Jens Jaennicke ist der Gesundheitsberater des seppologs, vielen bekannt aus „Herr Jaennicke, der Schlaf„, und ihm stellte ich die Frage, wie oft eigentlich der Mensch urinieren geht. Konkret sei das schwer zu beantworten, da es sich um Einzelfallentscheidungen handele, doch …

Abhängig von der Flüssigkeitszufuhr produziert ein gesunder Mensch in 24 Stunden etwa 1.000 bis 1.500 Milliliter Harn, den er zwei bis sechs Mal am Tag ausscheidet. Dabei ist die Urinproduktion allerdings nicht zu jeder Tageszeit gleich groß. Am meisten Urin produziert der Mensch um sechs Uhr morgens.

Verstehe. Ich selbst habe das Gefühl, das Doppelte zu produzieren, da meine Toilettengangfrequenz seit jeher etwas höher liegt als bei meinen Mitmenschen, womit ich ein high frequently shiffer bin, glaubt man der Definition der WHO, der Weltgesundheitsorganisation. Aber es soll hier gar nicht um derart intime Dinge gehen, sondern um die Frage, was eigentlich im Hirn geschieht, während man so dasitzt und Dünger produziert.

Dünger?!

Herr Jaennicke, wie soll ich es denn sonst umschreiben?! Weiß doch nun jeder, was ich meine … Vor wenigen Minuten war ich zur Toilette. Ich saß so da und überlegte, was mein Gehirn wohl davon hält, dass ich einfach so dasitze. Ist es unterbeschäftigt? Denn so ein Ausscheidungsvorgang ist ja keine intellektuelle Meisterleistung, wie uns kackende Hunde jederzeit beweisen. Ich kenne einen Hund, eine Art Golden Retriever, der kackt nur, wenn exakt vor seiner Nase ein Grashalm steht. Das könnte ein spleen sein oder Symptom eines Hirntumors. Hoffen wir das Beste, doch selbst dieser Hund braucht womöglich einfach nur irgendetwas, womit er sich beschäftigen kann, während er hinterrücks beschäftigt ist. Ich beispielsweise erwischte mich eben dabei, wie ich einen Riss in den Bodenkacheln beobachtete und seine Länge auf etwa 60 Zentimeter schätzte. Der Riss war die einzige Abwechslung in dem sonst so trostlosen Fliesenboden, der einfach nur da und weiß ist. Teilweise dreckig, vermutlich Dreck von Schuhen vermischt mit Urinspritzern.

Der Mensch geht zur Toilette, das Gehirn macht Rast.

Zuhause versuche ich zumindest, die Cait zu nutzen, auch wenn gegen entspannte Langeweile auf dem Klo ja nichts spricht, wenn man es als eine Art Sabbatjahr betrachtet. Aber ich langweile mich meist, sodass ich mehrere Optionen ziehe:

1.) Zeitungen

Der Klassiker, offenbar insbesondere bei Männern. Früher las ich immer die „Titanic“ auf dem Klo; wegen der passenden Artikellänge. Weil deren Redaktion noch nicht Opfer eines Anschlages geworden ist, kündigte ich das Abo und lese beim Defäkieren nur noch Reste, also noch nicht zu Ende gelesene Artikel, über denen ich zuvor vielleicht mal eingeschlafen war.

2.) Etiketten

Oftmals vergesse ich die Zeitung und sitze dann ganz ohne Lektüre da, was zu Verzweiflungstaten führt. Ich krame in diesem Fall immer im Schränkchen unter dem Waschbecken, wo diverse Pflege- und Putzprodukte lagern, deren Etiketten ich mir dann durchlese. Ich habe lange Zeit gedacht, ich sei damit allein auf der Welt, aber ich glaube, auch Sie werden das aus Ihrem Leben kennen. Jedenfalls las ich mal einen Artikel – auf dem Klo – exakt über das Phänomen des Etikettenlesens auf der Toilette, der sich mit entsprechenden, ernsthaften Studien dazu befasste. Es gibt viele Betroffene und auf die Weise erfuhr ich, dass man bei Cremes auf den Inhaltsstoff „Paraffine“ verzichten sollte, da er die Hautporen unter anderem verstopft. Weil ich immer wieder „Paraffine“ auf den Listen der Inhaltstoffe jener Produkte las, wurde ich neugierig und recherchierte. So sinnvoll kann man die Zeit auf dem Klo verbringen! Seitdem ist bei uns alles paraffinefrei, bis man uns sagt, dass Paraffine ein absolutes Muss sind.

Eine Herausforderung ist der Aufdruck auf der Verpackung unserer Duftspender, der so unfassbar kleingedruckt ist, dass ich ihn morgens noch nicht lesen kann, abends aber durchaus. Inhaltlich ist er allerdings gnadenlos langweilig. Doch das Gehirn, es will offenbar beschäftigt werden.

