Es ist diese die siebte Folge der heiteren Serie seppoABC, die dem treuen Leser dieses Blogs einen selten intimen Einblick in die Persönlichkeit des Chefautoren ermöglicht. Wie das äußerst kreative Beitragsbild oben andeutet, geht es heute um den Buchstaben G und selbstverständlich verzichte ich auf den billigen Scherz, mit dem G-Punkt um die Ecke zu kommen, denn ich arbeite grundsätzlich bei Frauen nur noch mit dem hochgradig erogenen H-Punkt. Dazu dann also im nächsten Teil mehr.

Ursprünglicher Gedanke hinter diesem ABC war, auf geradezu erschreckend billige Weise Schlagwörter für Artikel zu kommen, was sich jedoch als sehr optimistisch herausstellen sollte, denn auch heute fällt mir kein Begriff mit G ein, der mich in irgendeiner Form beschreiben würde. Die meisten liegen mir auch schlicht zu nahe:

  • geduldig
  • geerdet
  • gefühlvoll
  • geistreich
  • gelassen
  • generös
  • genügsam
  • galant

Allesamt Begriffe also, bei denen, wer mich kennt, unweigerlich an mich denken muss. Doch so einfach mache ich es mir nicht und frage abermals meine Mitbewohnerin um Rat, die mir „Gürtelloch“ vorschlägt, da ich aufgrund meiner physischen Dematerialisierung derzeit sämtliche meiner Gürtel um ein bis zwei Löcher erweitere – und zwar nach hinten!

„Nimm doch ‚gesellig‘!“, schlägt mir gerade eine Freundin via Facebook vor, was ich umgehend als kleinen ironischen Seitenhieb entlarve, da „gesellig“ und mein Name nie zusammen in einem Satz auftauchen.

Wählen wir also die große Lösung, nachdem ich „Größenwahn“ verworfen habe:

Gott.

Denn gerade noch rechtzeitig fiel mir etwas ein, was heute am frühen Morgen sich zugetragen hat, nachdem ich meine frische Beule versorgt hatte, die Folge meiner Berliner Dachschräge war: In der vergangenen Nacht bin ich Gott erschienen. Und wie wir von seinem gotteslog wissen, ist Gott ein Blogger vor dem Herrn; ich selbst habe es freilich abonniert, das:

Blättern wir ein wenig in Gottes Blog, stoßen wir auf jenen Artikel, in dem er von seiner Seppoerscheinung berichtet. Lehnen wir uns also zurück, sofern nicht starke Kurzsichtigkeit vorliegt, und lesen diese interessanten Zeilen, die so unwahrscheinlich wie faszinierend sind …

Hi, habe hier lange nichts mehr geschrieben, nachdem ich einsehen musste, dass ich keine Chance auf den Gewinn der „Seppo Blog-Auszeichnung“ 2016 habe. Seppo scheint nicht so richtig an mich und meine Fähigkeiten zu glauben und langsam frage ich mich, ob es diesen Seppo überhaupt gibt! Man hört zwar vieles von ihm, einige lesen sogar seine Bibel, die er gleich selbst schreibt, weil er vermutlich anders als mein Sohn, Jesus, seine Lehren aus dem Evangelisten-Debakel gezogen hat. Vermutlich hat jener Seppo auch gar nicht verstanden, dass Jesus gar nicht mein Sohn ist. Es sind eben komplizierte Familienverhältnisse, Josef kann ein Lied davon singen.

Doch letzte Nacht, die nicht die letzte, sondern die vergangene war, ist etwas sehr Kurioses geschehen: Ich lag wach in meinem Bett und musste tierisch schiffen. Überlegte noch, ob ich aufstehen sollte oder noch bis zum Morgen durchhalten könnte. Immer dieses Verhandeln mit sich selbst … Entschied dann, doch zur Toilette zu gehen, weil es schon fast wehtat. Und als ich wiederkam, traute ich meinen Augen nicht! Auf meinem Bett saß eine Seppo-Erscheinung! Ich so:

„Äh, was geht hier?! Bist du … bist du, also, bist du … der wahre Seppo?!“, fragte ich natürlich.

