Heute mal ausgeschlafen. Muss ja nicht viel tun, Schreiben zum Beispiel fällt ja derzeit weg: meiner Schreibpause dritter Tag.

Merkt mein Gehirn davon etwas? Ist es befreiter? Entwickelt es dezent im Hintergrund neue Ideen aufgrund der frei gewordenen Kapazitäten? Verknüpfen sich neue Synapsen mit alten, die in dieser Ruhephase nichts zu feuern haben? Das wird sich alles zeigen, wenn ich im September wieder mit dem Schreiben fortfahre. Ich gehe davon aus, dass ich schon in ein, zwei Wochen auch wieder verstärkt Lust dazu empfinde. Doch jetzt bin ich erst einmal froh, nicht schreiben zu müssen.

So kann ich mich ganz entspannt anderen Dingen zuwenden, während meine Mitbewohnerin auf Heimatbesuch in Münster ist, wobei Münster strenggenommen nicht ihre, sondern meine Heimat ist. Sie kommt nämlich gar nicht aus Münster, hat dort allerdings studiert. Und jeder, der einmal nach Münster gekommen ist, weiß, dass diese Stadt einen aufsaugt und die eigentliche Herkunft vergessen macht.

Vor diesem Hintergrund gilt das so genannte Monasterium-Theorem: Komme vielleicht auch ich gar nicht aus Münster, glaube es lediglich, da aufgesaugt von Münster?

Es ist elf Uhr 19, ich sitze entspannt im Bett. Einmal ohne Laptop, in den ich meine Gedanken hämmern müsste. Ich beschränke mich auf rückwärtiges Schreiben: also auf Lesen. „Die Zeit“ hat mich um neun Uhr darüber aufgeklärt, warum präzise Wettervorhersagen nie möglich sein werden, auch wenn gerade Deutschland das am besten wetterüberwachte Land ist; alle 2,8 Kilometer erfassen Wetterstationen das – naja – Wetter. Bildet sich zwischen zwei Stationen eine Gewitterwolke, wird diese nicht erfasst, sodass das entsprechende Gewitter jeder Vorhersage zuvorkommt. Das allein ist der Grund dafür, dass es trotz aller meteorologischer Findigkeit zu Überraschungen kommt.

Ich werde heute Wartungsarbeiten leisten. Im Sinne von Warten. Auf den „DHL“-Boten. Zwischen 10 Uhr 30 und 14 Uhr 30 bringt er mir meine neue Internet-Hardware, da mir 16 MBit inzwischen zu wenig geworden sind und ich nun die Glasfaser vor unserem Haus anzapfe – für den halben Preis. Schnapper! Seit drei Wochen begleitet mich mein neuer Anbieter durch jeden Schritt bis hin zur Umschaltung meines Anschlusses am kommenden Samstag. Mir ist natürlich völlig klar, dass nichts funktionieren wird am kommenden Samstag. Ich werde zwar alles so anschließen, wie man mir sagt, aber diese Dinge funktionieren nie. Immerhin bin ich aber nicht zu „Unitymedia“ gewechselt, denn das wäre wohl meine endgültige Isolation. Beispielsweise haben meine Mitbewohnerin und ich seit rund fünf Wochen keinen Fernsehempfang mehr, was nichts mit der Analog-Abschaltung zu tun hat, da wir ohnehin nur noch digital unterwegs waren. Es kommt schlicht kein Signal mehr bei uns an. Als ich dann bei „Google“ nach „unitymedia kundenservice“ suchte, explodierte in Mountain View ein Server:

Fehler 666: Ungültige Suchanfrage.

Seelisch bin ich also darauf vorbereitet, ab kommenden Samstag auch vom Internet abgeschnitten zu sein, was wohl der Preis dafür ist, mehr als meine bisherigen 16 MBit zu bekommen.

Das Bett werde ich erst verlassen, wenn der DHL-Handlanger das Signal dafür aktiviert, dass er vor der Tür steht. Bis dahin informiere ich mich in meiner „Krafttraining-Enzyklopädie“ darüber, warum ich noch mehr Protein zu mir nehmen muss. Denn ich habe meine Gewichte erhöht, ausgenommen mein eigenes. Hintergrund ist dabei nicht mein neues, mir gesetztes Ziel: Ich will möglichst bald in der Lage sein, zehn ordentliche einarmige Liegestütze zu meistern. Die zu trainieren, ist wahnsinnig schwierig, was ich gerne am zweiarmigen Liegestütz einmal erklären will, auch wenn niemand darum gebeten hat.

Denn den kann im Grunde ein jeder, den herkömmlichen Stütz. Zumindest einen schafft ja wohl jedermann. Und damit lässt sich üben: Man macht so lange diesen einen, bis man einen zweiten draufsetzen kann. Auf die Weise habe ich mich vor einigen Jahren auf 100 hochtrainiert. Erst 20, dann 25, dann 30 und so weiter. Das geht zügiger, als man so gemeinhin denkt. Es mündete bei zehn Mal 100 Liegestütz – 1.000 pro Tag. Das klingt beeindruckend, aber letztlich ist es nur eine Übungsfrage und mehr eine der Körperkoordination als eine der Kraft; der Körper lernt ganz einfach, bestimmte Bewegungen häufig durchzuführen.

