„Wir fahren schnell hin, gehen rein, zwei Läden, zwei Hosen, zwei Hemden und wieder ab nach Hause. So wie Männer eben einkaufen.“

Das ist mein Plan für den vergangenen Samstag, mit dem ich meiner Mitbewohnerin unseren – achtung! – Einkaufsbummel in den Düsseldorfer Bilker „Arcaden“ [sic!] schmackhaft machen will, da ich wetterbedingt dringend kurze Hosen und ebenso kurze Hemden benötige.

„Du hast ungefähr zehn kurze Hosen im Schrank!“

„Es sind sechs. Und sie sind mir alle zu weit geworden. Moment …“

Ich eile zum Schrank im Ankleidezimmer, in dem wir auch schlafen (im Zimmer, nicht im Schrank), Modell „Carmen“ von „Möbel Boss“ (399 Euro, ein Schnapper!) und schlüpfe (so macht man das nämlich) in eine der angeblich zehn Hosen. Trete dann vor meine Mitbewohnerin und lade sie ein, mit in die Hose zu schlüpfen.

„Platz wäre noch“, frohlocke ich gönnerhaft.

„Meine Fresse, du wiegst bald weniger als ich. Zeit für eine Massephase!“

Ich habe inzwischen elf Kilo abgenommen, da ich nicht weiß, wie ich den Zug stoppen soll, ohne zu viel zuzunehmen – ein Luxusproblem.

Kurze Hosen finde ich bei den meisten, nicht allen!, Männern einigermaßen schwierig. Auch bei mir erfüllen sie lediglich eine Funktion, die mit Optik nicht viel zu tun hat, obwohl ich mich zu den Männern zähle, die kurze Hosen zumindest mit einem Rest an Würde tragen können, sieht man mal von meinen signalweißen Beinen ab.

„Ich brauche auch noch Schuhe zu den kurzen Hosen“, erkläre ich weiter, „Aber das geht alles ganz schnell heute.“

Nichts geht schnell. Denn die Modeindustrie hat sich in einen Trend verrannt, der bei so ziemlich jedem Mann schlicht scheiße aussieht. Kurze Hosen, so sehe ich das, müssen mindestens bis zum Knie gereichen, gerne auch darüber. In diesem Sommer allerdings wird den Männern die hotpants oktroyiert. Um die Kürze der neuen kurzen kurzen Hosen noch zu betonen, werden die Bein-Enden der Hose auch noch umgeschlagen, sodass sie fast schon in den Schritt einschneiden.

Optisch sieht das Ganze gnadenlos lächerlich aus – und nicht nur bei mir. Nach dem ersten erfolglosen Laden („Olymp & Hades“) mischen wir uns unter den Pöbel und betrachten die kurzbehosten Männer in dem Einkaufszentrum, um festzustellen, dass sie aussehen wie zu groß geratene kleine Jungs. Es sieht einfach – ganz objektiv – beschissen aus. Lächerlich gar. Und wir staunen, wie viele der Männer sie mit einer gewissen Überzeugung tragen, sodass ich den Nächstbesten am liebsten stoppen will, um ihm mitzuteilen:

„Sie wissen schon, dass das scheiße aussieht?!“

Aber das ist meine Aufgabe nicht, auch wenn ich freilich Recht habe. Objektiv Recht.

Also gehen wir zu meinem Favoriten „Jack and Jones“, jenem Geschäft, das eine zweischneidige Angelegenheit für mich ist.

„Die haben immer was für mich!“

Aber es ist auch der Laden mit den aufdringlichsten Verkäufern, die ein Mensch überhaupt nur für möglich halten kann.

„Da steht schon wieder der Große!“, erkennt meine Mitbewohnerin und meint damit jenen Verkäufer, von dem ich mich bereits sexuell belästigt fühlte, was hier irgendwo im seppolog bereits mehrfach Widerhall fand. Vor zwei Jahren schon schrieb ich über ihn:

Bei „Jack and Jones“ in Düsseldorf-Bilk gibt es einen Verkäufer, der etwa zwei Meter fünfzig groß sein muss. „Jack and Jones“ ist mein Laden, allerdings tummeln sich dort auch die penetrantesten Verkäufer. Ich weiß, es ist ihr Job und sie sind angehalten, die Kunden zu belästigen. Da ich Menschenkontakt eher ablehne, ist der Einkauf dort für mich eine Therapiestunde, aber auch eine sportliche Herausforderung. „Danke, ich sehe mich um.“ sage ich schon beim Betreten des Ladens. Dann stehe ich da in der Umkleide mit dem schwarzen Vorhang, der nicht mit der Decke abschließt. Porbiere gedankenversunken eins meiner zwölf Hemden an, begutachte es und mich im Spiegel, als plötzlich aus dem Nichts eine dunkle Stimme fragt: „Passt’s?“ Im Spiegel sehe ich den zwei Meter sechzig großen Verkäufer, der gar nicht anders kann ob seiner Größe, als über den schwarzen Vorhang hinweg zu sehen. Ich bin ohnehin sehr schreckhaft, aber das war zuviel des Guten. Wie lange stand der da schon?! Hat er mir auch beim Popeln schon zugesehen? Wo hab‘ ich den Popel abgewischt?! Ich sage: „Danke, ich seh‘ mich um.“ und ignoriere ihn. Er ist feinfühlig und merkt es, geht eine Kabine weiter und ich höre noch „Passt’s?“ [sic!, habe aber schon vieles an Interpunktion dazugelernt, wie man an diesem „alten Text“ sehen kann!]

Mit gemischten Gefühlen betreten wir den Laden, leicht angstvoll, und geraten direkt in die Fänge eines Handlangers.

