Montagmorgen, ICE 543, Wagen 21, Platz 106. Ein Standard-Montagmorgen in meinem Leben. Und es gibt Schlimmeres. Immerhin habe ich nun vier Stunden Cait für Dinge. Für eben solche Dinge, die zuvorderst dazu dienen, Zeit totzuschlagen. Dinge, die man sonst nicht tun würde. Zumindest nicht in diesem Moment, wäre der Ort ein anderer. Gelesen habe ich bereits, schlafen werde ich vermutlich noch und schreiben tue ich in diesem Moment, da mich ein eben gelesener Zeitungsartikel durchaus interessiert hat. Wenn nur das Bloggen im Zug nicht so qualvoll lange dauern würde, was der miesen Netzabdeckung in Deutschland geschuldet ist. Die Bahn kann gar nichts dafür, dass ihr W-Lan nahezu unbrauchbar ist. Sie kann auch nur auf die (nicht) vorhandene Infrastruktur zurückgreifen.

Bochum.

Hoffentlich setzt sich niemand neben mich. Brauche das Nachbartischchen, um dort meinen Kaffee abzustellen. Als mir der Kaffee feilgeboten wurde, fragte mich der Bahnbedienstete:

„‚Twix‘ dazu?“

Ich bejahte, da ich „Keks“ verstanden hatte. Natürlich wunderte ich mich, dass man mich fragt:

„Keks dazu?“

Klingt so wie „Nimm dir ’nen Keks!“. Aber gut, wenn er halt fragte.

„Macht dann vierfünfzig.“

Hm. Ein teurer Kaffee. Kostet sonst „nur“ drei Euro.

„Wie? Vierfünfzig?“, fragte ich bass erstaunt.

„Ja, das Twix kostet einsfünfzig.“

„Achso! Ich hatte ‚Keks‘ verstanden! Lassen wir das Twix weg.“

„Drei Euro.“

Riesengeschichte, ich weiß. Der Leser möge sich einen Keks zur Lektüre nehmen.

Meine keksfreie Lektüre bezog sich eben auf einen Artikel aus der Sonntagszeitung, mit der ich mein Spießer- und Bildungsbürgertum unterstreiche. Es ging dort um den Erfahrungsbericht einer Journalistin, die ein Seminar besucht hatte, bei dem die Kursteilnehmer lernen, immer offen das zu sagen, was sie denken. Ich persönlich bin da Gegner von, da unsere Gesellschaft sofort kollabieren würde, würde jeder immer offen und ehrlich sein. Ich kenne durchaus Menschen, die ungefiltert sagen, was sie gerade denken. Empfinde das als meist unsensibel und vor allem unnötig. Denn ich behaupte, meist denkt der Mensch in irgendeiner Form schlecht. Das ist auch ein Fazit jenes Lehrganges: Der Mensch ist hin und her gerissen zwischen Empathie und Egoismus. Ich bin ebenfalls davon überzeugt und finde es nicht schlimm, man muss es nur wissen. Jeder Mensch taktiert. Übrigens besonders die, die jedem ungefragt erzählen, dass sie wahnsinnig sozial drauf seien.

Die Journalistin, deren Name mir entfallen ist, beschreibt lustige Szenen, die sich während des Seminars ergeben. Bereits an Tag zwei dessen fallen diverse Hemmungen bei den Teilnehmern. Einer wird vom Kursleiter gefragt, was er zu jener blonden Teilnehmerin denkt, die ihm gegenüber sitzt.

„Ich würde gerne mit ihr Sex haben.“

Das Plenum lacht und die Umworbene fühlt sich geschmeichelt und sagt:

