Wagen wir gemeinsam ein Experiment. Da ich Zeit totschlagen muss, habe ich trotz absoluter Ideenlosigkeit beschlossen, einfach etwas zu schreiben. Kann das funktionieren? Entwickelt sich durch Zufall ein lesbarer Text, dessen Lektüre den Leser nicht ermüdet? Finden wir es zusammen heraus in einer einzigartigen Kollaboration von Absender und Adressaten!

A

Was viele nicht wissen: Ich lehre an der Universität zu Oberbilk in Düsseldorf den Forschungszweig Seppotismus. Ein hochkomplexes Themenfeld, das gebe ich hier gerne zu, und vielleicht aus genau dem Grund gibt es in ganz Deutschland nur diesen einen Lehrstuhl dazu, der übrigens nicht anerkannt ist, wofür ich aber gerne weiter kämpfen werde.

B

Nun, was ist Seppotismus? Diese Frage ist ohnehin die erste, die sich ein Seppotismus-Student stellen sollte, wenn er sich für dieses Studienfach entscheidet, womit er sich seine Zukunft nicht gerade erleichtert, wenn es ihm um wirtschaftlichen Erfolg im Leben geht. Geht es aber um Erleuchtung, so ist er hier genau richtig.

Zunächst einmal setzt sich der Begriff aus mir und „-ismus“ zusammen. „-ismus“ ist ein Suffix, es bildet ein Wort durch Ableitung, was wir Derivation nennen wollen.

Erste Leser dürften nun bereits abgesprungen sein und vielleicht den neuen Artikel im Dampfbloque lesen, das wieder erste Lebenszeichen von sich gibt.

C

Begriffe mit „-ismus“ bezeichnen etwas Abstraktes, oftmals ein Glaubenssystem oder eben eine: Lehre! Seppotismus ist also eine Lehre, die die Dinge aus der Sicht von Seppo, von mir also!, analysiert. Und damit ist Seppotismus wie so viele -ismen eine geistige Strömung in Geschichte, Wissenschaft und der Kunst.

Eine Frage, mit der sich der Seppotismus beschäftigt ist die, ob sich Schreiben als bloßer Caitvertreib, ohne dabei den Leser zu langweilen, eignet. Denn wenn nicht, unterstellte man dem Autor einen gewissen Egoismus, da es ihm beim Schreiben als bloßen Caitvertreib ja lediglich um sich selbst ginge, nicht aber um die Befriedigung des Lesers. Nehmen wir als Beispiel die seppolog-Leserin Sabrina. Jüngst urteilte sie:

Ich mag ja deine Artikel aus der Realität am liebsten, auch wenn sie mit Sicherheit oft aus vielen Lügen bestehen.

Vom angefügten und fast schon vorwurfsvollen Konzessivsatz einmal abgesehen, artikuliert sie deutlich ihre Lesepräferenz, sodass wir davon ausgehen können, dass sie diese Zeilen schon gar nicht mehr lesen wird, da sie bereits bei diesem Satz

Was viele nicht wissen: Ich lehre an der Universität zu Oberbilk in Düsseldorf Seppotismus.

realisiert haben wird, dass die Wirklichkeit hier arg strapaziert wird, weil der Verfasser Cait totschlagen will. Muss.

D

Seppotismus ist also auch der Leserforschung nicht abgeneigt, sodass dieser Text wie ein typisch seppotistischer in so genannte seppotistische Majoritäten gegliedert ist, wodurch sich dem Leser nun auch erschließt, was es mit den Buchstaben hinter den Absätzen dieses Textes auf sich hat. Mit ihrer Hilfe soll die Frage geklärt werden, wann einzelne Leser ausgestiegen sind oder konkreter gefragt: Welchen Absatz hat er noch gelesen?

E

Daraus ergibt sich allerdings – vom Seppotismus längst erkannt! – ein methodisches Problem. Denn zu jeder wissenschaftlichen Methode gibt es immer mindestens ein methodisches Problem, wessenthalben wissenschaftliche Erkenntnisse schlicht von der Masse nicht mehr anerkannt werden. Lieber schluckt sie Vitamin C gegen Krebs, obwohl Vitamin C nicht einmal bei einer Erkältung Abhilfe leisten kann, wählt Trump oder verweigert ihren arglosen Kindern jeglichen Impfschutz, um sich danach über deren Tod augenreibend zu wundern.