„Habt ihr schon von unserer Aktion gehört?“, will er wissen. Und ich mache den Fehler und sage:

„Nein.“

„Also wenn ihr zwei Teile kauft, bekommt ihr die basics dazu.“

Basics, das habe ich in diesem Laden bereits gelernt, sind beispielsweise Unterhosen.

„Ich will keine basics. Ich sehe mich um.“

„Welche Größe denn?“

„Wie, welche Größe?! Ich sehe mich um!“

Und das tue ich dann auch und muss einsehen, dass man bei „Jack and Jones“ ebenfalls auf hotpants für den Manne setzt. Ich probiere dennoch zwei Exemplare an und stelle fest, dass ich inzwischen auf Hosenweite 29 geschrumpft bin. Auch die Umkleide kommt mir inzwischen viel geräumiger vor, da ich selbst, um diesen kracher Gag kurz zu erklären, nicht mehr so viel Raum benötige, was meine Mitbewohnerin und ich inzwischen auch bei unserer derzeitigen Wohnungssuche berücksichtigen.

Ich stehe also da in meiner kurzen kurzen Hose und sehe aus wie ein Vollidiot. Will das natürlich meiner Mitbewohnerin nicht vorenthalten, reiße den Vorhang weg und rufe:

„Sieht das kacke aus!“

Erschrecke im selben Augenblick, da vor mir jener großer Verkäufer steht, der überdies – es tut mir leid, ich habe nie gesagt, tolerant zu sein (Dachte ich heute beim Duschen drüber nach: exakt die Leute, die gerne und laut von sich behaupten, besonders tolerant zu sein, sind es eben nicht. Und es ist übrigens gar kein hehres Ziel, alles tolerieren zu müssen. Man muss eben nicht. Ich detoleriere so einiges.) – eine unfassbar alberne Stimme hat.

„Die sitzt!“, sagt er.

„Die sitzt nicht!“, sage ich.

„Du kannst ja nicht erwarten, dass eine Hose direkt beim Anprobieren sitzt!“

Aha. Das erinnert mich an einen Loriot-Sketch, der sehr sehenswert ist, den ich gerade aber nicht finde. Heute noch aktuell. Es geht um ein Ehepaar, dessen männlicher Teil einen Anzug erwerben möchte. Der Anzug sitzt nicht ansatzweise, aber der Verkäufer weiß:

„Das trägt man heute so in Paris!“

Inzwischen mein Standardspruch, wenn meiner Mitbewohnerin mal etwas nicht passt.

„Wozu probiere ich sie an, wenn ich davon ausgehen muss, dass sie beim Anprobieren nicht passen kann?!“, frage ich, sehr klug, wie ich finde.

„Ich mache dir ’nen Vorschlag: Trag die Hose über Pfingsten probe. Kannst ja mal den Müll damit rausbringen und ein paar Treppenstufen gehen. Und Dienstag dann eventuell zurückbringen!“

Ich liebe exakt solche Momente: Wenn man mit einer im Grunde nicht zu fassenden Idiotie konfrontiert ist, die nur so von Komik strotzt. Das ist doch herrlich! Was zur Hölle redet dieser Mann? Ich soll in dieser Hose nun also testweise Müll rausbringen?!

„Sie passt nicht. Und sieht übrigens kacke aus. Ich müsste zwei untereinander davon anziehen, damit sie ansatzweise zum Knie gehen!“

„Das trägt man jetzt so!“

„In Paris?!“

„Wie?“

„Ich schau mich um.“

Zwei annehmbare Modelle finde ich bei „S. Oliver“, einer Marke, die ich sehr unmännlich finde. Aber aus unerfindlichen Gründen hat mein „Esprit“ die Herrenabteilung abgeschafft.

„Was zur Hölle muss ich in diesem Jahr denn noch alles verkraften?!“

Bei „H&M“ finde ich grundsätzlich nie etwas, zumal ich dort jedes Mal Probleme habe, überhaupt die Herrenabteilung zu finden.

„Die ist oben!“, sagt dann immer meine Mitbewohnerin.

„Beim letzten Mal war sie aber noch unten!“, bekunde ich dann.

„Sie war schon immer oben!“

„Pfff.“

Bei S. Oliver zerstöre ich ein Shirt. Das Anziehen gelingt mir noch, doch ahne ich dabei bereits, dass das Ausziehen sich zu einem Problem auswachsen könnte. Meine Mitbewohnerin wartet vor der Umkleide und hört:

„Wie, verdammte Tat, komme ich hier raus?! Wie ziehe ich das Teil wieder aus? Es ist so eng! Die Muskeln drohen es zu zerreißen!“

„Zieh es wie eine Frau aus!“, rät sie mir.

Wie eine Frau?! Wie ziehen Frauen sich Shirts aus?!“

„Du nimmst unten das Bündchen mit gekreuzten Armen …“

„Ich kreuze die Arme?! Warum machen Frauen alles so kompliziert?!“

Meine Mitbewohnerin kommt zu mir herein, sodass nun vier Hände an dem Shirt zerren.

„Pass auf meine Frisur auf! … Vorsicht! Der Bart! … Warte, wenn ich hier ziehe, dann-“

Zraaatsch. Gerissen.

„Das war ich nicht!“, rufe ich reflexartig und lüge damit, „Bin ich zum Kauf verpflichtet? Ich meine, man könnte es zurück nach Bangladesch zur Reparatur schicken. Kleine Kinderhände-“

„Schnapp dir die zwei Hosen und dann weg hier!“, ruft meine Mitbewohnerin bereits auf der Flucht.

Jetzt sitze ich am Pfingstmontag in Berlin in einem leicht überhitzten Büro und freue mich über meine kurze Hose. Und da ich heute, am Feiertag, freiwillig arbeite, darf ich auch diesen Text verfassen. Im Büro.