Ich laufe seit dem Frühjahr 2002 und immer wieder werde ich gewarnt vor einer Konfrontation mit Wildschweinen, obwohl ich viel lieber auf Wölfe treffen würde. Dieser Wunsch wurde mir heute nicht erfüllt, als ich in einem eigentlich eher kleinen Waldstück im brandenburgischen Falkensee auf Wildschweine traf.

Schon in Düsseldorf warnte mich 2008 mein damaliger Vermieter vor diesen Ungetümen im „Grafenberger Wald“, was ich allerdings nicht unbedingt ernstnahm, bis mich eines morgens, noch stockdunkel, ein Getrampel verfolgt hatte. Wegen der Finsternis (meiner Seele) kann das aber auch ein Maikäfer oder ein Nashorn gewesen sein. Heute war es definitiv kein Nashorn, denn ein solches hätte ich am Horn erkannt.

 

Zunächst sah ich in einiger Entfernung zwei kleine Frischlinge meinen Weg kreuzen, wobei „Frischling“ ja schon den kleinen Körper impliziert, es sei denn, es waren kleine kleine Wildschweine. Das aber kann ich nicht beurteilen, da ich kein Kenner der Wildschweinszene bin. Obwohl: Ich war immer auf eine solche Begegnung vorbereitet, da ich als risikoaverser Mensch auf alles vorbereitet bin.

Achim Achilles ist unter Läufern bekannt und natürlich hat auch er sich dieses Themas angenommen, denn der Leser muss wissen, dass Wildschweine anders als Hausschweine in der Tat zu einer lebensbedrohlichen Gefahr werden können; insbesondere, wenn Frischlinge im Spiel sind, da Wildschweinmütter, also Wildschweinkühe in Abgrenzung zu Kuhschweinen, nicht lange fackeln und mögliche Bedrohungen recht zielstrebig entdrohen wollen. Und sie sind schnell: 50 Stundenkilometer schaffen sie in der Spitze. Ich hingegen komme auf einen Wert, der sich eher zwischen 20 und 30 bewegen dürfte. Usain Bolt vermag knapp 45 km/h. Auch er wäre leichte Beute.

Weil ich zunächst der Meinung war, jenes Waldstück, in dem ich seit zwei Wochen etwa laufe, sei frei von Fauna dieser Art, hielt ich die Frischlinge für kleine Hunde oder große Raupen. Neugierig ging ich also weiter, um dann doch festzustellen, dass es gut genährte Schweinchen waren, deren Geruch mir auch keineswegs entging. Ich entschied, mich langsam zu entfernen. Denn wo Frischlinge sind, sind Spätlinge nicht weit.

Auf keinen Fall soll man sich Frischlingen nähern. Grundsätzlich bleiben Wildschweine aber auf Distanz, ignorieren den Menschen – solange sie keinen Nachwuchs dabei haben.

Wildschweine haben ein gutes Gehör und einen ausgeprägten Geruchssinn. Dass heißt, sie bemerken den Mensch früh und halten Abstand. Eigentlich gelingt es nur geübten Jägern, sich nah an die Tiere heranzupirschen. [sic!]

Ich bin also einem geübten Jäger ebenbürtig, nur des Schießens mangels Schusswaffe nicht mächtig. Diese Tiere blieben nicht auf Abstand.

 

Denn urplötzlich vernahm ich Schnaufen und Getrampel. Das obige Video zeigt, dass das Schnaufen durchaus meiner eigenen Nase entfleucht sein könnte, das Getrampel jedoch nicht, da ich gazellengleich laufe. Nun überlegte ich, ob ein Reh die Ursache sein könnte, beschloss allerdings, das zu tun, wovon geübte Jäger und Achim Achilles abraten: Ich ergriff die Flucht.

Keine hektischen Bewegungen machen und langsam entfernen. Die Bache, das Wildschweinweibchen, könnte sonst zubeißen.

