(Quelle des Kassettencovers: hoerspielwelten.de)

Seit Jahren beschäftigt mich alle paar Monate immer wieder eine Frage: Was zur Hölle war das damals für ein Hörspiel, das ich mir als Kind von vielleicht sechs Jahren in der Katholischen öffentlichen Bücherei der Hiltruper St. Marien-Gemeinde ausgeliehen hatte?!

Jeder wird solche Rätsel wohl kennen, die auf diffusen Erinnerungen beruhen, die im Grunde auch gar nicht wichtig sind, einen aber aus unerfindlichen Gründen nicht loslassen. Und da ich vergangene Nacht nicht in den Schlaf fand, kreisten meine Gedanken um die Frage, um was für eine Kassette es sich damals gehandelt hat.

Natürlich habe auch ich als Kind mindestens einen der Klassiker gehört, die noch heute produziert werden: „Fünf Freunde“, „TKKG“ oder „Die drei Fragezeichen“. Selbst „Hanni und Nanni“ habe ich konsumiert, weil offenbar meine Schwester die ein oder andere Kassette davon besaß. Und „Alf“ höre ich zusammen mit meiner Mitbewohnerin noch heuer, weil wir dabei einfach sensationell einschlafen können, was gestern Abend allerdings nicht gelingen wollte, sodass ich das Internet bemühte, um diese langjährige Frage endlich zu beantworten.

Lag also da, starrte auf mein Handy mit aktiviertem Blaufilter, damit mir das Licht nicht noch mehr Müdigkeit raubte, während meine Mitbewohnerin nicht zum ersten Mal mit einem Kühlakku im Gesicht neben mir lag. Wir müssen allein deshalb aus dieser Stadt wegziehen, weil jeder inzwischen denken muss, ich schlüge sie. Es war aber einer ihrer Sparring-Partner ihrer Kampfkunstschule, dessen Ellbogen sich mit Anlauf in ihr rechtes Auge, das wegen eines ähnlichen Vorfalles bereits „geklebt“ war, gebohrt hat. Ein Blaufilter würde auch ihr nun ganz gut anstehen, jedoch gelang ihr ein Überschminken einigermaßen passabel und eine Sonnenbrille tat ihr Übriges. Aber was soll beispielsweise unsere Nachbarin Frau Fahrgescheit denken?! Regelmäßig trifft sie im Treppenhaus auf meine lädierte Mitbewohnerin. Vermutlich erzählt sie ihrem Mann:

„Dieser Flotho wirkt immer so harmlos zurückhaltend, aber das sind ja die Schlimmsten! Zuhause drischt er auf seine arme Mitbewohnerin ein, weil sie vermutlich entweder zu viel oder zu wenig salzt, wenn sie kocht!“

Zumindest im zweiten Punkt hätte sie Recht. Das Salzen bekommt mein Prügelopfer einfach nicht in den Griff. Aber deshalb schlagen?!

Zurück zu meinem Rätsel, da ihre blaugrüngelben Augen bereits Routine sind. Ich stand also vor dem Problem, dass ich lediglich wusste, dass da irgendein Hörspiel war, an Einzelheiten konnte ich mich aber nicht mehr erinnern, nicht einmal an grobe Züge. Nur eines war mir im Gedächtnis, was überhaupt keinen Sinn ergibt: Ich wusste noch, dass das Wort „Titelseite“ in jener Geschichte vorkam. Warum habe ich mir dieses unwichtige Detail gemerkt?! Ich kann nur vermuten. Womöglich konnte ich damals mit dem Wort nichts anfangen. Vielleicht hatte es für Miniseppo einen prägnanten Klang? So oder so, was könnte es mir bringen, bei „Google“ nach

titelseite kinderhörspiel 80erjahre

zu suchen?! Es brachte nichts. In meiner Verzweiflung, und weil ich die Zeit hatte, ging ich eine alphabetische Liste von Hörspielen durch, die ich auf hoerspiele.de fand. Ich traf auf viele alte Bekannte, jedoch nicht auf das Gesuchte.

Ich kann nun nicht mehr rekonstruieren, warum, aber plötzlich fiel mir ein, dass in jener Geschichte Figuren mit den Namen Gunnar und Rasmus vorgekommen sein müssen. Half mir aber auch nicht, zumal ich jetzt weiß, dass es kein Rasmus war, sondern eine Frau Rasmussen. Was mir allerdings half, war die sich dazu gesellende Erinnerung, dass es irgendwie um einen Kobold ging. Pumuckl?! Nein, das hätte ich noch gewusst, von dem hatte ich zahlreiche Hörspielkassetten. Troll! Es war ein Troll! Ich bemühte wieder Google und stieß auf einen armen Troll, der offenbar dieselbe Frage hatte wie ich:

Aha! Die angedeutete Geschichte kam mir bekannt vor! Mein Herz pochte plötzlich, als sei ich nie tot gewesen (war ich ja auch nicht), denn ich stand vor der Lösung eines jahrzehntealten Rätsels! Mike1975 lieferte die Antwort!

