Um 05.45 Uhr wird entweder zurückgeschossen oder man wird versehentlich wach und es kommt einem am frühen Sonntagmorgen der Begriff „Albernat“ in den Kopf. Bei mir war heute das Zweite der Fall und ich verständigte mich mit meinem Gehirn auf einen Kompromiss: Weiterschlafen, aber bloß nicht den Begriff des Albernaten vergessen.

07.42 Uhr. Ich bin nun abermals und endgültig wach, hielt mein Versprechen gegenüber meinem Hirn und konnte den Begriff „Albernat“ konservieren. Gottseidank. Übrigens, seit Wochen habe ich den Begriff „Schornack“ im Kopf. Schornack ist vorgesehen als Name für eine neue Figur hier im seppolog. Fast hätte Schornack seinen Auftritt hier bereits gehabt, doch es kam wohl anders. „Albernat“ lasse ich jedoch nicht so schnell los und ich tue in diesem Fall das, was ich immer tue: den fraglichen Begriff zunächst einmal googeln, um sicher zu gehen, dass es ihn nicht schon gibt und er vielleicht eine schlimme Krankheit oder irgend etwas Faschistisches bezeichnet. Und siehe da: Es gibt ihn, den Albernaten. Und ich beschließe, dass meine Mitbewohnerin und ich so ein Gerät unbedingt benötigen.

In meinem Elfenbeinturm sitzend muss es mir erlaubt sein, nun die Realität über Gebühr zu beugen, damit ich obige Abschnitte nicht umschreiben und in die Vergangenheit katapultieren muss. Nur deshalb ist es möglich gewesen, dass ich an einem Sonntag die Amazon’sche „same day“-Lieferung in Anspruch nehmen konnte, da ich den Albernaten umgehend bestellte. Gerade eben, an einem Sonntagmorgen, wurde mir der Albernat durch einen Hermes-Paketboten übergeben. Wenige Stunden nach Bestellung. Völlig unrealistisch, absolut nicht glaubwürdig, doch auch die Wahl der Franzosen wird zu einem absolut surrealen Ergebnis führen – in diesen Caiten ist alles möglich, sogar meine zwei Jahre alte Prognose, dass auch die AfD sich (hoffentlich) selbst zerlegen wird, bevor sie unser Land zerlegt. Es scheint ihr zu gelingen; die Hoffnung, dass brauner Sumpf sich irgendwann selbst trockenlegt, bestätigt sich nach REP, DVU und NPD sehr wahrscheinlich wieder einmal; die Rechtspopulisten und Nazis der Neuzeit sind einfach zu doof. Es gehört ein gewisser IQ dazu, um beispielsweise wie Christian Lindner Wahlkampf im Unterhemd zu betreiben.

„Was sollen wir mit einem Albernaten?“, fragt mich meine Mitbewohnerin, ob er vielleicht für meine „Zweitwohnung“ in Berlin sei. Nein, sei er nicht, sage ich im Indikativ, „der ist für uns, er wird unser Leben revolutionieren! Teuer genug war er ja, der Albernat!“, der albernerweise über eine Tabulatortaste verfügt, die jedoch bei einem Albernaten eine gewichtige Rolle spielt, die ich hier aber verschweige, da deren Verständnis ein technologisches Wissen voraussetzt, über das der Durchschnittsleser – ich sage das ganz wertfrei – sicherlich nicht verfügt. Ich zum Beispiel habe nie kapiert, wie man bei einer klassischen Schreibmaschine die Tabulatortaste benutzt. Man kann da irgendwie die Abstände mechanisch definieren, doch letztlich wurde ich nie Herr über diese Funktion meiner alten „Triumph“-Maschine, die mir (noch) gar nicht gehört, da vorher mein Vater ins Gras beißen muss, doch wer findet schon Freunde mit Salahat?!

Der Albernat steht nun bei uns im „Arbeitszimmer“, wo viele Dinge stehen, deren Zweck sich uns noch nicht erschlossen hat. Oder alte Deko. Doch schon unter den Sicherheitshinweisen in der Bedienungsanleitung des Albernaten steht geschrieben:

Der Albernat ist mehr als nur Deko! Entdecken Sie die Funktionen des Albernat mit Tabulatortaste!

Ich lese Bedienungsanleitungen immer. Habe mir zum Beispiel jüngst einen Radiowecker bestellt, da ich ein altmodischer Radioweckertyp bin. Radiowecker können heute mehr als früher, sie können Bluetooth, sie können Handys entladen, sie können die Kaffeemaschine ansteuern. Die Funktionen sind klar, sie sind simpel und intuitiv, aber dennoch lese ich von vorn bis hinten die Anleitung.

Sie haben sich für den Albernat entschieden!

Steht dort. Ich greife zum Kugelschreiber und hänge ein „en“ hinter „Albernat“, damit es korrekt ist, denn es heißt ja auch „Rettet den Planeten“ und nicht „den Planet“.

