Meine Kugelhantel soll sein: ein Sportgerät. Zur körperlichen Ertüchtigung mit dem Ziel der Muskelhypertrophie, was geiler klingt als „Muskelaufbau“. Klingt so, als wüsste ich, wovon ich rede. Sowas eben. Ein Fitnessgerät also. Was man hochhebt, womit man dann kurz oder lang in der Luft verharrt, bevor man den Stahlklotz dann wieder absetzt, während man ganz entspannt einatmet. Ganz wichtig beim Hanteln: Ausatmen während der Belastungsphase und umgekehrt. Keinesfalls darf man die Luft anhalten, weil das zum überraschenden Ableben führen kann, zumindest in seltenen, dann aber ärgerlichen Fällen.

Ich neige zu meiner eigenen Überraschung nicht dazu, mir für den heimischen Kraftsport alles an Gerätschaften anzuschaffen, was der Markt hergibt, da eben doch einigermaßen viel Schrott verkauft wird. Der klassische Bauchwegtrainer ist ein gutes Beispiel für ein überteuertes Gerät, das für einen Waschbrettbauch gar nicht notwendig ist und dennoch sehr teuer. Und auch die Kugelhantel, seltsamerweise besser bekannt als kettlebell, hielt ich lange für ein Gerät, das alles andere als vielseitig ist, also für überflüssigen Schnickschnack. Inzwischen bereue ich diese Haltung, denn vor einigen Wochen wurde ich schwach, als ich wieder einmal bei Karstadt Sport Sport Karstadt Sports in der Hantelabteilung stand und mir zwei Kugelhanteln ansprachen. Die Dinger sehen so unglaublich männlich aus, so martialisch! Sie sehen so aus wie mein Bizeps in meinen Träumen … Nur wenige Minuten später trug meine Mitbewohnerin mir meine neue Kugelhantel zum Auto!

Und wie das so ist mit neuen Geräten im Sport, kann es durchaus schon einmal einige Wochen dauern, bis man sämtliche ihrer Möglichkeiten überhaupt erfasst hat. Das habe ich oftmals und auch bei der kettlebell unterschätzt: Glaubte ich zunächst, mehr als drei, vier Übungen sind mit dem Guß aus Eisen nicht drin, bin ich gerade dabei, mir rund 70 Übungen (die auch Variationen der Basisübungen beinhalten) reinzuprügeln. Es gibt keinen Muskel, vom schließenden abgesehen, den man nicht mit der Kugel penetrieren kann. Ich lege inzwischen ganze Kugelhantel-Tage ein, da ich das Teil für ausgesprochen effizient halte. Aber sie ist eben auch:

eine Abrissbrine.

Sie loszulassen ist zu unterlassen, Laminat reagiert nicht nur auf Nässe empfindlich, sondern auch auf eine mit 3g beschleunigte 16-Kilo-Kugel. Deutlich wird das insbesondere bei „Schwingübungen“, wenn man also die Kugel schwingt, was sich in etwa so ansieht:


(Bildquelle: bodybrands4u.de)

Der auf dem Foto bin nicht ich, bei mir ist die Abbildung lediglich ähnlich …

Ganz entscheidend ist nun, die Hantel nicht im Überschwang oder verschwitzter Hände wegen loszulassen, weswegen ich Hantelhandschuhe immer sinnvoller finde. Bei mir im Wohnzimmer flöge sie im Falle dieses GAUs entweder in den Monitor meines Rechners oder wahlweise in den meines Fernsehers, wobei bei Fernsehern gilt:

Monitor=Fernseher.

Das katapultierte Geschoss würde sich überdies von einem ersten Hindernis mitnichten aufhalten lassen; es würde vermutlich den Weg bis in die Wand zu unserem Nachbarn fortsetzen, der aber sicherlich außerhalb des Gefahrenbereichs lebt, wobei die Wand wahrscheinlich durchaus Schaden nehmen würde, denn darum geht es ja bei Abrissbirnen. Und ich weiß nicht, wann ich mir mehr Sorgen mache: wenn meine Mitbewohnerin oder eben der Fernseher in der Schusslinie steht. Da muss man abwägen, keine einfache, vielleicht eine Bauchentscheidung. Aber auch unter einem zweiten Aspekt spielt sie eine Rolle:

