Gestern noch in illustrer Runde „Klugscheißer“ gespielt, ein Spiel, in dem Schätz- und Wissensfragen gestellt werden, die sich auf mitunter unnützes Wissen beziehen. Beispiel:

„Warum hat der Mensch zwei Nasenlöcher?“

Ich war der Meinung, das sei deshalb der Fall, weil eines immer verstopft ist. Tatsächlich ist der Zweck dahinter der, dass der Mensch auf die Weise die olfaktorische Quelle verorten kann. 3D-Riechen gewissermaßen. Meine Begründung allerdings fand ich stichhaltiger. Denn es ist ja in der Tat der Fall, dass eine der beiden Öffnungen immer verstopft ist, woraus auch folgt, dass ein 3D-Riechen gar nicht stattfinden kann. Das Spiel hatte also umgehend einen schlechten Stand bei mir, was meine Mitbewohnerin kommentierte mit:

„Darum geht’s ja, Klugscheißer wie dich zu provozieren.“

„Das ist ein unzulässiges Totschlagargument, denn das würde ja bedeuten, dass ich die Behauptungen dieses Spiels immer und ohne Widerworte hinnehmen müsste. Dieses Spiel diente ja dann dem Zweck der Gleichschaltung, worauf ein autoritäres Regierungssystem die Macht übernehmen würde. Dieses Spiel gehört verbrannt! Wann findet die nächste örtliche Bücherverbrennung der Af-…“

„Es ist ein Spiel!“, unterbrach sie meinen logischen Gedankengang und kam nun mit einer Frage ums Eck, die mich beleidigt hat. Vielmehr deren Antwort.

„In welchem Alter ist der Mann am fittesten?“

Ich habe mal gelesen, des Mannes sexueller Höhepunkt liege bei etwa 17 Jahren. Ab 24 gehe es schon wieder bergab. Wäre dem so, es mag ja sein, hätte ich meinen sexuellen Höhepunkt voll und ganz an meine rechte Hand verschwendet. Und da ich alles im Leben auf mich beziehe, bezog ich auch die Frage auf mich und antwortete meiner Mitbewohnerin:

„Mit 37 oder 38 Jahren. Ich war nie fitter.“

Meine Mitbewohnerin drehte die Karte um und las die Antwort vor:

„Mit 23.“

Ich, keine 40 Jahre alt, balanciere also bereits auf dem absteigenden Ast, was ich vehement bestreite.

„Als ob irgendein 23-Jähriger mir das Wasser reichen könnte! Dieses Spiel ist lächerlich! Es ist kaputt. Auf zur Bücherver-…“

Je nach Statistik wird der Mann in Deutschland rund 78 Jahre alt; ich bin also nicht einmal bei der Hälfte des Lebens angekommen und muss mir von einem Spiel mit dem Namen „Klugscheißer“ Degeneration mit 37 oder 38 Jahren vorwerfen lassen. Und nun stoße ich zufällig auf einen Artikel der eigentlich nicht mehr existenten „Frankfurter Rundschau“, der mir Tipps an die Hand geben will, wie ich mit 40 fit bleibe. Mit 40! Als wäre das ein Alter! Gut, bei Frauen ist es das natürlich. Bei ihnen setzt ab 30 ein Zersetzungsprozess ein; eine Art Fäulnis.

Das sage nicht ich. Ich wäre ja schön blöd, das öffentlich zu sagen! Ich höre es von Frauen selbst, die dieses kritische Alter in meinem Umfeld erreicht haben. Frauen halten sich – natürlich gibt es Ausnahmen – ab 30 für alt. Da sie im Schnitt 86 werden, nimmt ihr Lebensabend also zwei Drittel ihrer Lebenszeit in Anspruch. Das ist in etwa so, als würde man um 13 Uhr das Abendessen in Angriff nehmen, wenn Männer sich gerade fürs Frühstück aus dem Bett quälen.

Die 30-jährigen Seniorinnen, die ich kenne, finde ich gar nicht alt, und auch erste Falten nicht schlimm, kommentiere sie meist mit:

„Die kommen vom Lachen“, denn

„Ich sehe da keine Falte“ ist unglaubwürdig. Kleine Marianengräben im Gesicht sind eben normal und auch tatsächlich nicht der Rede wert. In Bezug auf das Streben von Brüsten gen Boden kann ich nicht so viel sagen, da ich nur zwei Brüste wirklich kenne und mit denen bin ich mehr als zufrieden. Mir kommt gerade der Gedanke, ob man statt mit Silikon mit kleinen Helium-Ballons arbeiten könnte; ich denke über ein entsprechendes Patent nach, bitte diese Idee nicht klauen. Ich werde mit ihr meinen Lebensabend finanzieren, den ich im Alter von etwa 75 anstrebe. Ab 70, würde ich sagen, ist man nämlich alt.

