Über Meister des Humors werde ich mal schreiben, wenn sich meine Schreibpause dem Ende zugeneigt hat, womit der Begriff der Zuneigung eine zusätzliche Bedeutung offenbart. War mir bis gerade auch nicht so klar, wie es eigentlich ist.

Der Deutsche hat zweifellos Humor, auch wenn er immer so tut, als würden alle Nichtdeutschen ihm diesen absprechen. Es ist womöglich eher ein running gag, dass er cainen Humor versteht. Es beginnt ja bereits in jedermanns Umfeld; so könnte ich nicht behaupten, dass meines humorfreie Zone ist. Im Gegenteil, ich bewege mich eher in einer Welt der Ironie, der Königsdisziplin des Humors, wie ich finde, denn Humor ist natürlich immer auch Ansichtssache. Das muss der Leser im Folgenden im Hinterkopf behalten, denn ich schreibe hier lediglich, was ich meine, nicht was alle meinen.

Deutschland hat große Humoristen hervorgebracht, die sich in der Welt sehen lassen könnten, würde die Welt nur ein bisschen mehr Deutsch sprechen, womit ich wirklich nur die Sprache meine, um die ersten Empörten direkt zu beruhigen. Ich glaube nicht, dass unsere Vorbilder, die so genannten Amerikaner (die meist gar nicht Amerikaner sind), humoriger sind. Sie vermarkten ihre Humoristen nur besser. Amerikaner sind die besseren Entertainer, weniger bescheiden als die Deutschen, die durchaus dazu neigen, ihre eigenen Größen schlechtzureden, was ich schon wieder humorig, ja sogar sympathisch finde, obwohl es mich in Rage bringt.

Einen Großmeister des Humors sehe ich natürlich in Vicco von Bülow, der derzeit wenig von sich reden macht. Wie leider auch Harald Schmidt, den ich nach wie vor zum Erbrechen konsumiere. In dem Zusammenhang, aber eher zusammenhanglos, fällt mir noch der inzwischen achtzigjährige Herbert Feuerstein ein, den ich leider viel zu wenig erlebt habe. Auch er verbindet eine sympathische Spießigkeit mit Humor, insbesondere mit Ironie. Mein Eindruck ist, Ironie können die Deutschen am besten, merken es oftmals nur nicht. „Pastewka“ ist ein gutes Beispiel für gelungene Selbstironie und wird zum Glück durch einen US-Konzern fortgesetzt, weil es „Sat.1“ entweder zu teuer ist oder zu intelligent. Kaum zu glauben, dass Sat.1 eine Lizenz als Vollprogramm hat …

Weniger beeindrucken mich solche „Showstars“, die uns derzeit das deutsche Fernsehen serviert, das im Übrigen – auch das verkannt – zu den besten Fernsehene der Welt zählt. Schon mal das italienische gesehen? Das spanische? Dass wir leider schlecht in Serien sind, ist nur ein Aspekt des Fernsehens, denn vieles andere können wir schlicht besser als viele andere Nationen. Auf Diskussionen über Sinn und Unsinn des Rundfunkbeitrages lasse ich mich im Zuge dessen inzwischen gar nicht mehr ein, da dort viel Unwissen und vor allem Dummheit im Spiel ist. Das Öffentlich-Rechtliche leistet einen enormen Beitrag für unsere Gesellschaft, der immer wichtiger wird, gerade dann, wenn „Parteien“ wie eine AfD an die Macht streben, die es abschaffen wollen.

In Sachen Humor besteht allerdings Nachholbedarf, auch wenn es durchaus Perlen gibt. Die „Heute-Show“ beispielsweise tut nur so, als sei sie lustig. Dabei ist sie platt. Dagegen steht jedoch ein Olli Dittrich, der zumindest in einen der Fußstapfen Loriots getreten ist. Solche Perlen sieht man dann in Deutschland jedoch nur nachts. Das gilt auch für einen Böhmermann, der sicherlich streitbar ist, was aber für ihn spricht. Grundsätzlich geht es mir auf den Caiger, wenn jemand meint, sich permanent über sämtliche Kanäle über irgend etwas lustigmachen zu müssen, wenn es also kalkulierbar wird. Sich beispielsweise über die deutsche Popszene zu belustigen, wie er es jüngst extrem gut getan hat, ist mir zu billig, da bereits alles bekannt war, was er dazu sagte. Zudem sollte man nicht so tun, als wären die Texte der angloamerikanischen oder britischen Künstler gehaltvoller; es versteht sie nur nicht jeder so richtig. Und dennoch: Warum Böhmermann auf einem Spartenkanal und nicht im Hauptprogramm zu einer besseren Sendezeit?! Warum ließ man Kurt Krömer ebenfalls nur nachts auf den Sender?! Das personelle Potenzial ist durchaus vorhanden in Deutschland und eher beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu finden als bei den Privaten; spontan fällt mir noch Pierre M. Krause ein …