„Du träumst nicht. Ich bin real. Ich bin hier“, sagte er völlig zusammenhanglos. 

„Habe nie gefragt, ob ich träume!“

Dein Fehler. Das ist eben immer mein erster Satz, wenn ich Göttern erscheine!“

„Habe da schon oft drüber gelesen! Hielt die Götter immer für Spinner, wenn sie erzählten, du seist ihnen erschienen!“

„Setz dich zu mir, Gott“, forderte Seppo mich auf und natürlich tut man am besten das, was Seppo einem sagt.

„Gott, ich habe dich heimgesucht, da ich mich fragte, an wen oder was ich glaube.“

In dem Moment fiel mir auf, dass Seppo unfassbar schöne Augen hat. Dass der sich darauf keinen einbildet, zeigt, was für ein geerdeter Mensch er ist. Ich gerate ins Schwärmen und vergesse fast, ihm Antwort zu geben.

„Ich habe dir gar keine Frage gestellt!“, sagte er plötzlich. Er konnte allen Ernstes meine Gedanken lesen!

„Ich bin ja auch Seppo“, sagte Seppo, der schon wieder meine Gedanken gelesen hat. Teufelskerl!

„Ich meine, kann es dich überhaupt geben bei all dem Leid auf der Welt?“, fragte er. Und ich sagte ihm, dass ich diese ewige Frage nach der Theodizee schon oft genug ausweichend beantwortet habe. Also versuche ich es mit einer Gegenfrage:

„Du musst ja nicht an mich glauben. Aber an was glaubst du dann?“

Damit hatte Seppo nicht gerechnet und ich bemerkte seine seltsam abknickenden Ohren. Ich hoffte für ihn, dass dieser Knick sich mit zunehmenden Alter nicht noch verstärkt. Wir wissen, dass das männliche Ohr noch Jahre nach dem Tod weiterwächst.

„Starr nicht so auf meine Ohren. Sie haben eben einen Knick. Kann nur hoffen, dass der im Alter nicht noch dominanter wird. Nun, um auf deine Gegenfrage zu antworten: Ich verstehe gar nicht, warum der Mensch immer meint, überhaupt an etwas glauben zu müssen!“

„Naja, euer Leben muss ja einen Sinn haben.“

„Ja? Muss es das? Ich sehe das eigentlich sehr nüchtern. Man wird geboren, bestenfalls in eine lebensfreundliche Umwelt, und kann Spaß am Dasein haben, sofern man nicht irgendeine Not leiden muss. Es gibt kein originäres Ziel. Man kann sich selbst Ziele setzen, aber die Natur hat uns keines mit auf den Weg gegeben.“

„Ganz sicher, Seppo? Ist es nicht deine Aufgabe, dich zu vermehren?“

„Und was wäre dann das Ziel meiner Kinder?! Ebenfalls Kinder zu empfangen?! Dieser Daseinssinn ergibt keinen Sinn. Er wäre eine Endlosschleife.“

„Aber was ist denn das für ein Leben, das du da führst?! So ganz ohne Sinn?!“

„Ich bin eigentlich ganz glücklich. Ich werde also auf keinen Fall 80 Jahre nach einem Sinn suchen, nur um dann festzustellen, dass es keinen gibt. Es muss ja auch keinen geben! Sinnsuchende sind in meinen Augen Unzufriedene. Ich bin zufrieden. Und ich werde mein Leben nicht einem Gott verschreiben, den es dann plötzlich gar nicht gibt! Selbstmordattentäter gehen eine hohe Wette ein!“