3.) Das Handy

Das liegt schon fast zu nahe, als das es nur auf Platz drei liegt. Es ist nur so, dass selbst ich inzwischen gemerkt habe, dass eine Facebook-Chronik auch nach dem zehnten Runterscrollen nichts mehr hergibt. Es ist nur noch das bloße Klicken, das dem Suchtzentrum im Hirn Befriedigung schafft; es ist im Grunde nur noch eine Übersprungshandlung. Das Handy nehme ich kaum noch mit, freute mich aber, wenn gerade einer von Ihnen diesen Text auf dem stillen Örtchen, das manchmal durch ein Donnern durchbrochen wird, liest. Lassen Sie es mich wissen; denn ich stelle derzeit meine Mediadaten zusammen, da ich beabsichtige, das seppolog an „ProSiebenSat.1 PULS 4“ zu verkaufen, damit die ihren Unternehmensnamen ein weiteres Mal verlängern müssen.

Das Handy auf der Toilette hat bei mir im Grunde ausgedient. Was das Lesen angeht! Denn noch am Sonntag hatte ich mir ein „Facebook-Live-Video“ angesehen. Von Elton, der am Vorabend „Schlag den Star“ moderiert hatte. Traditionell gibt er am Morgen danach eine kleine „Pressekonferenz“ von seinem Sofa aus, wo er erklärt, warum ProSieben wann Werbung schaltet und dass die Dauer der Werbung der gesetzlich erlaubten natürlich entspricht. Auch ich kann dieses ewige Genöle über Werbeunterbrechungen nicht hören. Seit 1984 wird darüber genölt! Mein Tipp: Festplattenrekorder, Pause drücken, eine Stunde später anfangen zu gucken und die Werbung jeweils vorspulen. Klappt.

Und eben diese sehr lange „PK“ habe ich mir angesehen und darüber die Zeit vergessen, bis meine Mitbewohnerin rief:

„Wir brauchen ein zweites Bad!“

Und tatsächlich wollen wir bald aus- und umziehen. Wir vergrößern uns. Ich sehe da schon eine große Serie hier im seppolog! Das wird ein heiterer Spaß!

4.) Schlafen

Ist mir bislang nur einmal passiert. Es war nachts. Ich gehe seit jeher auch nachts zur Toilette. Urinieren. Ich weiß, womöglich zu viel Information, aber wer nach der Überschrift den Text liest, darf ja nicht überrascht sein.

Sie schlafen auf dem Klo?!

Ah, Herr Jaennicke. Habe Sie völlig vergessen. An sich war für Sie eine viel größere Rolle in diesem Text vorgesehen. Daran sehen Sie, wie planlos ich an die Sachen rangehe. Aber ja, einmal schlief ich ein, da ich schlaftrunken mich zum Porzellan begab, mich darauf nieder- und laufen ließ, den Kopf in die Hände gestützt, die Augen zu behalten, da ich keinen Blaulichtfilter habe und ungern zu wach werden wollte, sodass ich direkt wieder einpennte.

Jede Nacht?

Was „jede Nacht“?!

Sie gehen jede Nacht zur Toilette?

Ja. Es stört nicht unbedingt. So kommt man mal raus.

Immer schon?

Nein. Früher blieb ich liegen und ließ es laufen.

Sie machten ins Bett?!

Mein Gott, FRÜHER! Als Kleinkind. Mit Windel. Sie nicht?

Granufink.

Als Kind?!

Immer schon.

Ich schlief also damals ein, sodass meine Hand-Kopf-Stütz-Konstruktion in sich zusammensackte und ich fast vom Klo fiel. Ich war schlagartig hellwach und amüsiert. Ging zurück ins Schlafzimmer und informierte meine Mitbewohnerin:

räusper

Keine Reaktion.

RÄUSPER

„Hhhhh, was ist denn los, Seppo?! Wie viel Uhr ist es?“

„Drei Uhr. Gut, dass du wach bist. Ich bin eben fast vom Klo gefallen!“

„Dafür weckst du mich?! Lass mich schlafen!“

Übrigens, ab vier Uhr nachts stehe ich trotz Harndrangs nicht mehr auf. Eine Stunde später stehe ich ohnehin auf, das halte ich auch mit prallvoller Blase noch durch.

5.) Sinnieren

Das habe ich eben bei besagtem Toilettengang, der einer von vielen ist, getan: Sinniert.

„Ich sollte genau darüber schreiben! Über das Denken auf dem Klo!“

Hab ich hiermit getan. Ich saß da und überlegte, wie der Text aussehen könnte.

„Ich könnte Herrn Jaennicke reaktivieren. Wobei, nein, der hat bei seinem vergangenen Auftritt schon nicht funktioniert. Aber was soll’s. Ich find ihn gut. Ich weiß ja auch, wie er aussieht.“

Kurz gedrückt … dann weiter gedacht:

„Aber gibt das überhaupt 1.000 Wörter her, einfach nur über das Sitzen auf der Toilette zu schreiben?!“

Ja, 1.231 Wörter.

Doch so viele?

Ach, Ruhe! Jetzt sind es 1.240 Wörter!

Nur, weil ich noch was gesagt habe?!

Ja! 1.248.

Wahnsinn.

Herr Jaennicke, raus! 1.252.