Frauengesundheit ist ab sofort der neue Schwerpunkt (direkt nach meiner Person) hier im seppolog, zumal ich im Hamburger Lokalfernsehen das Gesundheitsmagazin „Grippe live“ moderiere und ein halbes Semester Medizin studiert habe, also weiß, wovon ich rede, was übrigens nur in Ausnahmefällen der Fall, der Ausnahmefall nämlich, ist. In allen anderen Fällen gucke ich nur ernst und selbstbewusst, während ich mit Halbwahrheiten um mich schmeiße.

Kleine Anekdote in diesem Zusammenhang: Weil ich einmal derart überzeugend war, geriet ich in die Verlegenheit, einem neunjährigen Jungen den Blinddarm zu entfernen. Ein großes Hallo, als ich da mit seiner Leber in der Nierenschale im OP stand und ernst und selbstbewusst ausrief:

„Er hat’s geschafft!“

Eine Woche später war er tot. Nicht diagnostizierter Blinddarmdurchbruch. Das Schicksal schreibt traurige Geschichten …

„Women’s Health“ ist das Pendant zur „Men’s Health“, die ich sporadisch lese, beispielsweise, wenn mein neues Auto vollautomatisch einparkt und ich nicht weiß, was ich so lange tun soll. Doch wenn Männer Männerzeitschriften lesen, läuft etwas falsch. Denn wie Mediadaten diverser Frauenpublikationen zeygen, werden diese in vielen Fällen von Männern gelesen. Vielleicht aus Voyeurismus, vielleicht, um sich ernsthaft über die irrationale Gedankenwelt von Frauen zu informieren oder vielleicht auch einfach nur wegen der Bilder.

Also nehme ich mir nun die Women’s Health vor und stoße als erstes auf:

„So schafft ihr euren ersten Klimmzug!“

Nun gebe ich ungerne zu, dass ich chauvinistisch reagiert habe und laut auflachte: „Den ersten?! Hahhaahaha!“ Dann aber meldete sich mein Gewissen und wies meine Arroganz in die Schranken.

Den ersten. Hehehe.

Es geht weiter mit

„Fitte Spargelrezepte, die den Beachbody nicht ruinieren“.

Daneben ein Bild mit zwei Spargelstangen in entsprechend grüner Pampe, daneben so etwas wie Brot, wohl eher Brotkrumen. Es erinnert mich an die Essensausgabe im Waisenhaus, in dem Oliver Twist festsaß. Wenn ein so klägliches Mahl der Preis für einen „Beachbody“ ist, dann sollten Frauen auf den Beachbody verzichten oder nur noch Altpapier essen. Eine alte Women’s Health-Ausgabe beispielsweise. Denn Papier hat null Kilokalorien!

Den ersten Klimmzug! Hehehehe.

Inzwischen weiß ich, warum auch Männer in dieses Blatt gucken. Es sind die Fotos, bei denen auch ich verharre, sofern sie nicht gerade Spargel zeigen, sondern weibliche Rundungen. Ausgerechnet jetzt stört mich eine Supermarkt-Angestellte:

Lesen Sie hier nur oder kaufen Sie auch die Zeitung?!“

„Äh, ich stehe unmittelbar vor meiner Kaufentscheidung. Bin gleich so weit.“

Sie geht wieder. Kopfschüttelnd. Wollte ihr noch sagen, wie sie ihren ersten Klimmzug schafft. Ersten, hehehe.

Ich blättere zügig weiter. Die besten Tipps fürs Armtraining, ein Sprachkurs für dirty talk und

„So werdet ihr fit wie Kayla Itsines“.

Wer zur Hölle ist Kayla Itsines? Ich googel sie. Scheint eine australische Fitness-Autorin zu sein, die mehr als nur den ersten Klimmzug schafft. Ersten, hehe. In der Männervariante dieses Magazins las ich letztens, wie ich fit wie Lewis Hamilton werde. Formel 1-Fahrer. Unsympathisch, aber fit. Er verriet den Lesern seine Fitness-Geheimnisse. Wie können sie noch Geheimnisse sein, wenn man sie in einem Magazin abdruckt?! Lewis Hamilton ist damit alles andere als ein vertrauenswürdiger Geheimnisträger – ihm würde ich ein Fremdgehen beispielsweise keinesfalls anvertrauen, schon nächsten Monat könnte es ja jeder und meine Mitbewohnerin in der Men’s Health nachlesen! Doch ehrlicherweise muss man wohl annehmen, dass Lewis Hamilton gar nichts von diesem Artikel weiß. Und was er an Krafttraining macht, war für mich nichts Neues. Ich glaube eher, er hat sich einiges hier im Blog abgelesen.

