Helle Aufregung im Hause Flotho und das bei hellem Sonnenschein am verregneten Samstag. Mit heller Stimme wecke ich meine Mitbewohnerin:

„Mitbewohnerin! Wach auf!“

„Hrrrrrg.“

„Aufgewacht!“

„Was denn, Seppo?! Und übrigens habe ich einen Namen! Ich werde mehr und mehr zu deiner Mitbewohnerin!“

„Keine Zeit für Beziehungsanalyse. Heller Stern in der dunklen Nacht!“

„Was redest du?“

„Merugin hat mir geschrieben! Eben!“

„Und darum weckst du mich?!“

„Er will gleich vorbeikommen.“

„Jetzt?!“

„Gleich.“

„Wie viel Uhr ist es denn?“

„Zehn. Hellichter Tag.“

„Aber Samstag! Was will er denn?!“

„Ich weiß es nicht. Ich dusche schnell meine sehr helle Haut ab.“

Ich bin ja nicht einmal Freund von gebetenem Besuch, aber nichts geht unter ungebetenem. Schon gar nicht von Merugin, der grundsätzlich nur todeswichtige Anliegen hat, die sich als völlig todesunwichtig herausstellen, also als untodwichtig, nur Untoten wichtig, die es aber nicht gibt.

„Bei der Gelegenheit kannst du die Dusche sauber machen, Seppo“, gibt mir meine Mitbewohnerin mit auf den Weg. Sie hat Recht, das sollte ich tun, da ich gestern Abend auf die Idee kam, meinen Freitagabend damit zu verbringen, fünf meiner Paar Schuhe mit Waschpulver abzuschrubben, was zu einiger Unruhe im Badezimmer geführt hatte, da es doch recht spritzig dabei zuging.

Ich stehe unter der Dusche und überlege, was Schlimmes vorgefallen sein muss, dass Merugin, ein guter Freund von mir, mich um diese Uhrzeit sehen muss. Ob er stirbt? Wäre nicht die schlechteste aller Möglichkeiten.

Ich trockne mich hastig ab, gehe ins Ankleidezimmer, wo fünf Paar Schuhe stehen, die zwar sauber, aber nach wie vor völlig durchnässt sind, da sie bei dieser ewigen Schwüle nicht trocknen wollen. Meine Mitbewohnerin kommt rein:

„Welche Schuhe ziehst du heute Abend beim Gipfeltreffen an?“

„Gar keine. Sie sind alle noch völlig durchnässt. Aber sauber!“

Wir sind heute Abend geladen zu etwas, das wir gerne Gipfeltreffen nennen. Da wir vier Personen sein werden, handelt es sich um das „G4“, bei dem ich lieblichen Wein trinken werde und vermutlich auch „Captain Morgan“-Rum. Es sei denn, Merugin macht mir nun einen Strich durch die Rechnung.

Es klingelt.

„Kannst du eben aufmachen?“, frage ich meine Mitbewohnerin.

„Nein, ich bin ja nicht einmal geduscht.“

„Du willst Merugin nicht sehen, oder?“

„Nein. Er ist mir etwas unheimlich. Ich glaube, er ist schwer krank, wenn ich mal ehrlich sein darf.“

„Nicht jetzt. Nicht immer diese Ehrlichkeit. Kann ich mal eben Schuhe von dir haben?“

„Nimm die roten. Aber knick nicht um.“

„Ich schlüpfe in die roten Hochhackigen, wackle durch den Flur zur Tür und betätige den Türöffner. Öffne die Wohnungstür und höre Merugin die Treppen hochhechten.

„Hechte hoch, Merugin!“, rufe ich, „Hechte hoch!“

„Ich hechte, Seppo, ich hechte hoch!“

„Merugin, hallo. Es ist Samstagmorgen.“

„Tatsache?“

„Ja.“

„Dann bleiben mir noch etwa 24 Stunden.“

„Für was?“

„Fürwahr.“

„Nein, für was bleiben dir 24 Stunden?“

„Du trägst pumps?!“

„Pamps?!“

„Pömms!“

„Die schreiben sich ‚pumps‘?!“

„Ja. Komisch, oder? Aber noch komischer, dass du welche trägst!“

„Ich habe meine Schuhe etwas zu feucht gesäubert, sie sind alle nass. Ich trage nun also pumps.“

„Du bist ein kurioser Typ, Seppo.“

„Merugin. Der kuriose Typ bist hier du. Was zur Hölle willst du und vor allem: Wie viel meines Samstages wird es mich kosten?“

„Seppo, ich stecke in der Klemme. Und: etwa den kompletten.“

Ich bitte Merugin rein, allerdings nur aus reiner Höflichkeit, und wir begeben uns in die Küche. Auf dem Weg dahin knicke ich zweimal um, kann mich aber fangen, wobei ich fast den Spiegel von der Wand reiße.

„Seppo. Ich weiß nicht, ob du es weißt, aber ich verdinge mich derzeit im Düsseldorfer Drogenmilieu.“

„Davon weiß ich nichts und lehne es auch ab.“

„Ich akzeptiere deine Ablehnung, stecke aber bereits sehr tief drin. Ich arbeite für einen gewissen Schornack.“

Schornack?! Hahahah, den kenne ich! Das ist doch der Typ, der hier immer durch die Gegend läuft und rumschreit. Geistig etwas behindert.“

„Ja. Aber das ist nur Show. Der Mann ist der Drogenpate Düsseldorf-Oberbilks.“

„Aha“, sage ich ungläubig, da ich cain Wort glaube.

„Ich hatte von ihm eine nicht unerhebliche Menge Kokains bei mir lagern. Du weißt doch, dass ich meine Wohnung als Lagerraum zur Verfügung stelle, um mir etwas dazuzuverdienen. Wegen meines start-ups.