Die Begegnung mit einem Männchen kann durchaus lebensgefährlich sein: Die Keiler versuchen einen umzuschmeißen. Vor allem aber haben sie rasierklingenscharfe Zähne. Obere und untere Zahnreihe reiben  gegeneinander, wodurch das Gebiss ständig geschärft wirft. [sic!]

Da ich cainerley Cait hatte, das Geschlecht des Tieres zuverlässig festzustellen, und ich der Meinung war, dass das Tier bereits hinter mir her war, verwarf ich den Rat, den mir ein Förster einmal gab:

„Sobald Ihnen das Tier auf den Fersen ist, klettern Sie auf einen Baum! Im Wettlauf mit einem Wildschwein sehen Sie alt aus.“

Aber ich rannte. Das allerdings nur, weil ich wusste, dass die rettende Hauptstraße nicht fern war und ich glaubte, dass die Tiere nicht bis dorthin folgen würden, womit ich offenbar Recht hatte.

Achim Achilles ist jedoch unbeeindruckt und weiß:

Dass ein Wildschwein einen Menschen jagt, ist aber überhaupt sehr unwahrscheinlich.

Das sehe ich seit heute Morgen etwas anders und wage gar nicht mehr, in diesem Wald zu laufen.

Nun wurde ich zurecht gefragt, warum ich denn noch die Zeit hatte, die Handykamera zu starten. Das ist schnell beantwortet, denn die läuft bei mir im Grunde permanent, Besucher meiner Facebook-Seite werden das wissen. Dort läuft bereits seit 21 Wochen, zwei Tagen und 17 Stunden ein Facebook-Live-Video.

Der wahre Grund ist der, dass ich solche Situationen natürlich mitzeichne, damit die Nachwelt beispielsweise auch im Falle eines plötzlichen Herzanfalles beim „Joggen“ meine letzten Minuten rekonstruieren kann. Andernfalls heißt es ganz schnell:

„Das Opfer hatte vermutlich in dem Waldstück nach schnellem und dreckigem Sex gesucht und wurde dabei Opfer eines hinterhältigen Sexgangsters.“

Das gilt es freilich zu vermeiden, zumal ich schnellen und dreckigen Sex wohl kaum in einem Wald suche, sondern woanders finde. An dieser Stelle Grüße an den Club „Real Cowboys Düsseldorf e.V.“

Wo laufe ich also künftig her? Ich meine, als ob ich noch einmal diesen Wald betrete! Wildschweine reagieren, so lese ich, besonders dann empfindlich, wenn man ihren Weg kreuzt. Im heutigen Fall war mein Eindruck eher, dass sie meinen Weg kreuzen, doch glaube ich nicht, dass sie bei einer Konfrontation über diesen strittigen Punkt mit mir lange diskutieren würden. Daher möchte ich vermeiden, künftig ihren Weg zu kreuzen, doch wissen wir aus der Terrordiskussion, dass man sich keinesfalls in seiner Lebensweise einschränken lassen darf. Denn exakt das wollen die Schweine. Über Bewaffnung beim Laufen habe ich schon öfter nachgedacht; bislang waren es aber eher Hunde, die „nur spielen wollten“. Bei ihnen rechne ich mir zumindest geringe Chancen aus, im richtigen Moment zuzustechen. Das klingt nun etwas unverhältnismäßig, aber wer schon einmal von einem Hund angefallen wurde, der wird mir da sicherlich beipflichten. Hundeleichen pflastern meinen Weg. (An dieser Stelle verliere ich rund 100 Abonnenten sowie meinen Sponsor „Frolic“.)

Doch mit einem Schwein würde ich wohl nicht fertig.

Ich weiß, dass viele geübte Jäger unter meinen Lesern sind. Irgendwelche Verhaltensratschläge? Wald meiden? Wildschweinmaske tragen? An die Hundefreunde: War nur Spassssss!