Ich werde nun bald ein Jahr älter. Wobei das so nicht ganz richtig ist, denn um einen Teil dieses zusätzlichen Jahres wurde ich ja schon in den vergangenen Tagen, Wochen und Monaten älter. Irgendwann kommt eben der eine Tag, an dem man einen Tag älter wird, und der addiert sich auf jene Tage, die sich seit den 364 zurückliegenden Tagen kumuliert haben, womit das Jahr dann voll wird.

Natürlich bleibt noch genug Zeit für unvorhergesehene Ereignisse, die diesen Tag vereiteln könnten: plötzlicher Herztod, Lungenembolie, Schlaganfall, Autobus oder Atomschlag. Doch jeden Tag davon auszugehen, ist blöd, denn man ärgert sich, wird man plötzlich und unerwartet 90 und mehr Jahre alt.

Der eigene Tod ist für einen selbst ja nur dann schlimm, wenn er sich hinzieht, wohingegen ein plötzlicher von den Angehörigen als ungünstig empfunden wird. Einen plötzlich sich hinziehenden Tod gibt es nur dem ersten Anschein nach nicht, scheint er doch paradox zu sein. Tatsächlich aber ist er dann der Fall, wenn das plötzliche Sterben plötzlich abbricht und sich hernach durch ein zähes hinzieht. Womöglich tritt im Hintergrund das Schicksal noch einmal in Last-Minute-Verhandlungen mit einem Schöpfer oder ähnlichem. In diesem Zusammenhang verweise ich übrigens auf meinen Lieblingstext (aus meiner Feder), auf den zähen Tod.

In meinem Umfeld erlebe ich viel Hadern mit dem „Altern“. In Anführungszeichen daher, weil mein Umfeld in etwa mein Alter hat und somit auf niedrigem Niveau altert. Dennoch gehen derzeit viele auf die 40 zu, was bei Frauen nicht einmal die statistische Lebensmitte bedeutet, während der Mann seine mit 40 bereits überschritten hat. Ich übrigens noch nicht, aber was hilft Statistik, wenn man selbst zu Ausreißern gehören sollte – sei es durch frühen oder späten Tod?! Ungern nur würde ich mich denen anschließen, die den Altersdurchschnitt nach unten reißen. Doch wir haben darauf kaum Einfluss, ich kann mir nicht einmal sicher sein, dass ich noch die Cait habe, diesen Text zu vollenden, bin aber guter Dinge.

Dass Frauen mehr mit dem Altern hadern – geschenkt. Eine Litanei, die ich inzwischen überhöre, weil es albern ist. Auch Frauen sind mit 40 nicht alt. Sowohl Mann als auch Frau bekommt Falten, doch leider gelten die bei Frauen – ob im Gesicht oder sonstwo – als weniger attraktiv, während sie dem Manne mitunter Attraktivität verleihen, die er vorher vielleicht gar nicht hatte. Das ist natürlich ungerecht, an dieser Stelle aber nicht zu ändern, und nicht ich sage das, sondern das ist mein Eindruck der öffentlichen Meinung. Und das Schicksal meint es noch mieser mit den Frauen, wenn es um das Ergrauen geht. Dem Mann verleihen graue Strähnchen das gewisse Etwas (habe ich mir sagen lassen), die Frau – nicht jede freilich – färbt dagegen an, was aber auch Männer mitunter tun.

Mir wurde häufig gesagt, ich färbte meinen Bart. Dem ist nicht so (Ich wüsste auch nicht, warum ich ihn mir braunrot färben sollte) und inzwischen kann ich auch auf etwa zehn graue Barthaare verweisen, die offenbar der zarte Anfang meines Ergrauens darstellen, womit ich aber gut leben kann. Allerdings ist mein Eindruck, dass ausgerechnet die grauen es sind, die besonders dick daherkommen, um waagerecht von meinem Gesicht abzustehen. Das könnte vielleicht noch zum Problem werden. Für mein Haupthaar erwarte ich keine Transparenz, da es mir, bevor es so weit ist, ausgefallen sein wird. Es ist jetzt schon sehr übersichtlich auf meinem Haupt verteilt, was mir aber ebenfalls lungo ist, rasiere ich den verbleibenden Rest dann einfach irgendwann ab. Denn Glatze trug ich bereits 17 Jahre lang. Leider, und auch das tut mir leid, ist eine Glatze bei Frauen ebenfalls weniger attraktiv als bei Männern, was natürlich keine zu verallgemeinernde Meinung sein soll, es gibt vermutlich auch Männer, die auf die weibliche Kopfhaut stehen, aber ich kann hier unmöglich jeden Individualfall erwähnen!

Auch Männer hadern mit dem Älterwerden, was ich verstehen kann, wenn es beispielsweise schwierig wird, sich aus der einmal eingenommenem Sitzposition zu erheben. Stehe ich aus einem Sessel auf, stöhne ich inzwischen auch. Das tat ich aber schon mit 25. Steht hingegen mein Vater aus seinem Sessel auf, betätigt er vorher einen Schalter an diesem, sodass ein Motor ihn leicht aus dem Sitzmöbel „kippt“. Zum Aufstehen braucht es im Alter also einen solchen Motor und vielleicht noch einen „Golf plus“, den mein Vater fährt.

Mit 80 kann man das Älterwerden dann wirklich bedauern, zumal der Horizont dann ja bedrohlich nahekommt. Mit 80 würde auch ich nichts mehr schönreden und nicht mehr unbedingt in die Ferne planen. Aber mit nicht einmal 40 Jahren das Alter bedauern?! Das ist grotesk und ich nehme es auch nicht jedem ab.

