Ich weigere mich, von cheat day zu sprechen, wenn gemeint ist, dass ich meine inzwischen siebenwöchige kohlenhydratarme bis -freie Diät für einen Tag unterbreche, sodass ich gestern einen Schummeltag einlegte. Den ersten seit eben jenen sieben (können auch acht sein, das müssen Historiker entscheiden) Wochen, in denen ich weitestgehend auf Kohlenhydrate verzichtet habe. Inzwischen wiege ich lächerliche 69 Kilogramm, womit ich mein Ziel erreicht habe, ja, sogar um ein Kilo übererfüllt habe: sieben bis acht Kilo habe ich verloren. Kilos verliert man leider, von Amputationen abgesehen, nie unwiederbringlich.

Ich missioniere nicht mit meinem Essverhalten, da ich glaube, es gibt kein Richtig oder Falsch, obwohl eine reine „McDonald’s“-Ernährung tatsächlich nicht unbedingt richtig wäre und damit nicht bedingt falsch. Ich lehne auch Regeln ab, wie „Trinke zwei Liter Wasser am Tag!“, „Keine Kohlenhydrate mehr ab 18 Uhr!“ oder „Iss fünf Portionen Obst am Tag!“ Alle drei sind schlicht haltlos, aber auch nicht schadhaft. Der Grund, warum ich auf Kohlenhydrate, die ja durchaus lebensnotwendig sind!, verzichte, ist der, dass ich kraftsportbedingt mehr Proteine zu mir nehmen muss und mit diesen ganz automatisch Kohlenhydrate (Kohlenhydrate sind nicht zwingend Zucker!) substituiere. Es ist einfach so passiert! In der Folge merkte ich plötzlich, dass ich schnell an Gewicht verlor, was mir sehr entgegenkam – es ist derzeit, Ende offen, eben mein Ding, ohne dass ich es anderen empfehlen würde. Ich würde aber auch nicht abraten!

Ich las mich im Laufe der Zeit ein in diese Materie, trat in Kontakt mit anderen Kraftsportlern und habe einiges gelernt, was Muskelauf- und Fettabbau angeht. Von einem cheat day war dabei immer die Rede, von einem Tag pro Woche also, an dem man alles essen darf, was man will. Dieser Schummeltag ergibt auch aus Sicht des Stoffwechsels Sinn, da dieser sich durch diese Varianz im Essen eben nicht auf die ausbleibende Kohlenhydratzufuhr einstellen kann, wenn er einmal in der Woche mit diesen bombardiert wird. Denn das Ende einer jeden Diät ist dann erreicht, wenn der Stoffwechsel uns durchschaut und sich auf sie eingestellt hat.

Da ich nun seit sieben Wochen nie das Gefühl hatte, überhaupt auf etwas zu verzichten, ich also gar nichts vermisst hatte, kam ich bislang nie zu einem solchen Schummeltag.

Bis gestern.

Doch vorher schränke ich etwas ein. Im Zuge einer Fahrgemeinschaft fahre ich alle paar Tage ungewollt durch einen „McDrive“. Das sind harte Momente für mich, wenn da jemand im Auto meinen geschätzten „McRösti“ oder gar den „McChicken Classic“ bestellt; wenn der faradaysche Käfig erfüllt wird von diesem penetranten, aber auch so fantastischen Duft von fastfood. Das waren dann tatsächlich Momente des Verzichts. Dennoch blieb ich hart.

Bis gestern.

Am gestrigen Sonntag kam ich in die Verlegenheit, einen Urlaub unter Palmen zu verbringen, natürlich in reizender Begleitung …

… meiner Mitbewohnerin. Dieses Foto postete ich auf meiner privaten Facebook-Seite, überschrieben mit „Endlich Urlaub“, was zu Verwirrung geführt hatte, da auch mein Arbeitgeber nichts von einem Urlaub wusste. Auch unsere Familien waren verwirrt, konnten ja nicht ahnen, dass wir lediglich im Botanischen Garten Düsseldorf uns eine Wiese unter Palmen gemietet hatten – für einen Nachmittag. Das allerdings bitte nur als Nebenstrang betrachten, der für unsere eigentliche Haupthandlung völlig unwichtig ist. Doch im Botanischen Garten fiel mir auf, dass ich nur noch ein Hauch von Nichts bin mit einem Körperfettanteil von maximal zwei Prozent. Ich drohte, auf der Stelle zu sterben. Als Dünger im Botanischen Garten.