„Ich habe mir gerade auch vorgestellt, mit dir zu schlafen.“

Nun habe ich lange überlegt – und ich überlege beim Schreiben eigentlich nie -, ob ich das Folgende schreibe. Eben in Essen stieg – der Zufall will es so – eine blonde Frau ein, vermutlich in meinem Alter. Sie ging an mir vorbei, ohne auch nur in Betracht zu ziehen, sich zu mir zu setzen. Gottseidank, denn neben mir sitzt ja mein Kaffee. Das Mädel (Bis wie viel Jahren kann man Frauen eigentlich ‚Mädel‘ nennen?) hatte auffällig dunkle Augenbrauen, die Haare vermutlich gefärbt (ob echt oder unecht, spielt caine Rolle), die Figur ein Traum (sofern ihr Koffer nicht böse Überraschungen verdeckt hat) und überhaupt eine schöne Frau. Allerdings nicht ausgestattet mit der Form von Schönheit, wie ich sie liebe. Die medial propagierte Schönheit ist ohnehin nicht die mir liegende. Ich stehe auf Augen (nicht auf alle), auf einen offenen Blick, vielleicht auf Rehaugen, auf braune. Sie hatte blaue. Ich stehe auf das, was irgendwie neugierig macht, was reizt. Große Brüste, geiler Po sind gut, reichen aber nicht. Brüste müssen nicht groß sein, sie müssen ansprechend geformt sein und was ansprechend ist, entscheidet der jeweilige Betrachter. Ihre Brüste waren groß, der Hintern vermutlich ansehnlich, da er nicht größer als der ihn verdeckende Koffer war und ich überlege, ob ich nun sexistisch, frauenfeindlich gar, bin.

Nein. An sich ja im Gegenteil. Aber oberflächlich bin ich in dem Moment, wo ich sie so beurteile. Abgesehen davon, dass Frauen das umgekehrt natürlich und legitimerweise auch so machen (Gut, sie würdigte mich keines Blickes!), kann ich zu diesem Caitpunkt nur oberflächlich sein. Sogar so sehr, dass ich mich nun auch dabei erwischte zu überlegen, ob ich mit ihr schlafen würde. Diese Frage stelle ich mir ganz automatisch. Und wenn ich ehrlich bin: Bei jeder Frau, die ich sehe, von meiner Mutter abgesehen (würde nicht).

Dortmund.

Weitere Frauen steigen zu, klar, auch Männer, aber bei denen stelle ich mir die Frage eher weniger. Da steigen aber auch Damen zu, da stelle ich mir die Fickfrage nicht. Wenn sie ein gewisses Alter überschritten haben, sortiert mein Sexualzentrum im Hirn, so es das gibt, sie sofort aus. Auch das entscheidet jeder für sich, manch einer mag ja einen enormen Altersunterschied – leider in beide Richtungen.

Ich betreibe also Rasterfahndung; auch als wieder eine sehr ansehnliche Frau reinkommt, bei der mir sofort klar ist: Mit der würde ich. Rein theoretisch natürlich. Die tut aber auch alles dafür, ihre Reize zu zeigen. Nicht, dass ich falsch verstanden werde: Auch das ist in Ordnung. Denn wir alle sind sexuelle Wesen. Ich sage aber nicht: „Sie legt es darauf an“! Obwohl sie mir so aussieht, als wüsste sie sehr genau, wie sie aussieht. Also ja, mit der würde ich. Sie aber mit Sicherheit nicht mit mir. So vernebelt bin ich nun auch wieder nicht, dass ich mich in diesem Punkt nicht einschätzen könnte.

Die Zugbegleiterin. Sie kenne ich inzwischen. Sie ist etwas kleiner als ich, trägt ihr blondes Haar anders als ich schulterlang, hinten zusammengebunden. Sie trägt Uniform. Ihre Arbeitskleidung. Mich machen Uniformen nun gar nicht an. Ich kann sexy Krankenschwestern beispielsweise auch nichts abgewinnen. Im Gegenteil. Nichts gegen Krankenschwestern; sie können sich ja jederzeit entkleiden, sodass ich zu einer Neubewertung bereit wäre. Aber mit ihr würde ich nicht.

Ich stelle mir die Frage, ob ich mir bei der Frage nach dem Beischlaf ebenfalls die Frage stelle, was genau ich mit der potenziellen Kandidatin anstellen würde. Ich teste das in Hamm.

Hamm.

Wieder steigen Frauen zu. Warum auch nicht. Bei einer ist mir sofort klar: Mit der wird gar nichts angestellt. Aber bei der zweiten liegen die Dinge anders. Doch ich gehe vor meinem geistigen Auge nicht ins Detail. Oder um es klar auszudrücken: Ich scanne hier keine Wichsvorlagen.

