Über Gas macht man keine Scherze. Ich kenne jetzt auch keinen guten Gasscherz, die entsprechende Gattung gibt es gar nicht. Es gibt Blondinen-Scherze oder Chuck-Norris-Scherze, aber Gasscherze sind noch caine zugelassene Gattung. In Deutschland täten sie sich ohnehin schwer. Gas ist wie Autobahn, Autobahn geht gar nicht, woraus folgt: Gas geht auch nicht.

Meine Mitbewohnerin und ich haben dennoch viel gasgescherzt in den zurückliegenden Wochen, da wir ein Gasproblem hatten. Ein Kohlenmonoxidproblem, um genauer zu sein. Rückblickend vermuten wir, dass wir dieses schon monatelang hatten, bevor unser Bezirksschornsteinfeger vor rund zwei Wochen bei uns einen Kohlenmonoxidwert von etwa 700 festgestellt hatte, der von unserer Gastherme ausging. Ich weiß nicht, 700 waseigentlich, kenne die Einheit nicht, aber ich weiß, dass der Grenzwert bei 500 irgendwas liegt und wir mit 700 somit zu hoch lagen.

„Da müssen Se was machen, wir sperren Ihnen sonst die Therme, wenn Se das überhaupt überleben“, sagte er, als auch seine dritte Abgasmessung zu keinem erfreulicheren Ergebnis gekommen war. Ob das ein Gaswasserinstallateur-Gasscherz sein sollte?

„Messen Sie bitte nochmal“, bat ich, da ich Dinge immer so lange messe, bis der Messwert im grünen Bereich ist. Das ist wie mit meinem Blutdruck; messe ich ihn nur oft genug, liegt er irgendwann bei 120 zu 80, was bedeutet, dass ich in Topform bin.

„Herr Flotho, Ihre Therme scheint kaputt zu sein. Sie muss repariert werden, sonst sind Sie und Ihre Frau auch kaputt.“

„Wir sind nicht verheiratet.“

„Wer?“

„Meine Frau und ich.“

„Dann ist es auch nicht Ihre Frau.“

„Ja, das meine ich ja. Meine Frau ist nicht meine Frau.“

„Sie und Ihre Frau, die nicht Ihre Frau ist, leben gefährlich bei diesen Abgaswerten!“

Ich wusste es ja. Man liest ja so vieles. Dass die Leute abends ins Bett gehen und nie wieder aufwachen, weil sie sanft im Schlaf erstickt sind – an Kohlenmonoxid, das ab einer gewissen Konzentration die Menschen kaputtmacht. Ich glaube, es ist ein angenehmer Tod, aber wen will man im Nachhinein schon fragen?!

Also riefen meine Mitbewohnerin und ich den Heizungsmonteur an, um ihn um Reparaturmaßnahmen zu bitten, da wir sonst kaputtgingen. Wir fanden, dass wir ein Notfall waren und hofften auf eine gewisse Vorzugsbehandlung bei der Terminvergabe. Und die bekamen wir dann auch. Nur sieben Nächte mussten wir bei erhöhter Kohlenmonixidkonzentration schlafen – immer in der Ungewissheit, ob wir wieder aufwachen würden. Der Leser kann sich das große Hallo an jedem Morgen gerne vorstellen, das es gab, wenn wir aufwachten, den anderen weckten, um dann gemeinsam festzustellen, dass wir lebten! Jeden Morgen lagen wir uns jubelnd in den Armen! Auf das Leben!

Vergangene Woche kam er dann, unser Heizungsmann, der etwa zwei Meter hoch und einen Meter tief ist – ein Mann von beeindruckender Statur also, der mit unserem Staubsauger die Therme absaugte.

„Ihre Therme ist schlicht verdreckt. Ich puste sie schnell mal durch, dann sollte der Kohlenmonoxidwert wieder im grünen Bereich liegen. Man muss nur oft genug messen!“, erklärte er mir.

„Ja, das habe ich auch gesagt! Bei meinem Blutdruck ist es ganz genau so!“

Er packte sein Messgerät aus, steckte es in das Kaminrohr, runzelte die Stirn und sagte:

„Hm, das ist seltsam. Kann eigentlich nicht sein!“

Wenn Handwerker so etwas sagen, weiß man, dass größere Reparaturen ins Haus stehen.

„Was ist los?“, wollte ich wissen.