„Mitbewohnerin, wir müssen gleich in diesen ‚Subway‘ oder ‚Subways“ rein, an dem wir vorbeigefahren sind. Ich brauche mal wieder was Festes zu beißen!“

Ich weiß nie, ob die weltgrößte fastfood-Kette „Subway“ oder „Subways“ heißt, ich werde das auch nicht mehr nachgucken, da ich es ohnehin immer wieder vergesse … Und zum anderen ist mir freilich klar, dass deren Baguettes auch nicht unbedingt etwas „Festes zum Beißen“ sind. Doch nach sieben Wochen des Essens von Gemüse, Quark und Hack durchaus eine Abwechslung – endlich mal wieder Brot!

Ich war seit mehr als zehn Jahren nicht mehr in einem Subway oder Subways, sodass ich leider vergessen hatte, wie enttäuschend deren Produkte sind. Außerdem war ich mit dem Bestellvorgang gnadenlos überfordert. Es ist albern, aber ich kenne mich in der Welt von Kokosmehl und Hummus inzwischen besser aus als in der „normalen“.

„Was ist ein ‚Sub‘?!“, frage ich meine Mitbewohner.

„Das ist das, was du willst.“

„Ich will also ein Sub. Wem muss ich das mitteilen?“

Justamente mischt sich einer von vier Handlangern des Unternehmens ein:

„Also, was möchtest du?“

„Ein Sub. Welche Informationen brauchen Sie noch?“

Das frage ich tatsächlich, sodass meine Mitbewohnerin peinlich berührt so tut, als gehöre sie nicht zu mir.

„Halb oder doppelt?“, fragt der Handlanger.

„Zwei Doppelte“, sage ich, was übrigens streng genommen falsch ist, denn ein doppeltes wären ja vier halbe. Tatsächlich will ich zwei ganze, nicht zwei doppelte, was ja dann insgesamt acht halbe wären! Doch den Aspekt will ich der langen Schlange hinter meiner Mitbewohnerin und mir wegen nicht unnötig ansprechen.

„Was für ein Brot?“

„Äh? Ja, Sub, halt.“

„Guckst du hier, haben wir mehrere Teige.“

„Ah, verstehe. Äh … Vollkorn.“

Ja, ich nehme Vollkorn, da ich mir auch an meinem ersten Schummeltag nur die guten Kohlenhydrate gönne. Für den Desinteressierten: Deren Aufspaltung im Körper dauert länger als die der schlechten Kohlenhydrate, sodass der Insulinspiegel nicht ruckartig hochschnellt, nur um dann ebenso ruckartig wieder abzufallen. Darum also Vollkorn, was ich jedoch schnell als lediglich gefärbtes Weißmehl identifizierte. Mit so etwas bescheißt sich der Konsument schon seit Jahrzehnten selbst …

„Belag?“

„Ja, gerne.“

„Nein, welchen Belag möchtest du?“

„Achso, hier, da oben, ‚Chicken Teriyaki‘ das eine und das andere ‚Chicken Fajita‘.“

Nun übernimmt ein anderer Handlanger, denn die Subs werden hier an einem Fließband zusammengebaut. Jener zweite Handlanger also belegt nun mein Baguette in einem atemberaubendem Tempo, das mir unrecht ist, da ich gar keine Oliven will, immerhin aber noch die Zwiebeln vereiteln kann.

„Welche Saucen?“, will plötzlich eine Handlangerin von mir wissen. Offenbar gibt es für jeden Arbeitsschritt eine jeweils darauf spezialisierte Kraft.