Die Privaten setzen eher auf Schönlinge. Wer schon einmal Rebecca Mir erlebt hat, wie sie versucht zu sprechen, kann unmöglich behaupten, wir hätten cainen Humor. Wer solche Menschen vor die Kamera lässt und dabei auch noch mit einem Mikrofon verkabelt, der muss einfach extrem viel Spaß verstehen. Oder vor dem Fernseher sitzen, diesen von oben bis unten durch alle Ritzen vollkotzend. Die Privaten verheizen einen nach dem anderen, schleusen sie durch alle Formate. Wer heute im Dschungelcamp ist, moderiert morgen schon irgendeine drecksfotzen Sendung, die nach drei Ausgaben ohnehin abgesetzt wird. Das sind dann zusammengeschnittene Showformate, die die Bezeichnung „Show“ nicht verdient haben. Wo ist das gute, alte Live-Fernsehen?!

Stefan Raab durfte das zuletzt noch. Ihn sehe ich nicht als Humoristen, aber immerhin als extrem Kreativen, der vieles gewagt und noch mehr gewonnen hat. Die einen hassen ihn, die anderen nicht. Aber man kann ihm nicht Kreativität und das Beherrschen seiner Fächer absprechen. Das war oder ist ein Entertainer, der ganz offenbar getrieben davon war zu unterhalten. Meinetwegen ist er privat ein Arschloch (was man seltsamerweise über so ziemlich jeden in der Öffentlichkeit stehenden sagt, da man die privat ja so gut kennt), meinetwegen ist er arrogant ohne Ende, aber das hätte er sich ja durchaus verdient. Und natürlich!!!!!! ist er ein Selbstdarsteller wie so viele seiner Zunft. Darum ist er ja zum Fernsehen gegangen! Das kann ein Vorwurf nicht sein, es ist ein Lob.

Wo finde ich derzeit das Talent, zu verstehen, wie ein guter Witz funktioniert?! Ein Witz richtet sich nach einer Grammatik, unterliegt gewissen Gesetzen. Natürlich kann ich billige Lacher über belanglose Peniswitze erreichen, aber wo finde ich noch Unterhalter, die genau wissen, wie sie welches Wort zu placieren haben, damit ein Witz daraus entsteht?! Es gibt diese Menschen, aber man findet sie kaum im Fernsehen.

Es gibt übrigens gute, deutsche TV-Serien, die es mit den amerikanischen aufnehmen können. Dabei sollte man nicht vergessen, dass die meisten Ami-Serien ebenfalls Durchschnittsware sind – nur die bekommen wir hier nicht zu Gesicht. Wir sehen nur die guten, von denen es zweifellos sehr viele gibt. Hierzulande gibt es eher wenige, ich empfehle aber immer wieder den Quotenflop „Im Angesichts des Verbrechens“, den ich selbst erst bei „Netflix“ gesehen habe. Mir fällt kaum eine US-Serie ein, egal ob von „HBO“ oder „Showtime“, die es mit dem Werk aufnehmen könnte. Da hat die „ARD“ einmal etwas gewagt, die Zuschauer goutierten es wie auch die „RTLs“ „Deutschland 1983“ nicht. Selbst schuld also. Muss erst „Amazon exclusive“ davorstehen, dann gilt es als cool. Schweighöfers (würg) „Most wanted“ habe ich gesehen. Es war so lala, es war okay. Sein Problem wird bleiben, dass er irgendwie plötzlich bei „Game of Thrones“ auftauchte.

Aber es soll ja um Humor gehen. Über Vicco von Bülow muss ich nicht viel sagen: Er bleibt wohl unerreicht. Ich ergötze mich immer wieder an meiner DVD-Box, wenn ich sehe, welche Figuren er erschaffen hat, die gar nicht komisch sein wollen, es aber durchaus sind. Ich lehne zwar Vorbilder ab (weil ich es immer etwas arm finde, anderen nachzueifern, ohne die eigenen Talente hervorzukramen), aber er ist ein absolutes und unerreichbares Vorbild. Scham befällt mich dabei, das überhaupt zuzugeben. Es ist eigentlich anmaßend.