Die Anleitung des Albernaten umfasst mehr als 300 Seiten. Denn das Teil will programmiert werden. Er funktioniert über Algorithmen, die uns zunehmend sagen, was wir zu tun haben. Dem Albernaten muss man allerdings vorher sagen, was er zu tun hat.

Meine Mitbewohnerin sagt mir gelegentlich, ich sei albern. Ich lasse das dann immer so stehen, denn keinesfalls darf man mit seinen Eigenschaften in irgendeiner Form kokettieren, offenbaren, dass man sich deren sehr wohl bewusst ist und mit ihnen spielt, sie also gezielt einsetzt. Das ist so, als würde man über seine eigenen Witze lachen. Der Kniff ist der, so zu tun, als fände man seinen Witz gar nicht so witzig. Es muss niemand sehen, dass man sich innerlich für einen gelungenen Witz feiert. Das verleiht dem Ganzen eine gewisse Trockenheit, die freilich nur gespielt ist, aber gut gespielt sein will. Hin und wieder bin ich beispielsweise als Fernsehmoderator tätig. Damit würde ich angeben, wenn viele Menschen davon Notiz nähmen. Noch ist das nicht der Fall. Darum sei das hier nur eine nüchterne Feststellung. Gelingt mir vor der Kamera ein guter Scherz, bestenfalls auf Kosten irgendwelcher Minderheiten, besteht der Scherz ja nicht darin, dass ich über eine Minderheit gescherzt habe, sondern er funktioniert auf einer Metaebene. Das jedoch versteht nicht jeder. Kürzlich bekam ich eine Zuschrift eines Zuschauers, der meinen Sexismus anprangerte. Dass der eigentliche Scherz darin bestand, überhaupt auf sexistisch zu machen, verstand er nicht. Freundlich erklärte ich ihm genau das und er war mir danach wieder gewogen. Wie dem auch sei: Entscheidend ist, den Scherz zu machen und danach neutralen Blickes in die Kamera zu gucken, maximal eine Augenbraue hochziehend. Und wer, beziehungsweise was, schafft das besser als jeder Mensch? Hier schließt sich der Kreis, denn die Antwort ist: der Albernat.

„Der Albernat wird mich ersetzen, solange ich in Berlin bin!“, erkläre ich meiner Mitbewohnerin, die keinesfalls auf die mir unterstellte Albernheit verzichten soll, wenn ich künftig drei Tage pro Woche in Berlin bin, wo ich mich frage, warum man eigentlich nur über Mehrheiten Witze machen darf. Frauen beispielsweise sind in der Mehrheit! Warum degradieren sich manche von ihnen immer zur Minderheit? Und warum verbinde ich „Minderheit“ mit „degradieren“? Spricht das nicht Bände? In diesem Moment bin ich zum Beispiel eine Minderheit in unserer Wohnung, übertroffen durch die Anzahl an Stühlen. Hier gibt es gerade mehr Stühle als Menschen in der Wohnung! Glaube, mein Schreibtischstuhl hat gerade auch einen diskriminierenden Scherz über mich gemacht, da ich unseren Sessel leise schmunzeln höre.

Und eben dieser Albernat, dem ich sämtliche 574 bisher erschienenen Beiträge dieses Blogs via USB-Kabel eingetrichtert habe, woraus er dann irgendwie Algorithmen erzeugt, die irgendwie mich kopieren, wird meiner Mitbewohnerin der neue Mitbewohner, der mich nachahmt. Meinen Sprachstil beispielsweise. Sowie andere Dinge, die zu verstehen der Leser nicht in der Lage ist. Nicht an einem sonnigen Sonntag wie heute. Warum nicht? Nun, ich werde überwiegend von Frauen gelesen.

Warum eigentlich? Weil Frauen intelligenter sind. Das kann ich aber so nicht stehenlassen, denn es würde ja bedeuten, dass meine Texte eine gewisse Intelligenz voraussetzen, womit ich mich selbst erhöhte, was jedoch kokett wäre und eben mir untersagt. Siehe oben. Also streiche ich diesen Absatz.

Wir werden demnächst alle einen Albernaten benötigen. Die Franzosen wählen. Heute entscheidet sich freilich noch nicht so viel, doch ich lege mich fest und behaupte, die gemäßigte Ausgeburt eines Jean-Marie Le Pen wird das Rennen machen, auch wenn ich immer wieder lese, dass sie in einer Stichwahl keinerlei Chance hätte. Ich treffe bereits Vorbereitungen für eine Kern-EU, die aus Deutschland und China besteht.

Und nun bitte ich darum, mich in Ruhe zu lassen, da der Albernat piept und blinkt. Irgendetwas stimmt nicht, eine Fehlfunktion im schlimmsten, ein leerer Akku im besten Fall vielleicht die Ursache.