„Was für ein start-up?!“

MyLager. Privatleute vermieten Teile ihrer Wohnung als Lager für andere Privatleute“, erklärt er mir, „Wie ‚Uber‘, nur eben nicht als Taxi, sondern als Lager.“

„Ich finde den Namen ‚MyLager‘ etwas schwierig“, gebe ich zu bedenken, da ich ja Bedenkenträger bin.

„Ach, Seppo. Bloß keine Verantwortung, aber Bedenken tragen. Mit der Idee kann ich Millionen machen. Läuft alles über ’ne app! Aber wie dem auch sei, Schornack wurde Kunde von mir. Und irgendwann habe ich gemerkt, er lagert Drogen bei mir ein.“

„So weit, so völlig normal.“

„Eben. Doch nun geschah ein Unglück.“

Merugin erzählt mir, dass seine Nachbarn über ihm einen Wasserschaden hatten. Und wie das so läuft, wer kennt es nicht, bahnt sich Wasser unaufhaltsam seinen Weg nach unten – ausgerechnet in Merugins Lagerraum, wo die köstlichen Drogen lagerten.

„Sie waren völlig durchnässt. Ich bekam Panik. Denn ich hafte für das von anderen bei mir Eingelagerte. Das steht sogar in meinen AGB, die ich zwar verfasst, aber selbst nicht gelesen hatte. Ich meine, wer liest schon AGB?!“

„Auch bis hier: völlig normale Geschichte. Weiter.“

„Ich habe versucht, das Zeug zu trocknen. Mit ’nem Haartrockner. Leider, du weißt ja, wie das ist, hatte ich dabei das Fenster vom Lagerraum geöffnet, damit die Feuchtigkeit raus konnte. Und du weißt ja auch, dass ich nicht mit einem normalen Haartrockner arbeite, sondern mit dem enorm leistungsstarken ‚HairDryExpress 3000‘.“

„Das weiß ich nicht. Aber gut.“

„Der blies derart stark, dass das Kokain aufwirbelte und aus dem Fenster flog.“

„Welch Unglück.“

„Eben. Es ist nun weg. Ich rannte zwar raus und wollte es aufsammeln, aber sammle mal Kokain auf!“

„War es denn nicht verpackt? In Tütchen, so wie man es aus dem Fernsehen kennt?“

„Ach, Seppo, du Narr. Verpackt ist Kokain nur im Fernsehen. In der rauen Wirklichkeit wird es natürlich lose vertickt. Weil die Drogenmafia keine Lust hat, den Verpackungsmüll zurückzunehmen, wozu die Industrie ja nun einmal verpflichtet ist.“

„Verstehe. Kokain weg, Schornack erbost?!“

„Er kam gestern Abend vorbei, wollte einen Teil des Kokains abholen. Ich wollte ihm Weizenmehl unterjubeln, hatte aber keines, da ich wegen dir ja diesen low carb-Scheiß mache, und versuchte es mit gemahlenen Mandeln. Das bemerkte er sofort, weil er gerade auch low carb macht. Und dann wurde er wütend. Und dann kam es!“

„Was?“

„Er baute sich vor mir auf und sagte: ‚Ich stelle dir nun drei Unbedingungen, Merugin.“

„Er stellte dir was?!“

„Das ist es ja! Er stellte mir Unbedingungen!“

„Was sind Unbedingungen?!“

„Na, das weiß ich ja eben nicht! Darum bin ich ja hier!“

„Sind sie das Gegenteil von Bedingungen?!“

„Unbedingt! Ja, das glaube ich auch. Aber wie geht man mit dem Gegenteil von Unbedingen um?“

„Vielleicht ungezwungen? Bedingungen sind ja eher was Gezwungenes. Vielleicht sind Unbedingungen ungezwungen, also eher zwanglos. Klingt doch eigentlich ganz gut!“

„Er guckte aber sehr böse dabei.“

„Welche Unbedingungen stellte er dir denn?“

„Ich weiß es nicht.“

„Warum weißt du das nicht?“

„Weil ich sofort aus der Wohnung rannte.“

„Und wo ist er?!“

„Er steht noch im feuchten Lagerraum.“

„Die ganze Nacht?“

„Ja. Er hat sich eingelagert!“

„Geht denn das?“

„Wusste ich erst auch nicht. Hab dann die AGB gelesen und ja, man kann sich selbst einlagern!“

„Er wird erst gehen, wenn du ihm das Zeug wieder beschaffst, nehme ich an.“

„Ja, er besetzt meine Wohnung! Und nun zu meinem Anliegen: Kann ich bei euch einziehen?“

Nun ist es 16 Uhr. Merugin hat sich in unserem Wohnzimmer breitgemacht und nach Stand der Dinge nehmen wir ihn heute Abend mit zum G4, das so zum G5 wird. Nichts ist schlimmer, als wenn Gäste weitere Gäste mitbringen.


Mit diesem irrelevanten Artikel darf ich mich in eine Schreibpause verabschieden, da ich kommende Woche vermutlich sehr eingespannt sein werde. Zu einer Unbedingung dieser Schreibpause gehört anders als zur vergangenen Schreibpause, dass ich tatsächlich bedingt schreiben werde.

Ich will allerdings eine Sache noch nachreichen, und zwar eine Reaktion auf den vorigen Artikel „Eignet sich Schreiben als bloßer Caitvertreib, ohne dabei den Leser zu langweilen?„, der auf viel Resonanz stieß. Ich erwähne in diesem meine treue Leserin Sabrina, die nun ebenfalls auf den Text reagiert hat. Via Facebook, was ich hier kurz wiedergeben darf; sie schreibt grau-, ich grünunterlegt.