„Aber du brauchst doch Glaubensgrundsätze für dein Leben, Seppo!“

„Nein. Ich brauche Prinzipien. Davon habe ich eine Menge, sie sind die, achtung, jetzt wird’s gut!, Leitplanken meines Lebens! Im Grunde genügte schon der Kant’sche Indikativ!“

Imperativ meinst du wohl.“

„Hm? Ja. Was sagte ich?“

„Indikativ.“

„Achso, hehe, nein. Imperativ.“

„Und es heißt eigentlich auch Kategorischer Imperativ. Nicht Kant’scher!“

„Was sagte ich?“

Kant’scher!“

„Achso, hehe, nein. Kategorischer. Und der reicht völlig.“

„Seppo, ich glaube dir das nicht. Du willst es so sehen, aber betrügst du dich nicht selbst?!“

„Nein.“

„Mal angenommen, du wärst in einer Notlage. Gibt es da nicht mal ein Stoßgebet gen Himmel? Oder handelst du nicht manchmal deals mit einer höheren Macht aus?“

„Ganz früher habe ich mal gedacht, wenn ich mir keinen runterhole, wird die Mathearbeit am nächsten Tag ’ne Eins. Klappte nicht. Magisches Denken … außerdem ein hoher Preis für ’ne Eins in Mathe.“

„Schicksal? Was ist mit Schicksal?“

„Ja!“

Damit hatte ich ihn offensichtlich. An seinem Kopf fiel mir eine Beule auf, so nebenbei.

„Gestoßen? Den Kopf?“

„Wessen?“

„Deinen.“

„Ja, Dachschräge in Berlin. Jeden Morgen sehe ich sie zum ersten Mal.“

„Schicksal, Seppo.“

„Doofheit, Gott.“

„Nein, ich meine: Was ist nun mit Schicksal?“

„Ich glaube an Schicksal. Ja, du hast Recht. Ich glaube an etwas. An Schicksal. An so etwas wie ausgleichende Gerechtigkeit. Die Dachschräge zum Beispiel wird diesen Kampf auf lange Sicht verlieren. Mein Kopf wird sie einbeulen.“

Ein Wirrkopf. Sollte er mal ein ABC zu sich schreiben, könnte er für G „gestört“ wählen.

„Ich bin mir zum Beispiel sehr sicher, dass wenn ich etwas Schlechtes tue, etwas wirklich Schlechtes, ich es irgendwann zurückbekomme. Gilt auch umgekehrt. Tut mir jemand was Schlechtes, unterdrücke ich meine Mord- und Rachegelüste, weil ich fest daran glaube, dass sich das Schicksal an meiner statt rächen wird. Mein Lebensweg ist gepflastert mit entsprechenden Beispielen. Bei manch einem warte ich allerdings noch. Und zwar geduldig.“

„Siehst du! So rational wie du dich immer gibst, bist du dann ja gar nicht!“

„Ich finde diesen Mechanismus sehr rational. Schicksal ist das rationalste, was ich mir vorstellen kann. Beispielsweise ist es nach dem Urknall nur folgerichtig gewesen, dass ich nach langer Durststrecke vor nahezu 13 Jahren meine Mitbewohnerin durch einen äußerst kranken Zufall getroffen habe. Der kein Zufall sein konnte.“

„Sondern Schicksal?“

„Ja. Rationales Schicksal.“

„Wer ist das Schicksal?“

„Wie, wer?! Da muss doch niemand hinterstecken! Du willst ja nur, dass ich dich dahinter verorte!“

„Oder das Universum?“

„Ich habe das Universum schon mehrfach um einen Parkplatz gebeten. Es funktioniert nicht. Demzufolge gibt es kein Universum.“

„Du verrennst dich.“

„Ja. Zeit zum Ende zu kommen. Zumal ich gleich im eigenen Bett aufwachen muss. Was sollen deine Nachbarn sonst denken?“

„Neben mir wohnt Aphrodite. Was glaubst du, wie oft die schon aus meinem Bett gestiegen ist!“


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