(Bildquelle: Zeit Online)

Grommek ist zurück aus Hamburg. Grommek ist, was die politische Betrachtungsweise unseres Daseins angeht, mein Gegenteil. So wie rechte Idioten mein Gegenteil sind, sind es auch linke Idioten. Und Grommek ist ein linker Idiot. Im besten Falle, denn möglicherweise hat er sich nur an den Randalen beim G20-Gipfel beteiligt um des Randalierens Willen. Aber selbst eine politische und auch durchaus legitime Überzeugung hinter Vandalismus macht diesen ja nicht besser.

Völlig bewusst ging ich am Wochenende den Bildern aus Hamburg aus dem Weg, weil ich die blinde Zerstörungswut nur fassungslos und ausgesprochen wütend hätte ertragen können; einige Szenen sah ich ja durchaus, doch zappte oder scrollte ich jedes Mal sofort weiter. Weil ich es auch einfach nicht verstehe. Ich bin kein Fan von „Rewe City“, aber dennoch liegt es mir fern, in einem entsprechenden Ladenlokal zu randalieren, es zu verwüsten, erheblichen Schaden anzurichten, auch wenn dieser einem Großkonzern zugefügt würde, der vermutlich schnell in der Schadensbeseitigung ist. Dennoch ist das kein Grund. Und dann sind da die kleinen Läden, die von Einzelhändlern, hinter denen eben caine großen Ketten stehen, die nun vermutlich Existenzsorgen haben, weil Vollarschwichser wie Grommek, der in unserem Viertel wohnt, blind wüten mussten. Man stelle sich mal vor, sie wüteten sehend! – Was dann erst alles zu Bruch ginge!

„Wir müssen denen da oben aber doch zeigen, dass wir nicht alles mit uns machen lassen!“, argumentiert Grommek.

„Aber dann tretet ihr die da unten?!“

„Anders können wir uns nicht Gehör verschaffen!“

Gehör haben sie nun, die, die sich für links halten und als linksextrem einzustufen sind. Aber sie haben eines Gott sei Dank nicht:

„Ihr habt das Volk nicht hinter euch, Grommek, die große Masse ist empört und in Hamburg räumen sie nun bereitwillig das auf, was ihr hinterlassen habt.“

„Aber Scholz wird zurücktreten müssen. Das haben wir erreicht! Wir haben den Mächtigen richtig ans Bein gepisst!“

Wenn er denn zurücktritt. Ich sehe den Grund nicht. Außerdem ist er ’nur‘ Bürgermeister, keiner der Weltführer!“

„Er ist aber doch selbst schuld, dass er den G20 in Hamburg zugelassen hat!“

Kein Argument in meinen Augen. Natürlich wäre es der einfachere Weg gewesen, diesen Gipfel beispielsweise bei den UN in New York oder meinetwegen auf Helgoland abzuhalten. Doch darf ein Staat keinesfalls vor so einem irren Mob zurückweichen. Auch das wäre eine Form eines rechtsfreien Raumes.

Macron: „Angela, darf ich dich besuchen?“

Merkel: „Geht nicht, Emmanuel. Dann brennen bei uns wieder Autos.“

„Beim G20 geht es nur darum, wie wir weiterhin auf Kosten der Armen uns in unserem Wohlstand suhlen können! Darauf muss man doch aufmerksam machen!“, glaubt Grommek.

Ich hingegen finde es absolut notwendig, dass sich die 20 Führer der Welt, die zwei Drittel der Weltbevölkerung vertreten, regelmäßig treffen (Mit dabei sind ja auch Vertreter der Schwellenländer, mitnichten nur der Wohnstandsnationen). Das Gegenteil wäre fatal, Spannungen lassen sich vis-à-vis noch am besten abbauen. Kanzler Kohl, der vielen nicht intellektuell genug war, verstand sich darauf bestens. Ohne seine Spaziergänge mit beispielsweise Gorbatschow wäre Deutschland nie wiedervereinigt worden. Ohne in persönlichen Gesprächen die polnischen, die französischen und die britischen Gegner der Vereinigung zu besänftigen, würde ich derzeit im britischen Sektor Berlins arbeiten. Was zur Hölle also spricht gegen ein Treffen der 20 mächtigsten Staatslenker der Erde? Meinetwegen erweitern wir den Kreis, im besten Falle kommen alle zusammen.

Um was für eine Chance der Außendarstellung hat uns ein irrationaler Mob da nur gebracht! Das Tor zur Welt hat sich dieser verschlossen; ich schäme mich regelrecht.

Autonome linksradikale Gruppen richten sich gegen Hierarchien, treten antiautoritär auf und benehmen sich dabei leider dann doch sehr autoritär. Sie widersetzen sich dem Gewaltmonopol des Staates mit ausufernder Gewalt, wie sie gerade unser Staat, der ja nahezu harmlos auftritt, nie anwenden würde. Empörte Schlagzeilen erzeugt unsere Polizei ja bereits durch den Einsatz von Wasserwerfern, während ich still und ganz privat vor mich hin denke: „Holt endlich die Panzer und ballert diese Idioten nieder!“ Solche Dinge geschehen nämlich in wirklich autoritären Staaten. In unserem fantastischen Land kommt das Militär lediglich zum Aufräumen vorbei und selbst das ist umstritten.