Harald Schmidt konsumiere ich immer dann, wenn ich putze. Ob es Interviews sind oder alte Sendungen der einzigen deutschen Latenight, die den großen US-Vorbildern galonenweise das Wasser reichen konnte und dabei ein enormer Quotenerfolg für „Sat.1“ war (zumindest bis zum ersten Ende, 2002): Ich habe alles bereits doppelt und dreifach durchgeguckt. In der Gestaltung von Sendungen, von Inhalten, ist er zweifellos ein Vorbild für mich. Denn es ist ein Irrtum, dass bei Unterhaltungsformaten Inhalte im Vordergrund stehen. Sie sind lediglich Aufhänger für das dann spontan entstehende Drumherum. Das Grandiose einer Latenight ist doch das Wiederkehrende. Man wusste jeden Abend gegen 23 Uhr 15, was kommt. Man war – es klingt altbacken und vielleicht pathetisch – Teil der Show. Man kannte sich irgendwie und dieses Wiederkehrende, das Kennen, war unabdingbar, wollte man die gags verstehen.

Gestern noch gesehen, ist dieses vielleicht ein schönes Beispiel dafür, was ich im deutschen Fernsehen vermisse:

Alles, was vorbereitet war, war: Wir machen Fischstäbchen. Alles andere wird sich zeigen, da wird improvisiert, woraus Dinge entstehen, die gar nicht planbar sind. Exakt das meine ich, wenn ich die Vernachlässigung von Inhalten predige (Was freilich nicht für Nachrichtensendungen oder Dokus gelten kann!). Es ist ungezwungen, es macht Spaß und vor allem nicht dümmer als vorher, denn man unterstellt ja gerne, Fernsehen mache dumm. Das ist natürlich Quatsch, wenn man nicht gerade Stammzuschauer von „RTL II“ ist, einer Marke, die für diese Beispiele immer herhalten muss.

Wenn ich mir die heutigen Spackos im Fernsehen ansehe, beispielsweise einen Daniel-„Mach dich krass“-Aminati oder einen Thore Schölermann, dann ist mir völlig schleierhaft, wie die es dahin geschafft haben, wo sie ihr Unwesen treiben dürfen. Persönlich will ich sie gar nicht angreifen (denn ich kenne sie ja gar nicht), aber was zur Hölle qualifiziert sie?! Frei von Humor, vom platten Alltagshumor abgesehen, und bar jeder Entertainmentqualität moderieren sie Hunderte von Formaten (die natürlich alle im Orkus der Fernsehwelt verschwinden). Ich sage hier nicht, ich könnte es besser (könnte ich), aber ich würde ja auch einen Handwerker kritisieren, der mein Klo nicht entstopft bekommt, auch wenn ich es selbst noch weniger könnte.

Das Problem liegt wohl darin, dass insbesondere Privatsender kurze Trends und die Massen ansprechen wollen. Die Masse ist in ihren Augen einigermaßen jung und vor allem sehr, sehr dumm. Denn sie merkt gar nicht, dass viele ihrer Showhasen nicht geradeaus sprechen können und ebenfalls sehr, sehr dumm sind (nicht alle). Wer ein Handmikro halten kann, geht heute bereits in die Annalen der TV-Geschichte ein. Die wahren Talente hingegen gelten vermutlich als schwierig, weil sie eben auch mal anecken. Immer wichtiger ist es leider inzwischen auch im deutschen Fernsehen, politisch korrekt aufzutreten. Gerade das ist eine Einladung dazu, politisch inkorrekt aufzutreten! Wo bleibt das?! Abgenudelte Massenware stattdessen, alles ohne Risiko und dann auch noch billigst produziert. Der Zuschauer merkt das durchaus, darum hält sich ja kaum noch ein Format länger als eine Woche.

