Hallo Seppo, wie sind die ersten Eindrücke von Berlin?

will Leser U. Franck gerne wissen, der, so scheint es mir, selbst Berliner ist. Überhaupt bin ich überrascht, wie viele Berliner das seppolog lesen und im Zuge von „Berlin ruft Seppo„, einer Serie, deren fünften Teil Sie gerade lesen, kommentieren. Aber vermutlich lesen hier auch viele Hamburger. Wagen wir den Test, ich bitte alle Hamburger Leser, sich kurz unten in den Kommentaren bemerkbar zu machen. Ist Hamburg wirklich die schönste Stadt Deutschlands? Wie sehen sie selbst das?

Heute gibt es die Antwort auf U.s Frage, doch schicke ich vorweg, dass ich ja lediglich Spandau kenne und Spandau derzeit in einen Bürgerkrieg mit Restberlin verwickelt ist, da die Separatisten partout nicht zu Berlin gehören wollen, was sie allerdings letztlich auch zu Separatisten macht. Ich kann also nicht über Berlin urteilen, jedoch über einen Ortsteil beziehungsweise Bezirk Berlins. Des Weiteren bin ich ja noch nicht lange drüben, sodass meinem Urteil auch dadurch weitere Grenzen gesetzt sind, doch das macht erste Eindrücke letztlich auch zu ersten Eindrücken.

Grundsätzlich drängt sich mir der Eindruck auf, die Menschen dort sind herzlicher. Und freundlicher, oder sagen wir, weniger oberflächlich freundlich. Wünschen dortige Verkäufer mir „noch einen schönen Tag“, klingt es für mich weniger nach Floskel. Fast nehme ich ihnen ab, dass sie das wirklich tun! Natürlich hatte ich noch nicht mit allen Verkäufern im Raum Berlins zu tun, sollte ich dazu sagen. Und natürlich weiß ich ja auch nicht, ob es sich jedes Mal um einen gebürtigen Berliner handelt, der mir da einen schönen Tag wünscht. Letztlich glaube ich trotzdem, dass auch ihnen egal ist, ob ich einen schönen Tag verlebe, aber es klingt einfach ehrlicher im Vergleich zu Verkaufshandlangern in meiner zweiten Heimat Düsseldorf oder in anderen Städten der britischen Zone.

In Woche drei meiner Berlinreisen bekam dieses Bild der freundlichen Menschen allerdings arge Risse. Freilich bin ich mit dem Konzept der „Berliner Schnauze“ vertraut. Man gibt sich rotzig und darf das, weil man es irgendwie geschafft hat, es als sympathisch zu verkaufen, als vielleicht etwas kauzig. Und auch hier betone ich – womöglich habe ich ja einen Berliner Vorgesetzten … -, dass ich hier verallgemeinere, denn ich habe solche und solche Berliner erlebt. Doch da war diese eine Bäckerin, die meine vier Kollegen und ich an einem Dienstagmorgen aufsuchten, um jeweils ein bis zwei Produkte ihres Handwerks zu erwerben. Es war nicht einmal eine komplizierte oder aufwendige Bestellung, doch die Dame jüngerer Auflage gab sich demonstrativ genervt, atmete schwer und stöhnte mehrfach auf. Meine Kollegen und ich sahen uns schmunzelnd an, konnten es gar nicht fassen, so grotesk war es.

„Morgen früh bestellen wir was wahnsinnig kompliziertes. In einem Monat haben wir sie gebrochen!“, sagte ich zu Kollegen Butzi, der das allerdings nicht mehr gehört hat, da er das Ladenlokal bereits verlassen hatte, was mir entgangen war. Unangenehme Situation, mit jemandem zu reden, der gar nicht da ist. Hoffentlich hat die Szene niemand beobachtet …

Am Folgetag erlebte ich bei meinem täglichen Besuch der „Total“-Tankstelle ähnliches. Ich kann nur mutmaßen, dass das Kassensystem ausgefallen war, als meine Tankenfrau, wie ich sie nenne, mir zurief:

„Bar.“

Wie bar?!, dachte ich. „Nur Bargeld heute?“

„Sach ich doch.“

Sacht se doch, dachte ich und freute mich über den seltenen Umstand, dass ich Bargeld dabeihatte und griff in das Kühlfach zu dem Wasser, das in meinen Besitz übergehen sollte.

