Ich lege mir bald einen Erzähler zu; eine „Stimme aus dem Off“ trifft es vielleicht auch, da ich glaube, dass vieles von dem, was ich tue, für Außenstehende nicht unbedingt immer nachvollziehbar ist. Das gilt mitnichten nur für mich, das gilt sicherlich für jeden von uns. Wie oft tun wir Dinge, von denen wir selbst sehr genau wissen, dass sie irrational sind? Oft, würde ich behaupten, wenn man mal ehrlich zu sich selbst ist.

Es sagt aber auch niemand, dass unser Tun immer rational und nachvollziehbar sein muss. Mir genügt es in aller Regel, dass zumindest ich verstehe, warum ich so manches tue und so anderes unterlasse.

Freilich wäre es wünschenswert, meine Mitbewohnerin verstünde meine Handlungen. Ich behaupte, im Wesentlichen tut sie das, während sie das für sich Unerklärliche womöglich einfach ausblendet, nach knapp 13 Jahren vielleicht einfach übergeht.

Ich habe sie gerade via Facebook gefragt, ob sie zufällig gerade ein Beispiel in petto habe. Ihre Antwort:

ich weiß, dass ich auf dem Weg in die Stadt irgendwas ignoriert hatte, aber ich weiß nicht mehr, was

Hier braucht es wahrlich keinen Psychologen, um zwischen den Zeylen zu lesen: Vieles von dem, was ich tue, empfindet sie inzwischen als derart nichtig, dass sie es schon gar nicht mehr bewusst wahrnimmt, vermutlich nicht einmal mehr unbewusst. Sie erinnert sich nicht mehr an meine Taten an sich, sie erinnert sich nur noch daran, dass sie irgend etwas ignoriert hat! Somit ist sie in diesem Fall caine große Hilfe, sodass ich auf ein sehr abgedroschenes Beispiel zurückgreifen muss:

Eine Sache nämlich, die sie nicht versteht, die sie aber auch nicht auf die Palme bringt, wie sie betont, die sie aber auf jeden Fall rein Interesse halber hinterfragt, ist mein Umgang mit Zahnpastatuben. Ein weit verbreitetes Beispiel, keine Frage, aber exemplarisch: Wie jeder vernünftige Mensch presse ich die Zahncreme durch Zerdrücken der Tube in der Mitte aus, während sie immer von hinten drückt.

„Wenn du immer in der Mitte drückst, muss ich danach sowieso von hinten nachpressen!“, erklärt sie dann.

„Selbst schuld, putz dir doch künftig immer vor mir die Zähne! Press du in der Mitte und ich dann von hinten!“

„Als ob du dann hinten draufdrücken würdest!“

Da hat sie recht, ich würde vermutlich eher noch weiter vorne quetschen. Denn zum Melken der Tube nehme ich diese meist in die ganze Hand und drücke dann auf gut Glück drauf. Klar kann es da schon einmal vorkommen, dass die rotweiß gestreifte Masse über das Ziel, den Bürstenkopf, hinausschießt und dann wahlweise im Waschbecken, am Spiegel oder wie zuletzt an der Außenseite der Kloschüssel landet (Darauf war ich sogar stolz!). Das sind aber Einzelfälle und ich habe kein Problem damit, die Zahnpasta mit dem Bürstenkopf vom Waschbecken aufzunehmen. Lediglich bei der Toilette hielt ich mich jüngst zurück, sodass einige Tage Zahncreme am Toilettentopf haftete. Aber das ist für mich alles kein Grund, in übertriebener Filigranarbeit die Tube von hinten aufzurollen.

„Außerdem ergänzen wir uns doch so hervorragend!“, überzeuge ich sie, „Stell dir vor, wir würden beide in der Mitte drücken!“

„Stell dir vor, wir würden beide hinten drücken!“, erwidert sie nur trocken.