„1.000. Sie haben einen Wert von 1.000.“

1.000 irgendwas. 300 irgendwas mehr als eine Woche zuvor. Die Einheit spielt nach wie vor keine Rolle. Was ändert sie schon!? Wichtig ist: 1.000 ist dramatisch viel. Obwohl ich das wusste, hakte ich nach:

„Ist das irgendwie gefährlich?“

„Der Grenzwert liegt bei 500. Wir haben auch manchmal Kunden mit 10.000. Die sind dann aber schon tot.“

„Wir sind also nur zu zehn Prozent tot?“

„Sehen Sie es andersherum: Sie leben zu 90 Prozent!“

Das klang wirklich nicht übel. Der Mann weiß die Dinge zu betrachten! Dennoch hakte ich abermals nach:

„Woran kann das denn liegen? Therme kaputt?“

Blöde Frage eigentlich. Natürlich war sie kaputt! Ich meine, 1.000 irgendwas!

„An sich sieht das alles ganz heile aus. Ich kann da jetzt wenig dran machen.“

Sagte es und montierte die Verkleidung wieder an die Therme.

„Und nun?“, fragte ich bass erstaunt.

„Ich muss nochmal wiederkommen. Passt es Ihnen am nächsten Donnerstag?“

„Mir nicht, da arbeite ich auf der ‚Gamescom‘. Aber meiner Frau passt es.“

„Ihrer Frau?“

„Ja. Aber sie ist nicht meine Frau. Können wir die Therme denn nun überhaupt in Betrieb nehmen?“

„Ja.“

„Aber besteht nicht die Gefahr von Vergiftung?“

„Auf jeden Fall! 1.000 ist viel zu hoch!“

„Deshalb frage ich doch! Ich will keine Panik schüren, der Experte sind ja Sie. Aber man liest ja so viel!“

„Ja, man liest wirklich viel. Worüber genau?“

„Über Menschen, die nicht mehr aufwachen. Wegen Kohlenmonoxid!“

„Ja, gut, da ist viel Wahres dran. Aber ich sag Ihnen was: Lassen Sie die Fenster auf, lüften Sie gut durch.“

„Dann passiert nichts?“

„Sehr wahrscheinlich nicht. Aber Sie können die Therme auch abschalten, nur müssten Sie dann kalt duschen. Da müssen Sie nun abwägen.“

„Dann lassen wir die Fenster auf. Kalt duschen kann ich meiner Frau, die nicht meine Frau ist, nicht antun. Wissen Sie, was zum Beispiel los ist, wenn sie abends im Bett feststellt, dass sie kalte Füße hat?“

„Nein.“

Wir verblieben mit einem weiteren Termin und einem Leben in permanenter Erstickungsgefahr. Tagsüber waren wir nicht in der Wohnung, abends haben wir lediglich eine gewisse Kurzatmigkeit sowie extreme Müdigkeit an uns festgestellt. Das schoben wir jedoch auf das sehr wechselhafte Wetter, das wegen der offenen Fenster ja bis in unsere Wohnung vorgedrungen war.

Eine Woche später. Es ist Donnerstag, der Monteur kommt vorbei. Er trägt eine Art Gasmaske, vielleicht ist Atemschutzmaske ein besserer Begriff.

„Oha!“, begrüße ich ihn, „Gefahr in Verzug?“

„Was glauben Sie denn, Herr Flotho! Wie hoch war Ihr Wert?“

„1.000.“

„Wahnsinn! Hätte nicht gedacht, dass Sie mir noch persönlich die Tür öffnen! Hatte gedacht, wir müssten Sie aufbrechen! Respekt!“

„Mich?!“

„Nein, die Tür.“

Weil ich nun arbeiten muss, verlasse ich die Gaskammer (Seppo!) und überlasse Monteur samt Mitbewohnerin (sie ohne Maske) ihrem Schicksal.

Was genau der Handwerker an unserer Therme nun gemacht hat, weiß ich nicht so genau, aber irgendwann im Laufe des Tages schrieb meine Mitbewohnerin mir:

„100! Wir haben einen Wert von 100!“

100, denke ich, 100 ist gut! Und ich wette, der Monteur hat einfach so lange gemessen, bis aus der 1.000 die 100 geworden ist. Ganz so, wie ich es von Anfang an gesagt hatte!