Sprüche wie „Man ist so alt, wie man sich fühlt“ sind ebenfalls albern, denn man ist in der Regel so alt, wie es sich aus dem individuellen Geburtsjahr ergibt. Fühlte ich mich wie 30, obwohl ich deutlich darüber liege, wäre die einzige Erklärung die, dass ich mein Fühlen fehlinterpretiere. Dem sich Jüngerfühlen liegt der kuriose Denkfehler zugrunde, dass man sich mit 50, 60 oder 70 automatisch alt fühlen müsste. Warum sollte das so sein?! Und ist es per se falsch, sich alt zu fühlen?! Warum ist das negativ konnotiert?! Das Älterwerden hat offenbar einen schlechten Ruf, der hier und da einhergeht mit einem Jugendwahn, der in großen Teilen aber nur herbeigeredet wird. Im Fernsehen beispielsweise kann ich die ganzen pseudohippen Fressen nicht mehr sehen, die große Showformate nur deshalb moderieren, weil sie jung sind. In den USA beispielsweise, von denen wir ja viele Trends übernehmen, verhält es sich komplett anders, dort gibt es sie noch, die alten Showhasen. Mir ist zum Beispiel völlig schleierhaft, warum nicht Harry Wijnvoord die Neuauflage von „Der Preis ist heiß“ moderiert! Aber Jugendwahn kann man „RTL plus“ in seiner Entscheidung auch nicht unterstellen …

Ich muss das allerdings auch so sagen, um mein eigenes Tun zu rechtfertigen, da ich selbst keine junge Fresse mehr bin. Ich erlebe im TV junge, magersüchtige Mädels, die nicht einmal vom Prompter ablesen können, weil sie noch Botox in den Augen haben. Die zwar nett lächeln, aber eben nicht authentisch sein können, denen ich nichts von dem, was sie sagen, abnehme. Und natürlich gilt das auch für das männliche Pendant, dann meist aber ohne Botox. Das führte derweil dazu, dass Doofsein, und zwar echtes Doofsein, einen nach ganz vorn bringen kann.

Aber es gilt auch, dass jung, blond und magersüchtig keine hinreichenden Gründe sind, nicht im Fernsehen arbeiten zu dürfen!

Um aber fair zu bleiben, erwähne ich gerne, dass es nach wie vor gute Moderatoren gibt, die ihren eigenen Stil durchsetzen, sich von der Masse absetzen können. Komme gerade nicht auf den Namen … irgendwas mit S … so ein seltsam finnischer Name … unbekannt trotz Funk und Fernsehen …

Ich kann einige Freunde im oben erwähnten Umfeld nicht verstehen, die mit dem Altern hadern. Ich vergesse regelmäßig, wie alt ich bin, muss immer wieder nachrechnen. Kürzlich erst festgestellt, dass ich noch gar nicht 39 werde, wie ich lange Zeit dachte. Mein Alter ist mir schlicht egal, zumal ich auf einen Trend baue, den ich diesseits meines 20. Lebensjahres Jahr für Jahr neu feststelle: Mir ging es nie besser als zum jeweils derzeitigen Zeitpunkt. Im Gegenteil: Keinesfalls will ich noch mal 16, 25 oder 30 sein! Gerade meine Jugendzeit empfinde ich als ein albernes Dasein, da ich für mich – und ich kann da ja wirklich nur für meine Person sprechen – erst ab 34 etwa zu dem geworden bin, für das ich mich halte. Alles davor war eine offene Betaphase, die sicherlich ihre Berechtigung hatte.

Freilich stelle ich Unterschiede in beispielsweise meinem Feierverhalten fest, das vor zehn Jahren noch anders aussah als heute. Ein Samstagabend auf dem Sofa zusammen mit meiner Mitbewohnerin hat enorm an Wert für mich gewonnen, da wird schon mal zugunsten der Couch abgewägt, was aber nicht Standard ist; morgen beispielsweise gebe ich Captain Morgan den Vorzug. Was ich auch Montag noch spüren werde. Das muss man leider akzeptieren. Diesen einen Punkt. Dass einem der Körper montags noch den Samstagabend übelnimmt. Das war bei mir nicht immer so und ich gehe mit Sport dagegen an.

Überhaupt setze ich seit rund 15 Jahren viele Hoffnungen in meinen Sport. Als ich damit begann, schien es mir mit nicht einmal 25 als sehr albern, dann schon in die Lebensqualität im Alter zu investieren. Nun aber finde ich das gar nicht mehr so abwegig, den Plan zu verfolgen, auch mit 80 noch einen Sessel ohne technische Hilfsmittel verlassen zu können. Das ist natürlich eine Wette ins Blaue hinein, da ich auf inzwischen zahlreiche Sportunfälle verweisen kann, in die gerne auch Hanteln verwickelt sind. Fällt mir so ein Teil auf den Kopf, komme ich schon mit 39 nicht mehr hoch, dann ist Feierabend und die Wette verloren, sieht man davon ab, dass man seinen Zustand im Alter ja nicht vollumfänglich in der Hand hat.

Die 40 macht mir keine Sorgen, die 50 auch nicht. Die 60 muss ich mir ansehen, halte aber auch die mitnichten für alt. Und wenn dann mal jemand mit 60 stirbt, heißt es plötzlich:

„Alt ist er aber nicht geworden.“