(Wen es interessiert: Derart häufige Wiederholungen einer Übung führen nicht zu Muskelzuwachs! Es kann sogar das Gegenteil eintreten. Für Muskelzuwachs genügen etwa zehn bis 15 Wiederholungen einer Übung, die jedoch mit derart schweren Gewichten, dass der entsprechende Muskel beim dritten, vielleicht vierten Satz „brennt“. Ein dicker Bizeps entsteht nicht durch mehrstündiges Training, sondern eher durch intensives, kurzes und schnell erschöpfendes.)

Beim einarmigen Liegestütz ist das – zumindest bei mir – schwieriger, da ich von Anfang an nicht einen konnte. Wie dann trainieren?! Also recherchierte ich und man sagte mir, ich müsse zunächst einmal den herkömmlichen Liegestütz üben. Was jedoch albern ist, denn ich verweise auf die 1.000. Es vergeht bei mir kein Tag, an dem ich nicht herumliegestütze.

Inzwischen, nach etwa acht Tagen des Trainings, bin ich zwar nicht soweit, aber immerhin so weit:

Ich bin zuversichtlich, dass ich mein Ziel erreichen werde, da der Körper irgendwann den Dreh raus haben wird.

Und was bringt mir das? Im Alltag relativ wenig, am Ende jedoch das Gefühl, ein zunächst leicht utopisches Ziel erreicht zu haben. Das einmal erkannt ahnt man, dass noch mehr möglich ist, dass das auch für andere Dinge im Leben Geltung haben kann. Schon als Sechsjähriger wollte ich beispielsweise mal ins Radio und hatte aus Übungszwecken BASF-Kassetten vollgelabert. Das hat sich ausgezahlt – inzwischen halte ich mein Radiogesicht regelmäßig in Fernsehkameras, wovon mindestens die Kollegen in der Regie Notiz nehmen. Manch Ziele sind entgegen jede Wahrscheinlichkeit realisierbar.

Herrlich, wie ich diesen Gedanken nachhängen kann. Ganz ohne diesen Drang, sie niederzuschreiben. Einfach heute nur das tun, wonach mir ist. Wenn jene Hardware gekommen sein wird, werde ich mich in das Krafttraining stürzen und dabei „The Strain“ gucken. Danach schreibe ich weiter an meiner TV-Umsetzung des spin-offs von „Game of Thrones“. Ich selbst habe die ersten vier Bücher gelesen, bin aber was die Serie angeht, irgendwo in Staffel vier ausgestiegen, weil ich nicht mehr kapiert habe, wer eigentlich gegen wen kämpft und warum überhaupt. Ich weiß, ich stehe damit relativ allein da. Die ganze Welt spricht über „GoT“, sodass ich niemandem mitteilen kann, wie kacke eigentlich „Orange Is the New Black“ geworden ist. Zuletzt habe ich mich aber wieder mit „Ozark“ ins Gespräch gebracht, bei der Serie bin ich in meinem Umfeld Pionier. Überhaupt bin ich großer Jason Bateman-Fan. Er spielt zwar in sehr vielen mittelmäßigen US-Filmen mit, aber eben auch in der Sensationsserie „Arrested Developement“, die sich auf einen extrem kuriosen Humor versteht und von „Netflix“ nun weiter produziert wird. Gerade in der Serie kann Bateman als Hauptfigur das spielen, was er am besten kann und mit seiner Mimik auf bestaunenswerte Weise widerspiegelt: eine Mischung aus Enervation, Resignation und doch Gelassenheit. So viel Komik in so wenig Mimik – faszinierend. Und das kommt auch in „Ozark“ – eher keine Komödie – zum Tragen. Auch Sabrina USA, hier im Blog bekannt als „Sabrina USA“, hat sich jüngst als Bateman-Fan geoutet, was durchaus dafür spricht, dass wir ein gemeinsames Verständnis von Humor haben, was mich immer wieder beruhigt, da ich oft alleine lache, wenn mir ein aus meiner Sicht guter Scherz gelungen ist, und auf Dauer isoliert das einen. Was ich in dem Zusammenhang für Humorinteressierte gerne als Tipp an den Mann bringe: Gelingt einem ein guter Scherz, der für enorm heiteres Gelächter bei den Zuhörern sorgt, verbietet es sich unter allen Umständen, selbst zu lachen. Vielmehr gilt es, eine sehr ernste Miene aufzusetzen und lediglich im Stillen den Erfolg zu genießen. Etwaiges äußerliches Lachen kann man später zuhause nachholen, denn keinesfalls darf man signalisieren: „Ich weiß, ich bin witzig!“ Bescheidenheit, understatement und Demut gehören zu Humor unabdingbar dazu. Das Gegenteil gibt es auch, man nennt es „Kalauer“. Ich nenne es plump und vor allem wenig intelligent. Übrigens sind die besten Scherze die, die nur ein winziger Teil des Publikums versteht. In dem Fall genießt man als Absender nicht das Lachen jenes winzigen Teiles, sondern das Schweigen der großen (ratlosen) Masse. Ich geile mich regelrecht daran auf.

Mein GoT-spin-off wird sich um eine Figur drehen, die versucht, die Handlung von Game of Thrones zu verstehen, die irgendwann entscheidet, die Serie nur noch deshalb zu gucken, weil „die Bilder so schön sind“. Was sie ja auch sind, beeindruckend vor allem.

Irgendwann schreibe ich diese Gedanken mal nieder. Im Herbst. Wenn das Wetter wieder schlechter wird (obwohl es gerade seit Stunden regnet). Aber jetzt lasse ich diese Gedanken kommen und unkonserviert wieder gehen. Auch das ist Freiheit.