabe: Wie viel ist eine Prise?!“

„Na, ein Bisschen eben. Eigentlich hatten wir gehofft, dich etwas selbständiger in die Welt entlassen zu haben.“

„Ich komme am elften nach Münster“, sage ich noch und wir verlieren uns in Belanglosigkeiten. Wieder ein Nachbar verstorben zum Beispiel oder die Frau Hemke, die könne nicht mehr richtig gehen. Ich verschweige, dass ich gar nicht weiß, wer Frau Hemke ist, da ich ja jetzt schleunigst Ei und Quark verquirlen will.

Erst später erfahre ich, dass man zum Verquirlen einen Quirl benutzt. Ich weiß natürlich nicht, was das ist und damit auch nicht, ob wir so etwas im Haushalt haben. Also verquirle ich mit einem Schneebesen, was vermutlich mit Verquirlen dann schon nichts mehr zu tun hat, füge Emmentaler hinzu und entscheide mich für meinen Handmixer, da ich zwischenbilanziere, dass diese Masse vor mir in der Schüssel nicht ansatzweise nach etwas aussieht, was einem Teig auch nur nahekommt.

Ich finde, Männer sollten motorisiert verquirlen. Ich will auch kein herkömmliches Nudelholz, ich will eines mit Motor!

Doch es wird nicht besser. Aus vier Eiern, wie vom Rezept vorgegeben, werden erst fünf, dann sieben, dann zehn Eier. So langsam entwickelt sich dann auch aus der Ursuppe eine teigähnliche Masse, die ich nun auf das Blech verteile.

„Verdammich, es reicht nicht!“

Das Blech ist in Teilen nur benetzt, ich entscheide also, die Lücken mit weiteren Eiern zu füllen und freunde mich mit dem Gedanken an, dass ich gerade etwas zubereite, was mit einer Pizza nichts mehr zu tun hat.

Aber darum geht es ja auch irgendwie, da ich derzeit große Erfolge mit meiner Proteinernährung feiere. Sowohl in Bezug auf Muskelzuwachs als auch auf mein Gewicht, das mir in den vergangenen Monaten etwas nach oben entglitten ist. Diese Gewichtsabnahme war aber nie Ziel, sie kam durch den gleichzeitigen Verzicht auf Kohlenhydrate. Und auch der hatte sich lediglich ergeben, jetzt erst forciere ich ihn auch. Inzwischen habe ich Angst vor Brot.

Nun ist das aber auch kein Dogma für mich, keine Doktrin und auch keine Religion. Wenn ich beispielsweise jemanden sehe, der Brot isst, denke ich nicht: „Fettsack!“ Es berührt mich nicht. Wobei, als ich gestern den Münster-„Tatort“ einschaltete, der dieses Mal die Handlung mitsamt neuer Darsteller nach Luzern verlagert hat, sah ich dort jemanden ein Kartoffelprodukt essen und sagte zu meiner wieder anwesenden Mitbewohnerin:

„Da! Kohlenhydrate! Dickmacher!“

Bin also doch ein Carbnazi!

Zurück zu meiner alternativen Pizza, die zunächst ohne Belag im Ofen schmoren muss. 20 Minuten laut Rezept, aber dasselbe Rezept hatte auch nicht zwölf Eier vorgesehen.

Mein „Teig“ fristet 50 Minuten bei knapp 200 Grad sein Aufgehen und das tut er tatsächlich! Das Ding geht hoch! Ich steche mit einer Gabel rein, breche ein Stückchen heraus, koste und stelle fest, dass es wirklich die Konsistenz von Teig hat! Begeisterung bricht sich Bahn! Seppo kocht! Nein, er backt! Er backt mit Erfolg! Er ist vielleicht ein verkappter Bäcker!

Die selbstgemachte Pizzasauce schmeckt köstlich, ich kippe sie über den Teig, verstreiche sie und lasse das noch nicht fertige Gesamtwerk etwa 20 Minuten im Ofen. Dann kommen Serranoschinken und Rucola-Käse drauf, eine von mir patentierte Innovation, denn normaler Käse – abgesehen vom Emmentaler im Teig – kommt nicht auf diese Pizza. Ebenso wenig wie Salami oder all das andere Gedöns.

Pizza und Burger gehören zu den Dingen, mit denen man mich für einen Abend lang glücklich machen kann. Aber eben auch schwerleibig. Habe ich hier vielleicht eine niedrigkalorige Alternative gefunden?

Nach weiteren 20 Minuten ist sie so weit: Sie ist fertig und sie duftet sensationell.

Es wird nun Cait für Ernüchterung. Dieses Hochjubeln bis hier hin kann ja nur ein dramaturgischer Kniff gewesen sein! Denn:

Der Teig hat offenbar seinen Genusshöhepunkt hinter sich. Er ist eingefallen und eine Symbiose (=Suppe) mit der Sauce eingegangen. Der Serranoschinken schmeckt hingegen grandios, der Rucola halt nach … nach Laub.

Ich esse das komplette Blech. Und ich muss sagen, es schmeckt. Nicht das Blech, die Pizza. Gut, nicht nach klassischer Pizza, aber halt nach irgend etwas, das irgendwie gut schmeckt. Und vor allem: Dieses Generikum einer Pizza sättigt plötzlich und gewaltig. Ich fühle mich von der Eiweißbombe praktisch oral vergewaltigt und ahne, dass sie es anal noch einmal wiederholen wird.

Jetzt, zwei Tage später, bilanziere ich: Sie war gut, aber die nächste Variante wird mit Eiweißpulver getestet. Ich bin mir nicht sicher, ob ich so etwas meiner Mitbewohnerin antun dürfte. Dennoch, ich bereue nichts, ich habe etwas ausprobiert und das werde ich fortsetzen. Gestern folgte ein köstliches Gericht, das auf Hühnern und einer Beilage aus etwa zehn Paprikas und 30 Kirschtomaten basierte. Und auf Chilischoten. Natürlich zu vielen.

Nicht mehr gekommen bin ich leider zu den Protein-Pfannkuchen, die es nun erst am kommenden Freitag geben wird.

Derweil wurde ich gewarnt vor den Folgen einer erhöhten Eiweißzunahme. Ich darf beruhigen, es geht da um die Purine, die für Gichtanfälle verantwortlich gemacht werden können. Ich setze auf purinarmes Eiweiß und harre der Dinge, die da kommen. Fitter fühlte ich mich aber nie!

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Und wie das dann am Sonntag ausgeschieden aussah, sehen wir auf meiner Facebook-Seite!