„Müssen Se denn überhaupt was kaufen?!“, rief die Tankenlady, wie ich sie ganz selten nenne und wusste keine Antwort darauf, weil ich für eine morgendliche Kapitalismusdebatte schlecht gerüstet war, zumal ich Kapitalismuskritik in einer Tankstelle wirklich deplatziert fand. Also bewegte ich mich mit meinem Wasser zur Kasse und startete die Bargeldübergabe in Form eines 20-Euroscheines.

„Is‘ aber nich passend!“, raunzte die Tankendame, wie ich sie nie nenne, an.

„Das will ich doch hoffen!“, entgegnete ich.

„Kann ich nich annehmen.“

„Der ist echt!“, versicherte ich ihr.

„Kann nichts rausgeben.“

„Achsooo! Ich dachte, nur EC-Karte geht nicht!“

„Nur bar und passend, sach ich doch.“

Sachte se nich, dachte ich und sah in ihren Augen puren Hass auf mich. Fragte auch nicht mehr nach dem Grund, sondern drehte mich wortlos um, stellte das Wasser zurück und ging.

Mein Eindruck der freundlichen Verkäufer war dahin, mehr als nur getrübt, doch vermutlich ist es ganz einfach: Es gibt eben solche und solche. Und grundsätzlich gilt ja, dass jemand, der mich nicht kennt, zwar unfreundlich zu mir sein kann, dieses aber, eben weil er mich nicht kennt, gar nicht persönlich meinen kann; letztlich ist es mir also egal.

Natürlich habe ich nun viele Berliner Arbeitskollegen, wobei ich nicht bei jedem weiß, ob es wirklich ein Berliner ist. Aber alle sind durch die Bank weg sympathisch und nett, mein Eindruck ist noch nicht so weit gereift, dass ich einen großen Unterschied zwischen Berliner und Düsseldorfer Menschen machen könnte. Ich glaube aber, der Berliner ist weniger arrogant als der Düsseldorfer, der ja in der Regel sehr von sich und seinem Moloch von Stadt überzeugt ist. Der Berliner ist eben das nicht und das, was ich bislang von Spandau gesehen habe, würde mich als Spandauer auch nicht unbedingt mit überbordendem Solz erfüllen.

Doch wie ich mich drehe und winde: Mein erster Eindruck – ob er nun begründet ist oder nicht! – ist der, dass Freundlichkeit im Verkauf nicht unbedingt eine Berufsqualifikation sein muss. Doch das sehe ich mit Humor und freue mich auf meinen nächsten Besuch bei der Tankenma’am, wie ich sie ab sofort nennen werde, weil ihre Grummeligkeit irgendwie erheiternd ist.

Ich bin etwa drei Tage pro Woche in Spandau, teils in Falkensee, was schon wieder Brandenburg ist, doch strenggenommen sehe ich von beiden Orten wenig, da ich dort lediglich arbeite, während sich mein Privatleben dort auf sportliche Betätigung beschränkt, da für mehr schlicht nicht die Cait ist. Ich bekomme also wenig mit vom Stadtleben, was aber auch gar nicht mein Ziel ist. Ich gehe nicht davon aus, überhaupt viel von Kern-Berlin zu erleben, sofern ich nicht samt Mitbewohnerin komplett in die Hauptstadt der Herzen, die zufällig auch tatsächlich Hauptstadt ist, ziehe.

Der ÖPNV, nebenbei erwähnt, scheint mir dort allerdings eine Katastrophe zu sein. Auch das gehört zu meinem ersten Eindruck wie auch die Tatsache, dass „Saharahitze“ in Düsseldorf bei gleichzeitiger „Schneewalze“ in Berlin sich nicht ausschließen. Denke ich morgens auf dem Weg zum Düsseldorfer Hauptbahnhof noch

„Verdammt, viel zu dick angezogen!“,

denke ich vier Stunden später beim Aussteigen in Spandau

„Verdammt, viel zu dünn angezogen!“

Weder finde ich Berlin also scheiße noch besonders toll. Dazu sollte ich sagen, dass ich bis vor Kurzem Düsseldorf für eine Ruinenstadt hielt. Dieses Bild relativiere ich inzwischen …

Zweite Eindrücke werden sich aufdrängen und letztlich fahre ich gut mit der Einstellung, dass sehr entscheidend ist, wie man in einen Wald hineinruft.

Ach, Tankenlady, Sie werden Ihre eigene Serie hier im seppolog bekommen! Versprochen!