Mit Ironie wird vorsichtig umgegangen. Und wenn es ironisch wird, wird vorher gesagt, dass es das wird. Wenn ich aber Ironie als solche kennzeichnen muss, ist es caine Ironie mehr. Die „Heute-Show“ schreit geradezu heraus: „Wir sind ironisch!!!!!!“ Dadurch ist sie nur noch platt. Oliver Welke schmeißt sich nach jedem seiner „bissigen“ Gags so dermaßen weg, dass ich die Kotze nach Rebecca Mir erst gar nicht wegwische, da es mir schon wieder hochkommt. Ironie funktioniert anders. Ironie lässt kein grölendes Loslachen zu, Ironie hat etwas mit Feinheiten zu tun, die wohl dosiert werden müssen. Ironie hat vor allem etwas mit Intelligenz, womöglich sogar Intellekt, zu tun. Zu Ironie gehört das Risiko, sich beim Adressaten unbeliebt zu machen; das macht sogar den Spaß daran aus. Einen Schritt weiter liegt die Satire, die kaum jemand beherrscht, da sie nicht immer gedankt wird. Denn der Deutsche fragt sich ja gerne:

„Darf Satire alles?“

Ja, klar! Es geht ja eben nicht darum, das Ergebnis dann immer auch witzig zu finden. Scherze über Terroristen? Auf jeden Fall! Scherze über Anschläge? Puh, ja, manchmal.

Satire will nicht zuvorderst witzig sein, Satire will auf Dinge aufmerksam machen und das funktioniert eben oft am besten auf dem Wege des mitunter Brachialen. Folgt der Satire eine Diskussion, ist doch das Ziel erreicht. Der Satiriker will nicht geliebt werden, er will anstoßen, vielleicht auch gehasst werden.

Witze über so genannte Minderheiten finde ich beispielsweise toll. Da macht man mal einen frauenfeindlichen Witz und erntet Empörung, wie könne man sich nur über Minderheiten lustigmachen! Es gibt mehr Frauen als Männer auf der Welt (Darum schlafe ich auch mit zwei Frauen, Ausgleich) und im Übrigen macht es Spaß, selbst ernannte Emanzen zu provozieren, die Frauen immer in einer Opferrolle sehen. Reißt Euch mal zusammen!

Beim Witz über Minderheiten geht es doch gar nicht mehr um den eigentlichen Witz, sondern darum, dass er geeignet ist, Empörung zu provozieren. Denn „Minderheit“ ist doch per se nichts Schlechtes! Witze über Behinderte? BIST DU DES WAHNSINNS?! Erinnere mich da an jemanden, der dazu sagte: „Auch Behinderte haben ein Recht darauf, Gegenstand von Witzen zu werden.“ Ihre Schonung wäre die eigentliche Diskriminierung. Und „Behinderte“ ist politisch übrigens nicht korrekt. Vor lauter politischer Korrektheit weiß ich inzwischen nicht mehr, wie ich dunkelhäutige Menschen nennen darf, ohne dass nicht irgendwer danach schwer einatmet und mich belehren will. Ich zum Beispiel bin nicht nur weiß, ich bin sogar weiß wie Kalk.

Harald Schmidt hatte sich viele Klagen durch Polenwitze eingehandelt, die in den Neunzigerjahren mal „in“ waren. Solche Klagen sind doch der größte Lohn für einen gelungenen Scherz, der mit voller Absicht Ressentiments bedient, da sie den sich empörenden Zuhörer doch erst entlarven: ihn und seine eigenen Vorurteile. Sein erster Reflex ist leider der, der ihn selbst als das entlarvt, was er eigentlich betont empört kritisiert.

Ich bin großer Freund der selbstpraktizierten Ironie. Nicht aus Selbstzweck, nicht weil ich mich mal dazu entschieden hätte, sondern weil es einfach so ist, womöglich Teil meiner Persönlichkeit, deren Grundzüge man ja nun einmal nicht ändern kann. Ich suhle mich mitunter darin, wenn mein Gegenüber nicht weiß, ob ich Gesagtes nun ernst meine oder als Scherz. Die Psychoanalyse, dass Ironie auch Selbstschutz ist – geschenkt. Das ist zu offensichtlich. Ironie bedeutet mir aber vor allem, ernste Dinge des Lebens, unschöne sogar, ins rechte Licht zu rücken, erträglicher zu gestalten, was eine weiterführende Selbstironie unbedingt notwendig macht. Dem Ernst des Lebens kann man bis zu einem gewissen Grad den Schrecken nehmen, wenn man ihm in seine Visage lacht – innerlich, niemals äußerlich sichtbar!

Vielleicht sehen wir Humor nicht mit der nötigen Gelassenheit, die mit Humor eigentlich einhergehen sollte, denn Humor ist ja eben kein Ernst.