„So frech kann nur ein Kobold sein“, heißt offenbar das gesuchte Stück, das ich umgehend googelte. Die Bildersuche zeigte mir verschiedene Cover, die ich sofort wiedererkannte und „Youtube“, vermutlich nicht ganz legal, die alberne Trollgeschichte in voller Länge. Heute Morgen habe ich es mir angehört und in der Tat!, da verspricht ein Sensationsreporter dem nervigen Troll, ihn auf die Titelseite seiner Zeitung zu bringen! Da höre ich nach 30 Jahren und mehr diese eine Stelle, die sich in mein Gedächtnis gefressen hatte, die ich vermutlich selbst dann noch erinnern werde, wenn eine deftige Demenz über mein Hirn hergefallen sein wird, da ja die Kindheitserinnerungen in der Regel als letzte schwinden.

Heute Abend werde ich meine Mitbewohnerin den Genuss der Abenteuer dieses Trolls näherbringen und es wird sie als alter Janosch-Fan freuen, dass ich ein zweites, ganz ähnliches Rätsel vor wenigen Minuten lösen konnte.

Denn da war noch ein zweites Kinderhörspiel. Hier wusste ich lediglich, dass dort gesungen wurde, es aber dennoch kein „Disney“-Hörspiel war. Und irgendwie war es eine Art Western. Mit einem Sheriff? Ja! Also googelte ich

hörspiel kinder sheriff

Googles Algorithmen, die mir eine online Essensbestellung bei „Lieferando“ nahelegten, da ich gestern dort nach dem Lieferservice von „Burger King“ gesucht hatte (auch gefunden, dann aber doch bei „McDonald’s“ bestellt, da ich derzeit versehentlich unterernährt bin), schlugen mir den „Mäusesheriff“ von Janosch vor. Das fand ich abwegig. Ich war nie ein Janosch-Fan, auch wenn ich dessen Kolumne im „Zeit-Magazin“ sehr nett finde. Ich finde die Janosch-Geschichten jetzt auch nicht scheiße oder so, aber sie sind eben nicht so meins, wie man so sagt, wenn einem etwas nicht unbedingt zusagt. Höre ich oft beim Essen:

„Die Oliven sind nicht so meins.“

Meins auch nicht. Obwohl also nicht meins und nicht der Meinung, dass ich damals Janosch in der Kirchenbücherei ausgeliehen habe, probehörte ich den „Mäusesheriff“ bei „Amazon“, da Janoschs Rechteverwalter bei Youtube offenbar einen guten Job erledigen, was für die des Trolls nicht gilt, und stieß sofort auf jenen Gesang, den ich noch diffus in Erinnerung hatte!

„Oh Susanna! Ein Walfisch ist kein Hund. Und hast du ein Stückchen Blei im Bauch, dann bist du nicht mehr gesund!“

Ich weiß jetzt nicht, wer Susanna ist, und dass ein Walfisch kein Hund ist, war mir auch mit sechs Jahren sicher schon klar. Und warum muss man Kindern mitteilen, dass Blei im Bauch ungesund ist?! Ich werde mir das Hörspiel heute kaufen. Es ist nicht teuer und das Auffrischen dieser Kindheitserinnerung zweifellos wert.

Fast am schönsten finde ich, dass ich bei der ewigen Google-Suche auf „Rasmus, Pontus und der Schwertschlucker“ gestoßen bin, ein Buch, das mir eine Zeit lang mein Vater vorgelesen hatte. Und es ging noch tiefer in das Reich der schönen Erinnerungen: „Feuerschuh und Windsandale“ fiel mir im Zuge dessen ein; ebenfalls eine Geschichte, die er mir vorlas. Es geht um einen Jungen namens Tim, der etwas pummelig ist und mit seinem Vater vier Wochen lang auf Wanderschaft geht. Auch ich trug als Kind Sandalen. Heute auf Schulhöfen ein sicheres Todesurteil.

Ich werde melancholisch. Warum ist das so? Warum können einem Kindheitserinnerungen, die ja in diesem Fall durchweg positiv sind, so nahegehen, dass einem vor Rührung das Wasser in den Augen steht? Und wenn ich gleich meinen Vater anrufe, um zu fragen, ob es jene beiden Bücher noch gibt: Was wird das wohl in ihm auslösen?