F

Leser, die bereits nach Majorität A ausgestiegen sind, können die alles entscheidende Frage gar nicht mehr beantworten, da sie gar nicht wissen können, dass diese Frage erst in Majorität E gestellt wird. Völlig irritiert und ahnungslos verlassen sie diesen Artikel, was diesen Feldforschungsversuch ad absurdum führt. Dennoch seien die verbliebenen Leser, die mir eh viel lieber sind, an dieser Stelle aufgefordert, in den Kommentaren unter diesem Text mitzuteilen, nach welcher seppotistischen Majorität sie ausgestiegen sind.

G

Auch der Verfasser selbst ist Teil dieses Experiments. Denn nicht nur ist die Frage, wie gelangweilt der Leser ist, Gegenstand, sondern auch die, ob es dem Autor gelingt, Cait totzuschlagen. Dazu stellt dieser bereits jetzt fest:

  • 30 Minuten Bruttozeit totgeschlagen,
  • aus dem Nichts heraus ist zumindest eine zarte Idee entstanden,
  • dieses zarte Pflänzchen trägt sich bereits über rund 650 Wörter.

Wovon ist der Autor ausgegangen, als er sein anfangs leeres Texteditierfeld geöffnet hat? Er war sich ziemlich sicher, dass er nichts zu Papier bringen würde und muss dieses vorschnelle Urteil bereits jetzt redigieren.

H

Seppotismus bedeutet freilich viel mehr als in A bis F Beschriebenes. Wie schon erwähnt, können „-ismus“-Begriffe eine Ideologie beschreiben. Ein starkes Wort, passte hier doch besser der Begriff „Einstellung“. Seppotismus beschreibt also eine Einstellung. Wem gegenüber? Den Dingen. Seppotismus lässt sich, wer es so simpel braucht, also auf folgende Formel herunterbrechen:

Die Dinge aus Seppos Sicht.

oder

Seppos Sicht der Dinge.

und

Seppos Sicht auf die Dinge.

Woraus folgt:

Seppos Sicht der Dinge auf die Dinge aus Seppos Sicht.

Nun wird auch dem verbliebenen Leser klar, warum es für diesen Komplex eines eigenen Forschungsgebietes bedarf. Denn Seppos Sicht der Dinge auf die Dinge aus Seppos Sicht ist eine individuelle Sicht. Doch wie kann man diese für andere nachfühlbar machen?

I

Eine Sicht beschreibt immer den Weg von einem Anfangspunkt hin zu einem Zielpunkt. In der Mathematik sprechen wir von einer „Strecke“. Der Anfangspunkt sind Seppos Augen beziehungsweise sein (großer) Geist, das Ziel sind die Dinge. Da wir nicht in Seppos Geist eindringen können, ohne dabei Schaden anzurichten, müssen wir den umgekehrten Weg gehen: Vom Ziel ausgehend, von den Dingen eben!, hin zum Startpunkt mit der maximal möglichen Annäherung.

J

Dass das nicht ohne Weiteres möglich ist, ist dem Leser vermutlich sofort klar. Doch welche Wissenschaft, insbesondere Geisteswissenschaft, liefert schon endgültige Lösungen? Wäre das nicht das Ende einer jeden Wissenschaft? Die Soziologie ist in Deutschland aus drei Gründen gescheitert: Grund eins waren die Nazis. Grund zwei die Tatsache, dass jeder Idiot Soziologie studieren kann, ohne dabei wirklich zu studieren (Seppo selbst) und Grund drei die Erkenntnis, dass Soziologie keine solche liefert. Mit Ende der laufenden Bundestagslegislaturperiode endet auch – per Gesetz – die Soziologie.

K

Ich hoffe, diese kleine Einführung in den Seppotismus hat dem einen oder anderen Leser gefallen. Wer bis Majorität L gelesen haben wird, ist ohne Zweifel ein geeigneter Kandidat für die Aufnahme an die Seppotismus-Akademie in Düsseldorf-Oberbilk.

L

Bitte denken Sie an die Hausaufgaben in den Kommentaren: Nach welcher Majorität (Abschnitt) haben Sie den Text verlassen?