Bei diesem Text ist mir etwas unwohl. Ich darf die Leserinnen bitten, mich nicht (zwanghaft) misszuverstehen. Mitnichten sehe ich Frauen als bloße Objekte und halte es für möglich, dass auch Frauen, sofern sie nicht auf dem militanten Emanzentrip sind und ihre eigene Weiblichkeit mitsamt ihren Reizen verleugnen, Männer genauso betrachten. Ich hoffe es zumindest, denn, das mag überraschen, Sex ist ja zunächst einmal eine prima Angelegenheit. Das einzige Vergnügen, das nicht mit Kosten oder einem Kater nach dem Rausch verbunden ist.

Da ich also von mir weiß, was ich mit Frauen tue, wenn ich ihnen das höchstmögliche Glücksgefühl verschaffen will, muss ich mir dieses Detail nicht bei jeder Begegnung neu in Erinnerung rufen. So viel hat mein Selbsttest nun gezeigt.

Sehr private Momente ergeben sich natürlich, wenn da mal eine Frau in Erscheinung tritt, die mich über alle Maße reizt. Dazu gehört dann auch (Endlich!), mal ein Wort mit ihr gewechselt zu haben. Denn Stimme kann viel ausmachen. Sollte jene eingangs erwähnte Blonde wie Adolf Hitler sprechen, wäre da nichts mehr möglich, da kann sie noch so toll aussehen. Das wird oft unterschätzt und da wage ich es, für alle Männer zu sprechen, die ja „optischer“ drauf sind als Frauen, glaubt man der Biologie. Ich „kenne“ beispielsweise ein Mädel, das nur auf seine Optik setzt. Brüste, die aussehen, als könnte man sich eine Gehirnerschütterung an ihnen zuziehen, ein Po, der eindrucksvoll knackig ist, leider aber Fingernägel, die länger als mein Glied sind (sie hat seeeeehr lange) und Lippen, die sicherlich Bananen fest umschließen können. Von allem zu viel. Unter Männern sage ich: „Nicht mal eine Wichsvorlage“. Auf ihren selfies neigt sie zum duckface, während sie ihre linke Hand zart an ihre eigene Wange hält. Frage mich dann immer, ob sie Zahnschmerzen hat. Ich sehe mir ihre Fotos an. Aber nicht, weil ich drauf abgehe, sondern weil sie wie ein Unfall ist. Ich fühle mich als Gaffer. Bilde schon eine Rettungsgasse, wenn sie auf meiner Chronik bei Facebook auftaucht. Äußere Optimierung bringt also erstmal relativ wenig. Eine hohle Nuss kann gut aussehen, aber schmecken tut sie eben nach nichts. Auch hier nehme ich gerne vorweg: Gilt auch für Männer, nehme ich an. Dass ich hier über Frauen schreibe, liegt daran, dass ich ein Mann bin. Ich kann es also nur einseitig betrachten.

Aber es ist legitim, wenn jenes Mädel voll auf seine Optik setzt. Ich finde es nur befremdlich. Eigentlich sogar komisch. Sie weiß vermutlich sehr genau, dass nicht wenige sich einen auf sie runterholen. Ich nicht. Denn ich kann beim Sex, auch beim Solosex, unmöglich an etwas Komisches denken. Dann läuft gar nichts mehr.

Vor zwei Wochen saß ich im Zug nehmen einer Frau, die meinem (!) Schönheitsideal nicht entsprach. Meinem! Wir kamen ins Gespräch, als ich durch meine mir eigene Tölpelhaftigkeit von der Waggon-Tür zerquetscht wurde. Sie lachte, ich lachte auch und ließ mir nicht anmerken, dass mir mein Fuß erheblich schmerzte, nachdem die Tür über ihn gefahren war und plötzlich dachte ich: „Attraktive Frau.“ Bisschen auf Tölpel machen, kommt übrigens bei Frauen in aller Regel, so sie Humor haben, ganz gut an. Man muss ja nicht sagen, dass die Tölpelhaftigkeit gar nicht gespielt ist …