Und ich fordere natürlich nicht (ohne guten Grund) Gewalt gegen Demonstranten. Aber ich erwarte auf solche Krawalle Antworten des Staates, die sitzen. Linksextremismus wird in Deutschland schwächer geahndet als sein rechtes Pendant, was natürlich mit unserer etwas ungünstigen Geschichte in den 30er- und 40er-Jahren zu tun hat. Doch wie auch Rechtsradikale wollen Linksextreme den Staat stürzen und ein anderes System installieren. Die Polizei ist dabei ihr Lieblingsfeind, was natürlich blöd ist, weil auf diese Weise manch Eskalation vom Wochenende zu erklären ist. Mir hat die Polizei bislang immer geholfen und meist auch einen schönen Tag gewünscht.

Randalieren liegt mir nicht. Obwohl ich im Jahr 2003 die Parkplatzschranke meines damaligen Studentenwohnheimes in eine andere Stellung gebracht hatte. Also verbogen. Und dann abgebrochen. Das war zusammen mit meinem damals besten Kumpel Pavel vonstatten gegangen, nachdem wir von einer Party wiedergekommen waren. Wir fanden das sehr lustig. Bis wir am nächsten Morgen bemerkten, dass eine Videokamera unseres Überwachungsstaates uns bei der nächtlichen Aktion gefilmt hatte. Vergangene Woche besuchte ich noch einmal zusammen mit meiner Mitbewohnerin den Tatort:

 

Wir bekamen unsere gerechte Strafe. Der Oberboss des Studentenwerkes Münster lud uns ein. Gemeinsam sahen wir uns das Überwachungsvideo an. Dann gab er uns die fristlose Kündigung, schon zwei Tage später überraschte ich meine Eltern:

„Ich wohne nun wieder bei euch!“

Die Strafanzeige wurde wegen Nichtigkeit fallengelassen und eine Schranke der Marke „Bebamatic“ kostet 300 Euro, die mir dann fehlten.

Diesen meinen Ausflug in die Welt des Vandalismus tue ich heute als spätpubertären Irrweg ab, kann darüber lachen, auch wenn ich damals große Angst vor der Staatsgewalt hatte, vor der Justiz, die in Münster zu unserem Glück damals mit dem Aufklären von Fahrraddiebstählen überlastet war, sodass für Schrankenvorfälle kein Personal vorgesehen war.

Und so frage ich Grommek:

„Hast du eigentlich keine Angst, bei solchen Aktionen festgenommen zu werden?“

„Nein. Sie lassen einen ja sofort wieder frei.“

Ich habe schon schlaflose Nächte, wenn ich mein Auto mal im Halteverbot abstelle!“

„Feiglinge wie du werden darum unser autoritäres System stützen. Du bist ein Wegducker! Ein Mitläufer!“

Genau das bin ich nicht. Solche Ungerechtigkeiten wie die, die da in Hamburg geschahen, machen mich aggressiv und wütend. Ich spüre vollste Verachtung und auch so etwas wie Traurigkeit, wenn ich die Schicksale der Opfer solchen Wütens sehe. Ich stehe voll hinter diesem Staat, da ich ihn, bewusst patriotisch, für einen der besten, der freiesten!, der Welt halte. Als ich vor einem Jahr arbeitslos wurde, wurde diese Freiheit enorm beschnitten: Mir saß der Staat im Nacken. Nie zuvor hat mir jemand so viele Briefe geschrieben! Völlige Freiheit gibt es wohl nicht. Doch im Rahmen einiger wohl notwendiger Grenzen, erleben wir eine historisch maximale Freiheit, die immer prekär ist und sein wird. Die wird verteidigen müssen gegen äußere Feinde, aber auch gegen innere Idioten. Natürlich stütze ich dieses System! Ich kann dieses abgefickte Gejammere über den Kapitalismus nicht mehr hören! Ich glaube, viele jammern nur mit, weil’s en vogue ist. Ähnlich der Laktoseintoleranz. Kapitalismus ist nicht per se schlecht. Freilich gibt es Auswüchse, natürlich leben wir auf Kosten anderer. Doch in der Tendenz bessern sich die Dinge zunehmend. Ein Umdenken dauert. Nicht nur bei „denen da oben“, sondern bei jedem. Niemand muss bei „Primark“ kaufen. Die Veränderung findet nicht in der Politik statt, sondern zuerst beim Bürger. Ich will sehen, was geschieht, wenn die europäische Politik selbst das täte, was sie von Trump fordert, nämlich auf Protektionismus verzichtete. Auf Subventionen. Den Aufschrei will ich erleben, wenn allen bewusst wird, dass es leicht unangenehm wird, mal nicht auf Kosten des armen Teiles der Welt zu leben! Diese Prozesse werden langsam vonstatten gehen müssen. So wie sich in China (unter einer sehr autoritären Führung) eine Mittelschicht herausgebildet hat,  geschieht es nun auch in nicht unwesentlichen Teilen Afrikas. Diese Entwicklungen haben auch etwas mit Einsicht auf unserer Seite zu tun, aber eben nicht mit brennenden Autos.