Halten wir die Neuleser nicht lange mit der Vorgeschichte auf, die sich erschreckend knapp zusammenfassen lässt, da ich lediglich erwähnen muss, dass meine Mitbewohnerin und ich Lara besuchen, die zwei Etagen über uns wohnt, um ihrem Leben ein Ende zu setzen. Wer den genauen Hergang bis hier hin studieren mag, der ist hier gerne willkommen.

Doch warum eigentlich wollen wir unsere blonde und üppigbusige Nachbarin des Diesseits verweisen? Mord ohne Motiv ist womöglich gar kein Mord und was soll Kriminalhauptkommissar Ordophob Ohßem finden, während er ein Motiv für die Ereignisse sucht. Denn: Lara ist bereits tot und in dieser auf einer wahren Begebenheit beruhenden Geschichte erfährt der voyeuristische Leser, wie genau es dazu gekommen ist. Doch unser Motiv ist klar. Motive, denn meine Mitbewohnerin tut es aus purer Ablehnung gegenüber Lara, während ich sie aus meinem Universum entsorgen will, da sie „nicht mehr zieht“. Unvergessen die Zeiten, als Lara-Geschichten ein Garant für hohe Klick- und Like-Zahlen waren, als der Leser noch nach knisternder Erotik gierte. Doch zu viel ist geschehen in der Welt, das nicht mehr auf die leichte Schulter genommen werden kann: Brexit, Trump, AfD, Altersarmut, Armreichschere, Arbeitslosenheer, rote Laterne, kranker Mann Europas, Wilders, Le Pen, Goldene Kamera und Sturmtief Thomas. In solch unruhigen Zeiten, in denen die Autokratie ihre Blütezeit erlebt, ist für so einen Unsinn wie Lara kein Platz mehr. Weg mit Lara!

Genau diese kommt gerade wieder zurück in die Küche, nachdem sie ihr geplatztes Brustimplantat notdürftig mit Sprühpflaster geflickt hat.

„Warum lachst du so hämisch?“, fragt sie meine Mitbewohnerin, die hier an den Cliffhanger des zweiten Teiles dieser Mordserie anknüpft, wo sie hämisch auflachte.

„Äh, ich lache, weil ich mich so freue, dich zu sehen. Und mein Hämoglobinspiegel ist leicht erhöht, das hörst du offenbar aus meinem eigentlich sehr ehrlichen Lachen heraus!“, erklärt meine Mitbewohnerin ihr das hämische Lachen.

Das Dolle an Lara ist ja, dass sie auf der einen Seite irgendwie clever ist, auf der anderen aber sehr naiv, sodass sie die etwas holprige Erklärung schluckt.

„Ah, ja, das ergibt Sinn! Supi! Hoher Hämaglophinspiegel! Glückwunsch! Aber warum eigentlich seid ihr hier? Seppo, du schriebst, es gebe was Besonderes?“

Oh, das habe ich wohl getan. Einigermaßen unüberlegt. Ich muss also improvisieren:

„Lara, folgendes. Es ist, als wäre es gestern gewesen, dass du vor meiner Tür standest. Du wusstest damals nicht, in welcher Etage du wohnst.“

„Ich weiß es bis heute nicht.“

„Das dachte ich mir. Aber darum gibt es ja Namensschilder an Wohnungstüren. Wie dem auch sei, du hattest mir damals sehr geholfen nach meiner Leistebruch-OP. Jetzt, wenig caitnah, nach fast zwei Jahren wollten wir uns daher bei dir bedanken. Wir sind wahnsinnig spontan.“

Du vor allem“, ergänzt meine Mitbewohnerin, abermals mit hohem Hämoglobinspiegel.

„Was soll das nun heißen?!“, ich erbost.

„Nein, du hast ja Recht, du bist extrem spontan“, gibt sie clain bey, während Lara sich freut.

„Supi! Ich helfe immer gerne!“

Derweil erspähe ich in Laras Küche neben dem Joghurtmacher eine geheimnisvolle Maschine.

„Was ist das da? Ein Fleischwolf?!“

„Nein, das ist mein neuer Thermomix ™!“

„Weil sie zu blöd zum Kochen ist. Aber Hauptsache Riesentitten“, flüstert mir meine Mitbewohnerin zu. Lara:

„Ich krieg’s irgendwie nicht hin, selbst zu kochen. Habe Probleme, Wasser in Töpfe reinzukriegen. Die meisten Töpfe haben ja einen Deckel und ich finde nie das Loch fürs Wasser!“

Mich interessiert nun das Naheliegende: „Und wie schläfst du mit Männern?“

Lara: „Meist kriege ich das wegen der K.O.-Tropfen nicht mit. Ich habe aber auch keinen Deckel. Hihi!“

„Grundgütiger“, entfleucht es meiner Mitbewohnerin.