Grundsätzlich bin ich ein sehr schreckhafter Mensch und meine Mitbewohnerin hat ganz unabhängig von Renate Lohse, Ehefrau vom vermutlich schon eher bekannten Heinrich Lohse, mehr als einmal zu mir sagen müssen:

„Ich wohne hier!“,

wenn sie mal wieder (für mich) völlig überraschend in unserer Wohnung steht, womit sie mich mehrmals pro Woche durch ihr bloßes Dasein erschreckt:

„SCHOCKSCHWERENOT! Was tust du denn hier?! Warst du nicht eben noch in der Küche?!“

Wir haben schon, und das völlig ernsthaft!, darüber gesprochen, ob sie innerhalb unserer Wohnung eine Art Kuhglocke tragen sollte, damit ich jederzeit vorgewarnt bin, wenn sie den Raum betritt. Diese Notwendigkeit drängt sich umso mehr auf, seit ich begann, mit schweren Gewichten Kraftsport im Wohnzimmer zu betreiben. Denn: Betritt sie ausgerechnet dann den Raum, wenn ich zwei Hanteln über mir schweben lasse, um beispielsweise den Trizeps zum Platzen zu bringen, besteht die Möglichkeit, dass ich derart erschrecke, dass ich die „Hammerschlag“-Hanteln loslasse, die die Gesetze der Schwerkraft sehr streng auslegen, recht zeiteffizient auf meinen Kopf herunterfallen und mich umbringen, zumindest aber meinen Schädel inhaltlich meines Gehirns schwer beschädigen. Ich wäre vermutlich tot oder, falls nicht, schwerstbehindert. So gesehen ist das nicht witzig, sondern in der Tat nicht ungefährlich. Dabei sind Hanteln griffiger als kettlebells und in meinem Falle auch weniger schwer (15 Kilogramm). Und da ist diese eine Übung, bei der man das Gonadensymbol auf dem Rücken liegend bei angewinkelten Beinen über seinen Kopf unter gleichzeitigem Aufrichten des Oberkörpers hin zu den Knien bewegt. Werde ich exakt in dem Augenblick einem Schrecken ausgesetzt, wenn die Abrissbirne über meinem Gesicht schwebt, ist an Geistesleistung bei mir nicht mehr viel zu holen.

„Wenn wir dir eine Kuhglocke umhingen, wüsste ich immer, wo du bist!“

„Ich finde, das degradiert mich irgendwie! Kuhglocke?!“

„Wenn wir es ‚Glöckchen‘ nennen, stündest du auf einer Stufe mit dem Christkind! Klingt doch schon ganz anders!“

„Als nächstes willst du mich an eine Leine binden!“

Das hatte ich wirklich vor, verschweige das aber, denn ich habe auch nach zwölf Jahren noch Angst, meine Mitbewohnerin zu verlieren. Leine und Kuhglocke sind allerdings vom Tisch, doch meine Mitbewohnerin gibt sich kompromissbereit: Sobald sie sich meinem Aufenthaltsort nähert, tritt sie etwas fester auf dem Boden auf oder ruft schlicht:

„Ich komme jetzt rahein!“

Was aber ebenfalls nicht ungefährlich ist, denn ich erschrecke oft auch dann, wenn sie aus heiterem Himmel laut ruft. Es muss sich um einen Defekt im Hirn handeln, aber ich bin immerhin nicht allein. Ich kenne jemanden, der sich vor fest installierten Dingen erschreckt, die schon immer da waren: vor Säulen in einem Raum beispielsweise oder auch vor an sich harmlosen Kissen. Hallo, an dieser Stelle. Wir nehmen uns da beide nichts.

Murphys Gesetz liegt mir in diesem Gesamtzusammenhang schwer wie eine Kugelhantel im Magen. Denn auch oben beschriebene potenzielle Unfälle werden von Eddie, wie ich ihn nennen durfte, durchaus erfasst. Muss ich tatsächlich mit einem solchen Vorfall rechnen? Mich darf beruhigen, dass jenes Gesetz nicht uneingeschränkt gilt, es ist in Teilen falsifiziert  ist, beziehungsweise entzieht es sich nicht ganz unserem Einfluss. Ich muss also lediglich jeden Tag aufs Neue ungemein aufpassen, damit nicht alles, was von mir einmal bleibt, ein lustiges Youtube-Video ist, das mich zertrümmert unter einer Kugelhantel zeigt. Denn posten würde ich das auf jeden Fall. Wegen der Likes. Dann hätte ich mal welche …

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