Am Wochenende sah ich einen Film mit Ed Harris („That’s What I Am“). Ed Harris hatte nie volles Haar und ist nun 67 Jahre alt, sofern ich richtig gerechnet habe.

„Der Mann sieht ja jetzt erst richtig gut aus!“, teilte ich meiner Mitbewohnerin mit.

„Das geht auch nur bei Männern! Dass sie im Alter plötzlich gut aussehen! Das ist ungerecht. Da habt ihr Glück!“

Ja, da ist was dran, sage ich völlig wertfrei. Ich sollte mir einen älteren Herrn schnappen, der mich aushält.

Die Frankfurter Rundschau allerdings nimmt sich nun der 40-Jährigen an und warnt: Ab 40 wird man fett. So formuliert sie das freilich nicht, sie spricht eher von Pfunden an den Hüften und zitiert einen Fachmann, der mir gerade noch gefehlt hat, der selbst ein ewiger Jungbrunnen ist: Ingemann Froböse, Leiter des Zentrums für Gesundheit durch Sport und Bewegung der Deutschen Sporthochschule Köln. Allein das Aussprechen des Namens dieses Zentrums kostet wertvolle Lebenszeit. Frauen um die 30 sollten sich daher auf „ZfGdSuBdDSK“ beschränken. (Überhaupt reden Frauen trotz ihrer beschränkten Lebenszeit riskant viel.)

Ich habe Herrn Froböse zuletzt bei einem Kugelhantel-Training zusehen dürfen. Ihm gelingt an sich ja alles, dabei jedoch hat er leider versagt. Erstmals dachte ich von diesem Jungbrunnen:

„Er ist nun auch alt“

und schmunzelte in mich hinein. Bei ihm setzt nun das ein, was sonst bereits 40-Jährigen geschieht: Der Stoffwechsel verlangsamt sich, was schlecht ist, da dessen Stillstand im Grunde gleichbedeutend mit Tod ist, die Knochenmasse schwindet und die Muskulatur bricht praktisch in sich zusammen. Doch Froböse weiß: Nur zwei Ausdauersport-Einheiten pro Woche genügen, um 20 Jahre lang 40 zu bleiben. Mit 60 ist man somit noch 40, mit 61 dann aber 61: ein plötzliches Altern um 21 Jahre!

Gerade der Muskelaufbau im Alter (also ab 40) sei wichtig. Wegen Rückenschmerzen und so. Ich habe derzeit enorme Rückenschmerzen, da ich mich beim „Kreuzheben“ verhoben habe. Man kreuzhebt, um Rückenschmerzen vorzubeugen. Ich kreuzhebe, um danach erstmals Rücken zu haben. Aber auch das Gefühl, jung und fit zu sein. Trotz der mitleidigen Blicke meiner Mitbewohnerin am zurückliegenden Samstagmorgen, als wir zusammen laufen waren und jeder Bordstein für mich eine Qual war.

„Du läufst wie auf Stelzen! Dein Rücken? Sollen wir eine Gehpause machen? Irgendwie wirkst du alt und gebrechlich!“

An sich wollte ich fragen, ob das ihr Winkarm sei, der da so im Wind schlackere, aber da sie keine Winkarme hat und es sicherlich eine übereifrige Reaktion gewesen wäre, beschränkte ich mich auf:

„Nein, alles gut. Ich teste einen neuen Laufstil.“

„Bei dem man die Kniegelenke permanent durchstreckt?“

„Ja. Das haben schon die alten Maya so gemacht.“

Mit denen kann man alles begründen. Chiasamen beispielsweise. Haben keine große gesundheitsfördernde Wirkung, aber lassen sich gut verkaufen mit dem Argument, die Maya hätten sie schon konsumiert. Schlecht werben hingegen kann man mit Nazis.

„Beliebt schon bei den Nazis!“

Würde kaum einer kaufen. Die Maya hingegen haben einen deutlich besseren Ruf als die Gründer des Tausendjährigen Reiches. Und dennoch; Maya und Nazis haben eines gemein: keine Zukunft.

Die Tipps, die die „FR“ weiters gibt, sind Allgemeinplätze: viel bewegen, auch wenn’s nur walken sei. Entscheidend sei, dass man sich – anders als ich zuletzt – nach dem Sport besser fühle als vorher. Einleuchtend. Stutzig macht mich abschließend dieser Satz:

Dann ist es an der Zeit, seine Grenzen vorsichtig auszutesten und auch mal richtig aus der Puste zu kommen.

Als 40-Jähriger käme ich mir etwas verarscht vor. Als sei man schon so gebrechlich, dass man „vorsichtig“ sein müsse! Früher war man mit 40 tot!

Nun lese ich „Sind Leinsamen geschrotet oder ganz am besten?“. Den Artikel legt mit die „FR“ gerade nahe. Leinsamen sind die Chiasamen der Armen.