„Dabei fällt mir ein, Seppo: Hatten wir schon einmal Sex?“, erkundigt sich Lara.

Ich, bass erstaunt: „Was?! Nein!“

Lara: „Du guckst mich immer so lüstern an, dachte ja nur.“

„Lara, folgende Situation: So ein Thermomix ™ ist ja im Grunde wie ein Auto.“

Lara: „Hihi. Auto.“

Meine Mitbewohnerin: „Was ist daran jetzt so lustig?!“

Lara: „Alles, was Seppo sagt, ist im Zweifel lustig! War das gerade gar nicht lustig gemeint?!“

Meine Mitbewohnerin: „Das glaubt er auch manchmal. Eigentlich würdet ihr gut zusammenpassen.“

„Also, Lara, das war nicht lustig gemeint. Ich wollte nur sagen, so wie man manchmal den Ölstand überprüfen muss-“

„Ölstand! Hihi!“

„Nein, auch das war kein Witz. So wie man also den Ölstand eines Autos überprüfen muss, muss man auch den des Thermomix‘ ™ im Auge behalten!“, erkläre ich bei gleichzeitigem Lügen, obwohl ich nicht ausschließen kann, dass das tatsächlich der Fall ist.

Lara: „Oh, das wusste ich nicht!“

Ich: „Wer kann das auch schon ahnen!“

Lara: „Ich habe gar kein Auto. Wir müssen nichts überprüfen!“

Ich: „Ich meine ja auch den Thermo- also ist es die Möglichkeit?!“

Meine Mitbewohnerin: „Ja, schwere Geburt. Ich kürze mal ab: Lara, check mal den Ölstand deines Thermomix‘ ™!“

Lara, bass blöd: „Und wie?“

Wir machen ihr also ausführlich weis, dass sie dazu nur den Deckel des Kochautomaten öffnen und dann ganz unten im Kochbehältnis ein kleines Sichtfenster suchen muss.

Meine Mitbewohnerin gibt der Todgeweihten noch einen Tipp mit: „So übrigens befüllt man auch ganz normale Töpfe. Ich sag’s nur.“

Lara öffnet den Deckel des Gerätes mit „Guided-Cooking-Funktion“ und:

„Sehe nichts. Dunkel.“

„Hm, tiefer rein, Lara!“, feuert meine Mitbewohnerin sie an. Diese steckt nun mit ihrem Kopf komplett 2,2 Liter fassenden „Mix-Topf“, sodass ich zügig auf dem Display die Guided-Cooking-Funktion anwähle, die durch die Zubereitung vieler Rezepte führt. Ich wähle „Rührei“ und tappe auf „Start“, während Lara noch ruft:

„Hier liegt noch ein Stück-“

Doch die Rühr- und Mixfunktion tut ihr Übrigens. Das Letzte, was wir von Lara hören, kurz bevor ihr Kopf zerhackstückt wird, ist:

„Upsi!“

Danach sackt ihr Körper zusammen, nur von einigen Halswirbeln am gerührten Kopf gehalten. Der Thermomix ™ gibt ein „Ping“ von sich, ein Lämpchen leuchtet grün auf und auf dem Display erscheint: „Guten Appetit! Ihr Gericht ist nun servierbereit!“

„So, das ging ja irgendwie zügig“, sage ich zu meiner Mitbewohnerin, deren Augen strahlen, „Ich frage mich, was wir getan hätten, wenn Lara keinen Thermomix ™, sondern so einen Langsamkocher wie Sabrina gehabt hätte.“

Sabrina USA ist eine aus den USA bekannte low carb-Köchin.

„Wir hätten Lara dann eben sehr langsam gekocht. Sie hätte es erst kurz vorm Siedepunkt bemerkt“, meine Mitbewohnerin.

„Ich glaube, Langsamkocher kochen nicht bis zum Siedepunkt.“

„Das hätte aber Lara nicht gewusst.“

Zügig verlassen wir den Tatort. Und wie das kriminelle Pärchen so tun, schlafen wir nach der Untat hochgradig erregt miteinander. Wieder in unserem Wohnzimmer sitzend hören wir unseren Nachbarn Herrn Fahrgescheit durch das Haus rufen:

„Das Fräulein Ungern ist gar!“

 

Was hier nachgelesen werden kann. Zu einem späteren Zeitpunkt werden wir Abschied von Lara nehmen, wenn der Deckel, dieses Mal der eines Sarges, zugeklappt wird.

Lest auch gerne das Exklusivinterview mit Lara zu ihrem Tod!