Ich stecke permanent in Abofallen. Nicht aber in solchen, die einem digital im Netz gelegt werden, sondern in solchen der Printverlage. Das liegt daran, dass ich ein gesteigertes Interesse an Printmedien habe und im Grunde jede Zeitschrift und -ung kennen will, wobei ich den „Landser“ (aus dem Baur-Verlag, 2013 eingestellt) und die „Jagd & Hund“ ausgelassen habe, obwohl ich Hunde mag, sie daher aber nicht jagen würde.

Das Testen von Magazinen läuft bei mir gerne über Probeabos, die sich in aller Regel natürlich automatisch verlängern, wenn man nicht früh genug kündigt. Nicht so übrigens bei der „le monde diplomatique“ (deutsche Ausgabe freilich), die zu lesen mir einen elitären Anstrich verleiht, wobei sie mir zu links ist. Viel zu links. Unerträglich links.

Über ein Probeabo geriet ich dereinst an das unleidliche und inzwischen auch ins Straucheln geratene Blatt „Neon“, einen Ableger vom „Stern“, der ihn bereits „relauncht“ hat, um ihn zu retten, nachdem die Redaktion von München nach Hamburg ziehen musste, was auch für „Nido“ (nicht gelesen) zum Problem geworden ist. Nido wird aber nun auch vom Stern relauncht. Nido will jetzt anders sein. Vorher nicht?!

Die Neon richtet sich zunächst einmal, so war mein Eindruck, an hippe, junge Leute, die sich für hipp halten und darum selbstgestrickte Schals tragen – winters wie sommers. „Eigentlich sollten wir erwachsen werden“, war entsprechend einmal ihr Untertitel. Neon-Leser halten sich für besonders tolerant, weltoffen und lehnen alles Spießige ab. Darauf verwenden sie dermaßen viel Energie, dass es schon wieder spießig wird, denn nichts ist ja spießiger als das Abgrenzen vom vermeintlich Normalen. Und spießiger kam mir nie ein Magazin daher. Spießigelitärlocker.

Die Angst, „normal“ zu sein, finde ich spießiger als spießig und ich muss es wissen, denn ich bin ein Spießer. Das sagen mir oft Menschen, die das deshalb so gut erkennen können, weil sie natürlich keine Spießer sind. Ich zelebriere mein Spießerdasein, da es das Leben stark vereinfacht. Man braucht sich nicht zu verstellen, um sich von denen, die sich angeblich abgrenzen, abzugrenzen. Ich bin allerdings kein hipper Spießer, der seine Neon ganz bewusst neben dem Klo platziert, damit jeder sieht, dass er die Neon ganz cool auf’m Klo liest. Ich lese auf dem Klo „Die Zeit“ – das ist cool. Aber mein Klo befindet sich ja auch nicht in einem Szeneviertel, wo der Neon-Leser in der Regel wohnt. In einem alternativen Viertel, wo urban gardening betrieben wird, während der Avocado-Tee zieht.

Alle paar Wochen erreichen mich Paketlieferungen, die mich völlig überrumpeln, da ich mich an keine entsprechenden Bestellungen erinnern kann. Anfang dieses Jahres verweigerte mir ein DHL-Bote das Herauftragen der Lieferung, sie sei zu schwer. Ich überlegte, ob ich möglicherweise betrunken Hanteln bestellt hatte, letztlich hantdelte es sich aber um ein Kofferset. Das ich nicht brauche. Da keine Rechnung anbei lag, behielt ich die Koffer, ohne um ihren Ursprung zu wissen.

Im Februar holte ich ein abermals ominöses Paket von der Post am Düsseldorfer Hauptbahnhof ab. Es war ein Reise-Trolley, derer ich nun drei habe. Einen davon kann ich nicht mehr öffnen, da ich die Zahlenkombination vergessen habe. Es ist aber auch nichts drin im Koffer.

Der gewiefte Leser könnte mir nun den Blick auf den Absender nahelegen. Dort würde dann stehen „F.A.Z. Woche“. Zum Beispiel. Das steht dort aber nicht, da die Verlage die Aboprämie durch externe Unternehmen versenden lassen. Jenes Kofferset übrigens stammt in der Tat von jener Wochenzeitung, die ich ein halbes Jahr zuvor abonniert hatte. Offenbar wählte ich als Prämie das Kofferset, das ich ein halbes Jahr später dann auch bekommen habe. Natürlich brauche ich keines, doch oftmals muss man eine Prämie auswählen, um den Bestellvorgang vollenden zu können. Vermutlich habe ich mir damals gedacht, dass ich schon ausreichend Füllfederhalter besitze, die ebenfalls eine beliebte Aboprämie sind. Ich habe an die 20 Füller im Laufe der vergangenen 18 Jahre angesammelt. Das ist insofern viel, als dass ich pro Tag nur wenige Zeylen per Hand schreibe. Andererseits will ich vorbereitet sein, sollten die Russen erwägen, in unseren Wahlkampf cyberesk einzugreifen und dabei versehentlich das Internet abfackeln, sodass ich meine Texte per handschriftlichen Brief an meine rund 7.000 Abonnenten verschicken müsste. Ich lege bereits einige Taler angesichts der Portokosten zur Seite, die da auf mich zukommen könnten: rund 4.800 Euro – pro Beitrag. Teures Hobby. Es hängt an Putin …

Die Ausprägung meiner handwerklichen Begabung liegt auf einer Skala von eins bis zehn bei etwa drei, was für das Zusammenbauen von Möbeln völlig ausreicht, während meine Mitbewohnerin in der Lage ist, Möbel nicht nur zu entwerfen, sondern sie auch zusammenzubauen, um sie dann an die Wand zu dübeln. Wenn wir gemeinsam dübeln, bin ich immer derjenige, der das Staubsaugerrohr unter das Loch hält, wobei es Standard ist, dass ich versäume, diesen auch einzuschalten. Oder, um es kürzer zu sagen, sie ist bei uns die Handwerkerin. Aaaaber die Werkzeuge, die sie zum Werken ins Werk setzt, die kommen von mir!