Bislang also unterscheiden sich Men’s und Women’s Health nicht voneinander. In dem einen Blatt sehe ich halbnackte Männer, in dem anderen eben halbnackte Frauen mit beeindruckenden Pos. Bei manch Frau allerdings gucke ich dreimal hin, um mich zu vergewissern, dass es sich wirklich um eine Frau handelt …

Ein Unterschied fällt mir dann doch auf: In der Männervariante gibt es deutlich mehr Artikel, die sich um Sex drehen, wobei auch die besten Methoden zur Selbstbefriedigung zählen. Das habe ich natürlich gelesen, denn Men’s Health hatte Sorge, dass ihre Leser noch so – Verzeihung! – wichsen wie mit 14. Die Sorge hatte ich dann auch. Nach Lektüre wusste ich, dass es sich andersherum verhält: Ich habe damals schon so onaniert wie mit 36. Hut ab! An mir ist ein Handlanger verloren gegangen!

„Sport und Alkohol – passt das?“

Fragt das Blatt, Frauenvariante, nun. Ja, passt. Nicht gleichzeitig freilich, aber es passt. Denn kein Sport, aber Alkohol – das passt nicht! Wenn ich mich schon sechs Tage die Woche abrackere, dann ist ja wohl am siebten der Wein oder der Captain Morgan oder beides fällig – und das völlig verdient. Ein Asket bin ich nur unter der Woche. Den Artikel schenke ich mir, denn ich ahne, was drinsteht: Mal ein Piccolo geht in Ordnung! Denn, was ich in meinen Sportbüchern immer wieder lese: „Die Dosis macht das Gift!“ Leider lebe ich auch nach „Viel hilft viel“, was bei Gift tatsächlich zutrifft.

Jetzt wird es spannend:

„Das passiert mit eurer Vagina beim Sex!“

Abgesehen davon, dass die Leserinnen offenbar einer ordentlichen Anrede, also einer großgeschriebenen, wie es sich gehört, nicht würdig in dieser Postille sind, hat die Überschrift mich gepackt. Frauen bekommen einen „Mini-Ständer“, lese ich, weiß ich, weiter also … weibliche Ejakulation, ja, kenne ich aus Filmdokumentationen … bla … und das war es auch schon. Schade. Enttäuschend. Da hatte die „Bravo Girl“ meiner Schwester vor 20 Jahren mehr drauf.

„Diesen Blowjob wird er nie vergessen!“

Wenn Ihr reinbeißt. Das brennt sich in unser Gedächtnis. Ein 26-jähriger Mike, den es vermutlich gar nicht gibt, berichtet den Leserinnen von einer den Blowjob ergänzenden Pomassage. Ich finde, Mike sollte das für sich behalten.

Und nun wird es mir unangenehm, da neben mir eine Kundin steht, als ich

„Warum die Scheide juckt – die häufigsten Ursachen“

aufblättere. Ich blättere schnell weiter und denke unvermittelt an einen Flohzirkus. Und warte, bis die Kundin weg ist. Sie schnappt sich eine „Rheinische Post“, kratzt sich im Schritt und geht zur Kasse. Ich blättere wieder zurück. Es geht um Vaginose und Scheidenpilz, um Ekzeme und Schuppenflechte … ich wünsche mir den Spargel zurück.

Beide Geschlechtervarianten dieses Blattes gefallen mir allerdings in einem Punkt: Sie sind so herzhaft offen, so erfrischend, was vermeintliche Tabuthemen angeht. Ich finde, das hat was, das ist unverkrampft und hat so nichts mit einer bemühten Korrektheit zu tun, auf die man als Rezipient, egal welcher Medien, immer öfter trifft. Warum zensiert beispielsweise Facebook Brustwarzen?! Es gibt deutlich mehr Brustwarzen als Menschen auf der Welt, aber sehen dürfen wir sie dort nicht?! So sehr ich die „Bild“-Zeitung ablehne, so sehr schätze ich, dass sie unbeeindruckt von dieser neuen Verklemmtheit weiterhin Nippel zeigt.