Inzwischen haben wir das Problem gelöst, jeder hat nun seine eigene Zahnpastatube und ich verschweige an dieser Stelle nicht, dass ich mir nie merken kann, welche wessen ist. Das lege ich jeden Tag aufs Neue fest. Was sie daran erkennt, dass beide Tuben von der Mitte her ausgequetscht werden. Ich habe gewonnen.

Ich bin bei uns der Master of Wäsche, soll heißen, bei uns wasche ich. Ich sortiere die Wäsche vor, bin der Gott über die zu wählenden Waschprogramme, hänge die Wäsche danach zum Trocknen auf und lege sie, wenn trocken, wieder zusammen. Dabei ist mir aufgefallen, dass ihre Kleidungsstücke mir grundsätzlich „auf links“ in die Hände fallen, während ich immer peinlich genau darauf achte, dass meine Wäsche immer korrekt, also „auf rechts“, die Maschine passiert, da ich das Wieder-auf-rechts-Ziehen beim Zusammenlegen als nervige Bürde empfinde. Also habe ich sie nach einigen Jahren des Zusammenlebens gefragt, was es damit auf sich habe. Meine Mitbewohnerin, nicht die Wäsche.

„Meine Klamotten trage ich immer auf rechts. Beim Ausziehen werden sie automatisch auf links gezogen, was das erneute Anziehen einfacher macht!“

Einfacher macht?! Tatsächlich zieht sie beispielsweise ein Oberteil während des Ankleidens von links auf rechts. Ich habe es gesehen. Ich habe es genau beobachtet. Sie schafft das irgendwie mit den Armen. Es ist ein vielteiliger Bewegungskomplex, für das männliche Auge kaum wahrnehmbar, für das Hirn nicht fassbar. Sie hat es dann an mir demonstriert, es war ein Debakel. Ich stand da mit nach oben ausgestreckten Armen, an denen ein auf links gezogener Pulli hing, der, als ich ihn dann angezogen hatte, immer noch auf links gezogen war! Aber gut, mag sein, dass das Prinzip an ihr funktioniert. Doch ich verstehe nicht, warum ich es immer mit auf links gezogenen Socken von ihr zu tun habe! Will sie mir weismachen, dass sie ihr Prinzip auch beim Anziehen der Socken anwendet?!

„Nein, das ist Faulheit.“

„Ich lege keine Socken zusammen, die auf links gezogen sind!“, protestiere ich. Eine typisch weibliche Verweigerungshaltung, stelle ich gerade beim Schreiben fest. Sowas machen an sich nur Frauen. Offenbar sind das die Folgen des Ausführens typisch weiblicher Arbeit wie Wäschewaschen.

 

wie du parkplätze suchst! das verstehe ich nicht.

Schreibt sie mir in diesem Moment nachreichenderweise. Da ist was dran, das gebe ich zu.

du fährst immer an mindestens drei breiten parklücken vorbei und findest am ende nur noch ne viel zu enge

In meiner Familie heißt es seit jeher: „Flothos parken stets am Eingang“. Das hält mein Vater noch heute so (auch wenn es bedeutet, dass er oft auf Frauenparkplätzen stehen muss) und dieses Prinzip ist auf mich übergegangen. Ich parke doch nicht auf dem erstbesten Platz!

„Da, links, da ist einer frei!“, sagt sie.

„Zu weit weg.“

„Hier! Rechts!“

„Ich parke doch nicht neben einem Opel Kadett!“

„Da vorne, da ist noch eine Lücke!“

„Zu weit weg vom Eingang. Da hätten wir ja gleich ganz zu Fuß gehen können!“

Ich verschweige nicht, dass dieses Prinzip oftmals dazuführt, dass wir ganz woanders parken, denn ich verpasse oft den Absprung vom Auslassen von Parklücken.

Ein Erzähler wäre die Lösung. Die Stimme aus dem Off, die dem jeweils anderen erklärt, was gerade vor sich geht. Wobei, würde das nicht den Reiz engen menschlichen Miteinanders zunichte machen? Wir wagen demnächst den Test!