Denn noch vor Füllern und Reisetrolleys sind Werkzeuge aller Art die mit Abstand beliebteste Aboprämie im Haushalt Flotho. Warum? Weil meine Mitbewohnerin in Jubel ausbricht, wenn ich neues Werkzeug anschleppe, so, wie andere Mädels sich über Einhörner freuen, mit denen man ja im Grunde auch Löcher in Wände bohren kann. Wir verfügen über eine mannigfaltige Auswahl an Akkubohrern und -schraubern inlusive Bit-Sets für Stahl, Holz und Seppomuskel. Wir besitzen Schraubendreher mit Schraubenkopfantrieben, die noch gar nicht erfunden worden sind, wir bekamen zur Aboprämie der „Schnür&Sohle“ eine Mini-Haushaltsaxt und nennen selbst einen kleinen Flammenwerfer unser eigen, mit dem wir jederzeit Wildwuchs zwischen Bodenplatten abfackeln könnten, wenn wir denn keinen Garten nicht hätten.

Unbedingt muss Frau Fahrgescheit hier Erwähnung finden. Sie ist eine ausgezeichnete Nachbarin, eine Dame, die sich in unserem Haus um so ziemlich alles kümmert, während Herr Fahrgescheit heimlich im Keller raucht. Sie ist es eben auch, die mir jeden Morgen meine zahlreichen Gazetten vor die Wohnungstür legt. Bei jedem weiteren Abo, das ich abschließe, bekomme ich ein schlechtes Gewissen, da ich vor meinem geistigen Auge sehe, wie Frau Fahrgescheit das Haus betritt und als erstes meinen Stapel Zeitungen sieht, wieder um Neuzugänge angewachsen, den sie dann hochschleppt. Wie es sich gehört, gilt ihr regelmäßig mein geäußerter Dank.

Zwangsabos. Gibt es auch. War mir relativ neu. Jüngst habe ich die „Süddeutsche Zeitung am Wochende“ gekündigt. Seit Anfang Januar dürfte ich sie nicht mehr bekommen, doch die SZ will um mich kämpfen und schrieb mir, ich würde vier Wochen lang weiter beliefert, damit ich es mir noch einmal anders überlegen könne und treuer Leser bleibe. Nun neigt sich bereits der März dem Ende zu und noch immer erhalte ich die ja durchaus gut gemachte Postille, sodass Frau Fahrgescheit nicht einmal am Samstag entlastet ist. Ich weigere mich jedoch, die SZ auf ihren Irrtum hinzuweisen, solange sie mir diesen nicht in Rechnung stellt.

Sonntags erhalte ich die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“. Und sonntags schläft zu meinem Bedauern Frau Fahrgescheit aus, sodass ich bis zum Mittag auf die Lektüre warten müsste. Da ich aber morgens gerne ausgiebig im Bett lese, stehe ich vor einem Dilemma: Da ich ja, wie eingangs erwähnt, Spießer bin, verlasse ich nicht ungestylt die Wohnung. Andererseits habe ich auch keine Lust, mich entsprechend herzurichten, nur um die Zeitung aus dem Erdgeschoss zu holen. Da ich auch sonntags Frühaufsteher bin (was mich vom Spießer übrigens unterscheidet), wage ich es immer häufiger, das Risiko herauszufordern und halbnackt nach unten zu sprinten, um die Zeitung zu greifen. Dabei passiere ich drei Wohnungen, aus denen potenziell jemand herauskommen könnte – ein Spiel mit dem Feuer, das bislang gut ausgegangen ist.

Mooooment, ich beschimpfe Neon-Leser (zurecht) als Spießer, lese aber die F.A.Z.?! Wie geht das zusammen? Habe ich ja oben schon zwischen den Zeilen erklärt. Wer auf die F.A.Z. schimpft, der hat sie zum einen das letzte Mal womöglich vor 20 Jahren gelesen oder ist AfD-Wähler. Oder, völlig unterschätzt, ist der Meinung, er müsse nur das lesen, was ihm auch gefällt. So allerdings funktioniert Medienpluralismus nicht. Als Leser muss ich mich ja reiben können.

Das gedruckte Wort ist bei mir nicht tot. Ich kann es auch nicht mehr hören und verweise auf die insgesamt steigenden Auflagen und die zahlreichen neuen Magazine, die auf den Markt geworfen werden. Ich will nicht mit Tablet im Bett liegen und darauf Texte lesen. Das kann Papier besser: Texte darstellen. Ich will nicht auf meine Stapel von noch zu lesenden Gazetten verzichten wie auch nicht auf die sich drehenden Augen meiner Mitbewohnerin, die neben mir liegt und vom Rascheln des Papiers der großformatigen Zeitungen geweckt wird. Der ich dann und wann Artikel, die mir gefallen, in die Hand zum Lesen drücke, bevor Kartoffelschalen in den Seiten landen. Mit der „Zeit“ legen wir traditionell immer unser Katzenklo aus, meist den Karriere-Teil „Chancen“, weil es mir gefällt, dass die Katze auf Chancen scheißt.


Das seppoABC, eine neue 25-teilige Serie hier im seppolog! Vorschläge für den Buchstaben B sind gerne willkommen!