„Jetzt wird’s aber kompliziert. Auf das da BBQ, auf das andere dann … ‚Hot Sauce‘.“

Nach diesem Arbeitsschritt finde ich mich vor einer Kasse wieder, als ein abermals neuer Handlanger mich etwas fragt, das ich nicht verstehe, und daher einfach mit „Ja“ antworte, da mich der Bestellvorgang insgesamt schon zu viel Kraft gekostet hat. Er ist vergleichbar mit dem Bestellen eines Kaffees bei „Starbuck“ oder „Starbucks“. Nun, dieses „Ja“, das ich unüberlegt von mir gegeben habe, führt nun dazu, dass ich mich für ein Getränk entscheiden muss. Ich wähle eine Limonade ohne Zuckerzusatz, da mir die zwei Baguettes, nein, Subs!, schon gewagt genug sind. Wie reagiert mein Körper auf so viele Kohlenhydrate auf einen Schlag nach Wochen der Dürre? Zuckerschock?!

Ich bezahle, warte auf meine Mitbewohnerin, die sich ein halbes Sub geordert hat – deutlich souveräner als ich -, sodass wir wieder gen Auto gehen können.

„Warum hast du ein Getränk?“, fragt sie mich, „Du wolltest doch keines.“

„Ich will es auch immer noch nicht, es hat sich so ergeben.“

Die Gefahr bei einem Schummeltag ist die, dass man aufgeregt wie ein Kind vor dem Gabentisch beim Essen sitzt und ins Verschlingen gerät. Hochgradig aufgedreht angesichts des Verzehrspektakels picke ich zuhause angekommen die Oliven vom Sub und stelle dabei bereits fest, dass es diese Baguettes mit den Brötchen von McDonald’s aufnehmen können, zumindest, was die „Pappigkeit“ derer angeht. Beim Umverteilen der Peperoni merke ich zudem, dass Subway oder Subways mit diesen wenig sparsam umgeht, anders als mit dem Hauptbelag, den Hähnchenstreifen, die ich in der BBQ-Sauce suchen muss und tatsächlich zwei, drei finde.

Mein erster Schummeltag droht zur Enttäuschung zu werden, doch habe ich danach ein interessantes Phänomen beobachtet: Der Körper lagert in Kohlenhydrate Wasser ein. Warum er das tut, ist mir unbekannt wie egal, doch merke ich jetzt erst wieder, wie viel man trinkt, nachdem man Kohlenhydrate gegessen hat. Nicht umsonst verdienen Ketten wie McDonald’s das Gros ihres Geldes durch den Verkauf von Getränken, die ihrerseits noch einmal durstig machen, was die Zweiliter-Becher erklärt, deren Verkauf New York beispielsweise schon einmal verboten hatte; ein inzwischen aufgehobenes Verbot.

Jetzt, am Tag danach, bereue ich meinen kleinen Ausbruch nicht, weiß aber, dass der nächste Schummeltag anders gestaltet werden muss. Da werde ich selbst kochen. Mit Weißmehl.


In eigener Sache:

Als ob hier jemals etwas nicht in eigener Sache war … Der Leser darf in den kommenden Wochen an etwas teilnehmen, was für mich durchaus die Qualität eines neuen Lebensabschnittes hat: Ich werde einen Teil meiner Person nach Berlin verlagern, weil ich dort dringend gebraucht werde. Kleiner Scherz. Jeder ist ersetzbar. Dennoch zieht es mich in Teilen in die Hauptstadt und wie zu erwarten ist, werde ich das hier im seppolog massiv breittreten, denn Content ist ja alles, habe ich gehört. „Berlin ruft Seppo“ wird künftig ein wesentlicher Bestandteil dieses Blogs, bis er uns allen aus dem Halse hängt – wie eben auch diese Serie, „seppoISST„, deren bisherigen Folgen ihr hier findet!


Man findet keine Freunde mit Salahat!